Die Dracheninsel. Irmela Nau
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Читать онлайн книгу Die Dracheninsel - Irmela Nau страница 8
Ratlos stand sie da, als Mildred auf sie zutrat. »Konnte Gavin Euch helfen?«, fragte sie anteilnehmend.
»Nein. Leider nicht«, antwortete Emily tonlos.
Mildred zog eine Augenbraue hoch. »Ich war wirklich der Meinung gewesen, er hätte Euch helfen können. Es tut mir leid.«
»Ihr könnt doch nichts dafür. Er wollte wohl nur einfach nicht.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Mildred verwundert.
»Na ja. Als er das Schwert gestern sah, hatte ich den Eindruck, dass er es erkannt habe. Er sagte so etwas wie, das es vor langer Zeit verschwunden sei. Doch heute will er sich nicht daran erinnern. Aber ich weiß, dass er lügt!« Trotzig schaute sie zurück auf die Tür zur Schmiede und wollte sich schon umwenden, als Mildred sie aufhielt.
»Kommt mit. Wenn Gavin nicht reden will, hat es keinen Sinn ihn zu bedrängen. Gebt ihm ein wenig Zeit. Kommt schon«, drängte sie, als Emily sich nicht von der Stelle bewegte.
»Ich mache Euch bei mir einen schönen Tee und wir überlegen gemeinsam, was zu tun ist.« Ihre blauen Augen strahlten heller, wie es Emily schien, als sie ihren Blick in ihre eigenen senkten. Eigentlich wollte sie jetzt keinen Tee trinken. Sie wollte in die Schmiede gehen und Gavin zur Rede stellen, doch dieser Gedanke verlor sich in den blauen Augen, die sie unverwandt anschauten. Dieses Blau erinnerte sie an etwas anderes, aber auch dieser Gedanke entglitt ihr und sie nickte langsam.
»Ja. Ein Becher Tee wäre gut«, antwortete sie ruhig und setzte sich, von Mildred sanft an der Schulter geführt, in Bewegung. Erst in Mildreds Hütte angekommen, mit einem dampfend heißen Becher Kräutertee vor sich, wurde ihr Kopf wieder klar. Sie schaute sich in der Hütte um. In einer Ecke stand ein alter Ofen, auf dem ein Kessel stand, der fröhlich vor sich hinblubberte. Ein großes Regal, grob aus Holz gezimmert, lehnte an einer Wand. Teller, Becher und allerlei Tiegel standen darin und einige Vorräte lagerten dort. Um den Tisch, an dem sie saß, standen noch drei weitere Stühle und zwei Türen führten, wie Emily vermutete, in die Schlafstube und in eine Vorratskammer. An den Deckenbalken hingen viele verschiedene Sträuße von getrockneten Kräutern und verströmten einen angenehmen Duft. Alles machte einen sehr reinlichen und heimeligen Eindruck und Emily lehnte sich entspannt zurück. Ihr Schwert, das sie bisher in der Hand gehalten hatte, legte sie auf den Tisch und Mildred, die sich ebenfalls auf einen Stuhl gesetzt hatte, warf einen neugierigen Blick darauf. Ihr Blick wanderte über die seltsamen Symbole und blieb an dem Rubindrachen hängen.
»Und Gavin behauptet wirklich, dass er es nicht kennt?«, fragte sie stirnrunzelnd. »Höchst bedauerlich, aber ich glaube, es stimmt.«
»Wie meint Ihr das?«
Emily sah die alte Frau fragend an. »Gestern hat er es aber doch erkannt, nur heute will er sich an nichts erinnern. Da stimmt doch was nicht.«
»Gavin ist alt und manchmal ein bisschen verwirrt. Da müsst Ihr ihm sein Gebrabbel verzeihen.«
Emily hatte den Eindruck, dass Mildred, seit sie das Schwert genauer betrachtet hatte, genauso die Unwahrheit sagte wie Gavin. Was war bloß mit diesem Schwert los? Vielleicht war es verflucht? Und vielleicht war sie, Emily, auch verflucht. Das zumindest würde erklären, warum sich die Leute in ihrem Dorf ihr gegenüber immer so ablehnend verhalten hatten.
»Noch Tee?«
Mildred hielt ihr die Kanne vor die Nase und unterbrach damit ihre finsteren Gedanken.
»Nein, danke«, lehnte Emily ab. »Ich muss gehen«.
Plötzlich fühlte sie sich in Mildreds Gesellschaft nicht mehr wohl und wollte nur noch weg. Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Beine fühlten sich ganz wackelig an. Es war vielleicht doch eine gute Idee, noch einen Schluck Tee zu trinken. Sie trank gierig den Becher leer, stellte ihn vor sich auf den Tisch, gähnte laut und sackte in sich zusammen. Mildred schüttelte sie leicht an der Schulter, doch Emily schlief tief und fest.
»Na also«, murmelte Mildred, nahm das Schwert an sich und verließ ihre Hütte. Zielstrebig steuerte sie die Hintertür von Gavins Schmiede an.
»Gavin, mach auf! Ich bin’s, Mildred.« Im Gegensatz zu Emily musste die alte Frau nicht lange warten, bis ihr geöffnet wurde.
»Hab mir schon gedacht, dass Du nicht lange auf dich warten lässt«, sagte Gavin knurrig und trat zurück. »Komm rein.«
Die Wohnstube war düster und wurde nur von zwei Kerzen spärlich beleuchtet. Der Schmied hatte die Fensterläden nicht geöffnet und verriegelte auch die Hintertür sorgfältig hinter Mildred bevor er sprach:
»Und? Ist sie es?«
»Sie hat das Schwert. Woher soll sie es haben, wenn sie es nicht wäre?«
»Gestohlen?«
»Das glaube ich nicht. Sie hat Dir doch die gleiche Geschichte erzählt wie mir. Das sie ausgesetzt wurde und das Schwert neben ihr lag als sie gefunden wurde.«
»Hat sie. Zeig das Ding noch mal her!« Auffordernd streckte Gavin die Hand aus, um das Schwert entgegen zu nehmen. Er studierte die Symbole sorgfältig und sah sich den Rubindrachen an.
»Es ist lange her, dass ich diese Schrift gesehen hab. Ich weiß noch, wie Fingolfin sie eingraviert hat. Das alte Spitzohr hat mir nie gesagt, was sie zu bedeuten hat. Weißt Du es?«
»Leider nicht. Fingolfin ist der einzige von uns, der die Sprache kennt.« Mildred zuckte bedauernd mit den Schultern. »Wie soll es jetzt weitergehen?«
Stirnrunzelnd betrachtete Gavin das Schwert, dann Mildred.
»Du weißt, dass sie ihren Weg allein finden muss.«
»Ja, schon«, Mildred zögerte. »Aber …«
»Kein aber«, raunzte Gavin. »Prüfe sie, dann wissen wir ob sie es ist oder nicht.«
»Prüfen? Ja, wie denn?«
»Erzähl ihr von dem Drachen. Du wirst sehen, wie sie darauf reagiert. Wenn sie es nicht ist, wird sie Dich nur für eine verrückte Alte halten und wenn sie es ist … Nun …«
»Vielleicht hast Du recht. Ich muss zurück, bevor sie aufwacht. Was wirst Du tun?«
»Ich gehe zurück zu den Unsrigen. Noch heute Abend. Wir haben zu beraten, was zu tun ist, für den Fall, das sie es ist.«
»Gut. Pass aber auf Dich auf.« Mildred ging zur Hintertür, schob den Riegel zurück, öffnete sie einen kleinen Spalt, warf einen sichernden Blick hinaus und schlüpfte nach draußen.
»Mach’s gut«, rief ihr Gavin hinterher, bevor die Tür sich wieder schloss. Dann begann er, seine wenigen Habseligkeiten zusammen zu suchen. Es war nicht viel. Ein paar Kleidungsstücke und seine Schmiedewerkzeuge passten in einen Ledersack. Ein Stück Speck, einen Kanten Brot, einen kleinen runden Käse packte er in einen Beutel aus Stoff und ein mit Wein gefüllter Lederschlauch ergänzte sein Gepäck. Gavin schaute sich in seiner Stube um und ging dann in die Schmiede. Bis zum Abend hatte er noch