Schule aus, Neuseeland ruft 2.. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft 2. - Philip Raillon

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beseitigt wären. Nur an wenigen Stellen sitzt noch ein Stein auf dem anderen, da, wo Christchurch einmal blühte und lebte. Städtebaulich bietet die Stadt nun großes Potenzial – doch soweit ist es noch nicht. Das zweite, das große Erdbeben, liegt jetzt zwei Jahre zurück, aber noch immer sind ganze Straßenzüge gesperrt. In ehemaligen Cafés sehe ich die unangetastete Möblierung, die Kaffeetassen stehen noch auf den Tischen. Daneben ein Bekleidungsgeschäft mit angezogenen Ausstellungspuppen im Schaufenster. Spätestens beim Anblick der ehemaligen Kathedrale, mit eingestürztem Turm und nur durch einen Bauzaun gesichert, versteht man, dass das Beben in den Köpfen der Bewohner noch allgegenwärtig sein muss. Viele der Innenstadtstraßen sind noch gesperrt, und das neue Einkaufszentrum befindet sich in bunten Schiffscontainern – „Restart Mall“ (Neustart Einkaufszentrum) hat man den verzweifelten, aber auf seine Art gelungenen Versuch getauft. Bei einem späteren Aufenthalt in Christchurch besuchen wir in dieser Restart Mall auch das Museum Quake City. In den Räumlichkeiten wird alles rund um Neuseelands Erdbebenanfälligkeit und die möglichen Folgen erklärt. Besonders deutlich werden die beiden starken Erschütterungen in Christchurch am 4. September 2010 und am 22. Februar 2011 dargestellt. Ich empfehle jedem den Besuch, der einen Einblick in diesen Einschnitt in der Stadtgeschichte und im Leben vieler Neuseeländer bekommen möchte. Leid vermischt sich im Museum mit Hoffnung, Interessantem und Glücklichem – die Trauer spielt aber eine entscheidende Rolle. Eine kuriose Geschichte in der Cashel Street 99 ist hingegen die des Bieres. Auch in der lokalen Brauerei fiel der Strom aus, als der Boden zitterte. Der Brauvorgang wurde unterbrochen, das Bier dadurch deutlich stärker als üblich. Was also tun mit dem „flüssigen Gold“? Man war erfinderisch und verkaufte die Charge als Erdbebenbier. Der Alkoholanteil stimmte am Ende mit dem Wert auf der Richterskala über ein – 6,3.

      Die schöne Kathedrale: eingestürzt und abgezäunt

      Sonne, Sand, Sumner. Der Stadtteil grenzt an das Meer und die Port Hills.

      Direkt am ersten Tag bringt uns Fiona in die Port Hills. Die kleine Hügellandschaft trennt Christchurch von der Banks Peninsula ab. Einige Tage später fahren wir noch mal mit Paul, dem Gastschüler, in das Luxus-Naherholungsgebiet. Es ist unser erster Gang durch die saftig grünen Wiesen Neuseelands. Der Weg schlängelt sich entlang des Meeres und führt neben zwei ehemaligen Geschützposten des neuseeländischen Militärs an unzähligen Schafen mit ihren Lämmern vorbei. Auch sonst lernen wir Paul zu schätzen – er wird über die zehn Tage, die wir zu Beginn bei den Prests verbringen, zu unserem ersten Freund, den wir hier finden. Paul und ich verbringen viele Abende damit, uns die Bälle auf der Tischtennisplatte in unserem Zimmer gegenseitig zuzuschlagen, oder Maria und ich treffen uns mit ihm in der Stadt.

      Ein Spaß: Tischtennis-Duelle mit Paul

      Als wir unseren Wagen von der Werkstatt wenigstens schon mal über Nacht mitnehmen dürfen, treffen wir uns abends mit Paul am Strand in Sumner und kochen dort auf unserem Campingkocher. In der folgenden Nacht schlafen Maria und ich testweise das erste Mal im Van – zwar nur vor der Haustür unserer Gastgeber, aber man muss ja irgendwo anfangen. Mitten in der Nacht wackelt der Wagen. Ich werde wach und wecke Maria. „Wer rüttelt da am Van?“, frage ich im Halbschlaf. „Hm … Das ist bestimmt ein Erdbeben“, antwortet Maria abgeklärt. Klar, also schlafen wir weiter. Am nächsten Morgen frage ich Fiona und Gary, die aber beide nichts gespürt haben. Sie nennen mir jedoch die Internetseite www.geonet. co.nz, die alle Erdbeben und Vulkanaktivitäten Neuseelands aufzeichnet. Und tatsächlich: In der Nacht hatte in Christchurch der Boden gewackelt. Stärke: 3,2 auf der Richter-Skala. Kein starkes Beben, aber durch die Stoßdämpfer des stehenden Wagens durchaus zu spüren. Danach unterhalten wir uns länger mit Fiona und Gary darüber, wie man im Falle eines starken Erdbebens handeln soll. Es ist sinnvoll zu wissen, dass man sich in einen Türrahmen stellen, die Matratze über den Kopf ziehen oder unter den Küchentisch krabbeln soll. Zum Glück müssen wir das neu gewonnene Wissen nicht anwenden: Wir selbst sollten von diesem Tag an bis zur Abreise kein weiteres Beben mehr spüren.

      Campen auf Asphalt in New Brighton …

      Einen Tag bevor endlich alle Reparaturen abgeschlossen sind und wir Christchurch endlich verlassen können, sagen wir Fiona, Gary und den Jungs „Tschüss“. Zwar hätten wir noch bleiben dürfen, aber wir wollen selbst die größte Gastfreundschaft nicht übermäßig strapazieren, dem sind wir nach zehn Nächten zweifelsohne nahe. Wir bedanken uns mit einem Gutschein über ein Essen für alle in einer netten Pizzeria und fahren los. „Wenn etwas ist oder ihr nochmals in Christchurch sein solltet, meldet euch“, sagen Fiona und Gary noch durchs Autofenster. Mal schauen … Austauschschüler Paul ist jedenfalls traurig und auch mir werden die abendlichen Tischtennisduelle fehlen.

      Weiter geht es mit den Reparaturen unseres Wagens: Mechaniker Gary bringt uns zu seinem Kollegen – dem Rostentferner. Auf dem Rückweg machen wir uns Gedanken über den nächsten Schlafplatz. Die kommerziellen Campingplätze in Christchurch sind uns mit Preisen über 30 Dollar viel zu teuer. Kostenlose oder günstige Campingplätze des Department of Conservation (DOC) gibt es nicht. Diese findet man im ganzen Land an zahlreichen Stellen – der nächste von Christchurch aus ist allerdings knapp 25 Kilometer entfernt. Also was tun? Doch wieder zurück zur Familie in Avonhead? Das können wir ihr eigentlich nicht zumuten. Glücklicherweise gibt uns der Mechaniker einen Tipp: In der Nähe seines Hauses sei ein Parkplatz direkt am Strand. Dort sei es zwar auch verboten zu campen, aber im Sommer stünden da immer die Surfer mit ihren Vans über Nacht. Zwar haben wir momentan höchstens Frühling und wir sind auch ganz bestimmt keine Surfer, aber wir wollen es trotzdem probieren. Um 16 Uhr holen wir den Wagen ab, fertig ist er noch immer nicht, aber wir können ihn über Nacht nutzen. Mit unserem beweglichen Bett machen wir uns auf zum beschriebenen „Parkplatz am Strand“: New Brighton.

      … dafür aber mit direktem Blick auf Meer und Sonnenaufgang

      Die große geteerte Fläche mit Toiletten und kalten Duschen liegt direkt neben dem langen Betonpier New Brightons und der dazugehörigen Bücherei. Als wir ankommen, stehen tatsächlich einige Vans und auch gewöhnliche Pkw auf dem Abstellplatz. So ganz vertraue ich dem Mechaniker nicht, denn bei unseren Reisevorbereitungen hatten wir des Öfteren von verhängten 200-Dollar-Strafen gehört. Sicherheitshalber gehe ich zu einem der Vans und frage nach. „Jaja, das ist kein Problem. Um 22 Uhr wird zwar die Schranke zu gemacht und erst morgens um sieben Uhr wieder geöffnet, aber die sagen nichts“, lautet die Antwort in gebrochenem Englisch – Franzosen. Unsere europäischen Nachbarn können meist nur auf sehr eingeschränkte Englischkenntnisse zurückgreifen, wie sich im Laufe der sechs Monate zweifelsfrei herausstellt, aber trotzdem nett. Mit uns sind auch vier Deutsche gekommen, die wir über die letzten Tage am Car Market kennen gelernt hatten. Jan, Hannah, Jonas und Lennart kommen aus Dülmen und haben sich kurzfristig dazu entschieden, zwei Vans zu kaufen. Erst mal wollen sie daher auch weiter zusammen reisen. Wir werden sie noch deutlich öfter wiedersehen, als wir an diesem Abend denken. Gemeinsam verbarrikadieren wir uns an diesem ersten Abend gegen den Wind, bauen eine Wagenburg, kochen zusammen und genießen am nächsten Morgen einen rot-orangenen Sonnenaufgang.

      Als die Sonne ihr Farbenspiel beendet hat, fahren wir zum letzten Mal zum Car Market – wenigstens vorerst. Während wir wieder auf den Rostentferner warten, gehen Maria und ich in ein nahes Kino. „Blue Jasmin“ – den Film verstehen wir immerhin größtenteils, unser Englisch ist eben auch noch nicht so berauschend. Der Reaktion des ansonsten deutlich älteren Publikums (es war Senioren-Tag

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