Mörderisches Spiel in Leipzig. Uwe Schimunek

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Mörderisches Spiel in Leipzig - Uwe Schimunek

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warst seit dem Halbfinale bei keiner Sonderübung, Willi«, stellte Ludewig fest. Es klang nicht wie eine Anklage, eher wie eine Bitte.

      »Ach, weißt du …« Gelsenrath suchte nach Worten, er wollte den Kameraden nicht verletzen. »Ich habe gerade im Büro viel zu tun. Ich bin kein Student mehr.«

      »Das wissen wir.«

      Sie trotteten schweigend am »Café Français« vorbei in die Grimmaische Straße hinein. Auch hier herrschte Trubel, doch es blieb genug Platz, nebeneinanderher zu spazieren.

      »Es ist auch ein wenig so, dass ich den Eindruck habe, ich werde nicht so recht gebraucht«, fuhr Gelsenrath fort.

      »So ein Unsinn!« Ludewig rief die Worte so laut aus, dass eine Mamsell mit einem riesigen Krug unter dem Arm sich herumdrehte und grimmig guckte. »Wir brauchen jeden Mann. Gerade seitdem unser Spielführer nicht mehr unter uns weilt.«

      »Nun«, antwortete Gelsenrath ruhig, »seien wir ehrlich, Horst, ich werde ganz sicher im Endspiel nicht aufgestellt.«

      »Das mag sein. Ich bestimmt auch nicht. Aber wir sind eine Mannschaft. Wir haben eine gemeinsame Aufgabe, ein gemeinsames Ziel. Wir sind Gentlemen und unterstützen uns gegenseitig, wo wir können.«

      »Ja, ja!«

      »Im Ernst. Wir müssen unsere Besten so gut wie möglich vorbereiten. Wenn wir beim Training abwechselnd gegen Heini, Bert und die anderen spielen, dann werden sie stärker gefordert. Im Endspiel gegen Prag werden sie alle Kraft brauchen.« Ludewig senkte die Stimme. »Wir erkämpfen diesen Titel auch für Thoralf Schöpf. Das sind wir ihm schuldig.«

      Gelsenrath betrachtete den jungen Kameraden. Der schaute ihm in die Augen und schien doch in einer anderen Welt zu weilen.

      »Wir haben alle unsere Kämpfe auszutragen, Willi. Ich bekomme zwar nicht mehr Hiebe, wenn ich über unseren Sport spreche, wie noch in der höheren Bürgerschule. Doch auch an der Uni gibt es Professoren, die mich mit Argusaugen betrachten«, sagte Ludewig nun wieder etwas lauter.

      Mit Möbius hatte Gelsenrath keinerlei Probleme, was den Fußballsport anging. Der Architekt interessierte sich nicht im Geringsten für seine Privatangelegenheiten. Nein, Gelsenrath war die Lust auf das Ballgetrete vielmehr vergangen, seit die anderen in der Mannschaft um die Meisterschaft spielten, als ginge es um ihr Leben.

      »Wir brauchen wirklich jeden Mann«, schloss Ludewig seinen Vortrag. »Wir üben morgen in der kleinen Gruppe im Park und am Sonntag alle zusammen auf dem Sportplatz.«

      Gelsenrath zuckte zusammen. Am Sonntag hatte er anderes vor.

      »Wir beginnen gleich nach dem Renntag im Scheibenholz. Es ist ja schon länger hell.«

      Fast hatte Gelsenrath das Gefühl, die ganze Grimmaische Straße könnte hören, wie ihm ein Stein vom Herzen purzelte. Hastig nickte er. »Ich werde da sein, Sportfreund. Am Sonntag auf jeden Fall. Und ich sehe zu, dass ich es morgen auch einrichten kann.«

      Edgar Wank saß im Café im Oertelschen Haus in der Katharinenstraße und wartete auf Thomas Kutscher. Der weilte bestimmt noch im Alten Theater um die Ecke und versuchte die Dramaturgen von seinem neuen Bühnenstück zu überzeugen, so wie täglich in den letzten Wochen. Das konnte seine Zeit dauern. Auch wenn Wank den Freund in seinen Bemühungen unterstützte, fand er doch, dass Pünktlichkeit einem Theaterdichter gut zu Gesicht stünde.

      Derweil widmete Wank sich der Leipziger Zeitung, das Nachmittagsblatt war gerade frisch aus der Druckerei eingetroffen. Ein Blick auf den Leitartikel erklärte die gute Laune des Direktors. Die Freisinnigen hatten sich im Wahlkampf klar gegen die Sozialdemokratie gestellt. Der Artikel zitierte einen Aufruf der Freisinnigen Zeitung. Demnach müsse der Kampf gegen die SPD mit voller Wucht geführt werden, in erster Reihe für die wirtschaftliche und persönliche Freiheit der Arbeiter selbst, weiterhin auch für die politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften aller Klassen der Bevölkerung.

      Gelsenrath interessierte sich nicht sonderlich für Politik, deswegen überflog er die weiteren Ausführungen über die Stärkung des Staates und die Einordnung in die Entwicklung des Liberalismus in der ganzen Welt nur noch. Seine Stimme würde am 16. Juni an die liberale Deutsche Volkspartei gehen. Nicht, weil er die Ziele und die Führer dieser Partei besonders schätzte, sondern weil unter seinen Freunden eben Dt VP gewählt wurde.

      Er blätterte weiter und studierte die Meldungen aus Sachsen.Vom königlichen Hofe. Dresden, 22. Mai. Se. Majestät der König besuchte am gestrigen Vormittag mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde den Gottesdienst in der Hauskapelle zu Hosterwitz. Hernach, so berichtete die Leipziger Zeitung, hielt der König anlässlich der Eröffnung der Städteausstellung eine Tafel im Residenzschloss ab. Es folgte eine schier endlose Aufzählung der Gäste: der Königliche Preußische Staatsminister, Staatssekretär des Innern Doktor Graf von Posadowsky-Wehner, der Königliche Preußische Staatsminister und Minister des Innern, Freiherr von Hammerstein, der Gesandte Staatsrat und Kämmerer Freiherr von Niethammer …

      Schon beim dritten Namen drohten Wank die Augen zuzuklappen, dabei folgte noch eine halbe Spalte adliger Namen mit vollständigen Titeln. Wer sollte so etwas lesen?

      Auch die anderen Meldungen weckten kaum sein Interesse. Der Bund Deutscher Verkehrsvereine tagte in Leipzig, in der Reichsstraße zeigte die Schmiedeberger Klöppelschule eine Sammlung ihrer wertvollen geklöppelten echten Spitzen. Das sei eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, befanden die Kollegen.

      Wank legte das Blatt auf den Tisch und zog seine Uhr aus der Tasche – gleich halb fünf. Wenn Kutscher nicht bald kam, würde er nach Hause gehen. Als hätte Wank den Auftritt herbeibeschworen, eilte der Freund in diesem Moment durch den Gastraum. Sein offenes Jackett streifte die Stuhllehnen, den Hut trug er in der Hand. Die etwas zu lang geratenen Haare wippten im Gleichtakt mit dem Stoff des Rocks.

      »Guten Tag, Edgar, ich muss dich leider auf heute Abend vertrösten«, sagte Kutscher. Der Freund blieb neben dem Tisch stehen. »Ich bin im Theater aufgehalten worden und habe gleich eine Verabredung, von der ich dir gern beim Bier erzähle.«

      Wank nippte an seinem Kaffee und entgegnete nichts. Er sah seinem Freund vieles nach, doch einen leichten Ärger konnte und wollte er nicht verbergen.

      »Also gut, ganz kurz.« Kutscher setzte sich und bat den Ober per Handzeichen um einen Kaffee. »Ich betreibe einen neuen Sport.«

      »Du und Sport?«

      »Eine englische Sportart. Sie nennt sich Fußball. Dabei wird ein Ball mit dem Fuß getreten, möglichst in ein Tor.« Kutscher bekam seinen Kaffee. »Doch das Beste, mein Freund, kommt noch. Ich habe da eine Geschichte gehört, die wie für dich erdacht erscheint. Der beste Leipziger Fußballsportler ist vor ein paar Wochen unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen.«

      Das ging Wank zu schnell. Er wunderte sich noch über den plötzlichen Ehrgeiz seines Freundes in Sachen Körperertüchtigung und stammelte die Worte: »Ein … Mord?«

      »Das lässt sich noch nicht sagen. Ein seltsamer Schwächeanfall, berichteten die Sportfreunde. Ich höre mich um.« Kutscher trank seinen Kaffee, als handle es sich um Bier. »Ich muss leider gehen. Allerdings nicht ohne eine weitere Neuigkeit.«

      »Hm«, murmelte Wank. In seinem Kopf begann es zu brummen.

      »Du willst es nicht wissen?« Kutscher klang, als habe er einen Orden erhalten.

      »Hm.«

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