Kalte Zukunft. Benjamin Blizz
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Читать онлайн книгу Kalte Zukunft - Benjamin Blizz страница 21
»Keine Angst. Sie werden nicht auffliegen, das verspreche ich Ihnen.« Das Versprechen des Fremden war zu schön, um wahr zu sein – es war eine Lüge.
Shadow nahm all seinen Mut zusammen und stellte die Frage, die ihn am stärksten beschäftigte. »Wer sind Sie und warum sind Sie hier?« In seinen eigenen Ohren klang es so banal und zugleich doch so bedeutend.
»Wer ich bin, ist irrelevant! Warum ich hier bin? Wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, bestehen unsere Auftraggeber auf Diskretion. Äußerste Diskretion. Sie haben stets gute Arbeit geleistet, das wurde nicht vergessen, jedoch mussten meine Vorgesetzten leider eine Diskrepanz in der – sagen wir: Buchführung – feststellen. Das Stehlen beziehungsweise unerlaubte Kopieren vertraulicher Daten werten wir als illoyalen Akt. Es handelt sich hierbei schließlich nicht um ein Kavaliersdelikt. Nein, wirklich nicht.« Der Unbekannte ging leise vor Shadow auf und ab. Seine Stimme hatte nun etwas Süffisantes, Bedrohliches angenommen. »Über einen gestohlenen Keks könnten wir wohl noch hinwegsehen«, fuhr er fort, »doch in Ihrem Fall bedarf es einer entsprechenden Disziplinarmaßnahme. Ich habe entschieden, die Bestrafung hier und jetzt durchführen.«
Shadow wollte den Mund aufreißen, schreien, doch eine ungewöhnlich kräftige Hand schloss sich um seinen Kiefer und drückte so lange zu, bis sein Widerstand erlahmte. Die Hand hinderte ihn nicht nur am Schreien, sondern nahm ihm auch die Luft zum Atmen. Verzweifelt krümmte er sich vor Schmerz zusammen. Was das das Aus?
Eine schallende Ohrfeige befreite ihn aus seinem Krampf. »Nicht einschlafen! Noch nicht!«
Der Fremde verschwand wieder in der Dunkelheit, und Shadow vernahm erneut die Laute, die sich wie ein stürzendes Wandregal anhörten. Doch da war noch ein weiteres Geräusch, ein Knistern, das ihm nur allzu vertraut war. Während seiner Zeit an der Universität hatte er es nur allzu oft während seiner Experimente im Physiklabor vernommen. Dieses Knistern konnte nur durch elektrischen Strom hervorgerufen werden. Eine grauenhafte Vorahnung beschlich ihn. Das Knistern kam unaufhaltbar näher. Mit all seiner Kraft versuchte er, das gebrochene Bein unter dem Serverschrank hervorzuwuchten, doch es war aussichtslos.
Sich in sein Schicksal ergebend, schloss er die Augen und wurde mit einem letzten, wundervollen Bild belohnt, das seinen gesamten Geist auszufüllen schien. Mit der endlosen, unbeschreiblich schönen Wüste und seiner Familie vor Augen empfing er, was am Ende eines jeden Lebens stand: den Tod.
Der Starkstrom fraß sich in Nanosekundenschnelle bis hinauf in sein Gehirn und ließ sämtliche Gedanken explodieren. Seine letzten Sekunden waren erfüllender als alles, was er je zuvor gefühlt hatte.
Kapitel 15
Irrte er sich oder hatte er tatsächlich einen Schrei gehört? Shane atmete die schal schmeckende, aber gefilterte Luft durch das breite Mundstück tief ein und aus, bis sich sein Puls wieder normalisierte.
Zwar hatte er in seinem Leben viel erlebt, doch war er gerade dadurch vorsichtiger, ja sogar ängstlicher geworden. Seine Selbstsicherheit war ungebrochen, doch er ertappte sich des Öfteren dabei, wie er noch einmal alle Schlösser und Fenster vor dem Zubettgehen überprüfte. Kein Kontrollzwang, aber ein Zeichen, dass sich in seinem Leben etwas verändert hatte.
Als Jugendlicher hatte er sich unerlaubt Horror-Filme aus der Videothek ausgeliehen und am Wochenende, wenn die Eltern verreist waren, angeschaut. Mit zunehmendem Alter hatte er sich jedoch von solchen Filmen distanziert. Nicht, weil es ihn nicht weiter gereizt hätte, er liebte den Nervenkitzel, aber Erlebnisse in seinem Leben hatten dazu geführt, dass er die Dunkelheit und alles was damit zusammenhing, fürchtete. Erlebnisse, die tief verborgen in den hintersten Ecken seiner Erinnerung ihr Dasein fristeten, nun jedoch wieder an die Oberfläche zu gelangen drohten. Er begann daran zu zweifeln, ob es eine gute Idee gewesen war, vor Fritzsch den Helden markieren zu müssen.
Soeben ließen sie den langen und mit dichtem Rauch gefüllten Glastunnel hinter sich, stiegen eine Treppe hinab und postierten sich links und rechts der Zugangstür zum Kontrollzentrum. Fritzsch tastete vorsichtig die Oberfläche der Stahltür ab, um herauszufinden, wie heiß es auf der anderen Seite war. Der Rauch kam jedoch nicht aus der Schiebetür; die Quelle lag außerhalb des Gebäudes, von wo aus er durch eine undichte Stelle eindrang. Glücklicherweise sprangen just in diesem Moment die Kühl- und Luftfilteraggregate wieder an und begannen, die dichten Schwaden einzusaugen und abzuleiten.
»Ich denke, wir können es riskieren«, konstatierte Fritzsch. »Keine Hitze.«
Flink setzte er den Rucksack mit den Ausrüstungsgegenständen ab und holte eine kurze Brechstange zum Vorschein, die er gekonnt im Türspalt ansetzte. Gemeinsam wuchteten sie die schweren Stahlplatten auseinander.
Als ob es kein leichteres Material gibt!, dachte Shane säuerlich.
Als der Spalt breit genug war, quetschte sich Fritzsch dazwischen und stemmte die Platten endgültig auseinander. Augenblicklich wurde es wieder still – eine unangenehme, drückende Stille. Im Kontrollzentrum herrschte totale Finsternis. Shane hörte zwar das Knistern Funken schlagender Leitungen, eine Lichtquelle war jedoch nirgends auszumachen.
»Sie sind nicht hier«, flüsterte er, während er Fritzsch durch die Öffnung folgte.
Der Sicherheitschef ließ den Kegel seiner Taschenlampe über die Szenerie huschen. Es sah wüst aus, wie sich die Computer und Schaltpulte übereinander stapelten. Etliche Serverschränke waren, ausschließlich durch die Gewalt der Elektrizität, umgestürzt und blockierten nun den Weg. Ansonsten schien die Situation unter Kontrolle: keine Brände oder Gefahr durch einstürzende Träger. Shane räumte einige Trümmerteile beiseite, um eine Nische freizulegen. Sie mussten nach Überlebenden suchen.
»Oh, mein Gott!« Fritzsch stand einige Meter weit von Shane entfernt und beugte sich über etwas, das am Boden lag.
Shane eilte zu ihm – und stoppte jäh. Vor ihnen lag ein verrenkter, größtenteils verschmorter Leichnam. Fritzschs Taschenlampe tauchte die grausige Szenerie zudem in ein kaltes, unnatürliches Licht. Der bläuliche Schein der LED-Lampe ließ die Person, bei der es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Mann gehandelt hatte, wie einen halbverwesten Zombie aus einem alten Gruselschocker aussehen.
Unwillkürlich stieg Übelkeit in Shane auf. Leichen waren für ihn kein unbekannter Anblick, nicht viele waren jedoch auf diese Weise verunstaltet gewesen. Instinktiv riss er sich die Atemmaske herunter, trat einen Schritt und sog gierig die relativ frische Luft ein, um nicht zu hyperventilieren.
»Ich werde … zusehen, dass ich die Seitentüren geöffnet kriege«, sagte Fritzsch gedrückt, überreichte Shane die Taschenlampe und stolperte davon.
Der Schock saß auch ihm tief in den Gliedern, was seine zitternden Händen nur allzu deutlich verrieten.
Shane blieb alleine mit den verkohlten Überresten zurück. Die Zeit schien stehen zu bleiben, dehnte sich ins Endlose: Alles wirkte so surreal und unheimlich wie auf einem Gemälde Dalis.
Obschon ihn der Ekel würgen ließ und er sich am liebsten übergeben hätte, ging Shane in die Hocke, um die Leiche genauer zu untersuchen. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt, er konnte nur noch nicht genau sagen was. Er versuchte sich alle Details einzuprägen: Die Spuren an der Leiche, die Umgebung … Das Stromkabel, das den Mann getötet haben musste, pendelte noch immer hinter ihm in der Luft. Es schien, als hätte eine gewaltige Macht die Leitung aus der Wand gerissen. Der Techniker – das schloss Shane aus dem Overall – hatte sich nicht in Sicherheit bringen können, da sein Bein unter einem Serverschrank eingeklemmt war. Ein furchtbares