Kalte Zukunft. Benjamin Blizz
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Читать онлайн книгу Kalte Zukunft - Benjamin Blizz страница 24
Shane glaubte, nicht richtig zu hören. Ihn überkam kalte Wut. Langsam hob er seinen dröhnenden Kopf und sah ihr tief in die dunklen Augen.
Sie zuckte erschrocken zusammen und setzte augenblicklich zu einer Entschuldigung an. »Ich, äh …!«
»Ihre Anlage fliegt in die Luft, Ihr Sicherheitschef wurde niedergeschlagen und einer der Sicherheitsmänner ist tot«, resümierte Shane mit kalter Sachlichkeit. Bei der letzten Bemerkung stöhnte der Mann, der Ling herbeigeholt hatte, geschockt auf. »Und Sie wollen mir Vorträge halten? Schieben Sie sich Ihre Belehrungen sonst wohin! Ich wollte Sie warnen, Ihnen berichten, was geschehen ist, Sie vor weiteren Dummheiten bewahren, aber ich sehe, meine Unterstützung ist nicht gewollt. Wenn nur Sie davon betroffen wären, würde ich einfach nur abwarten und Tee trinken und mich dann an Ihrem entsetzten Gesichtsausdruck weiden, wenn Sie herausfinden, was passiert ist. Aber nun stehen Menschenleben auf dem Spiel!«
Er hielt nichts zurück, ließ seinem Ärger freien Lauf. Shane wusste, dass er zu hart mit ihr umsprang, doch es war ihm egal. Sollte sie von ihm doch halten, was sie wollte.
»Williams ist tot, wie konnte das geschehen?« Es war der Sicherheitsmann, der Shane von Anfang an ernst genommen hatte. Er trug einen schwarzen Anzug und ein Headset, mit dem er mit der Zentrale verbunden war. Sein Namensschild wies ihn als Martin van Holder aus: Hotelsicherheit und darüber hinaus Niederländer. Shane mochte die Niederländer, hatte sie schon immer gemocht.
»Ich weiß nicht, warum er sterben musste, aber ich weiß, wer ihn umgebracht hat.«
Shane holte tief Luft. Konnte er die Wahrheit sagen? Würde man ihm glauben? Was, wenn Ling darin verwickelt war? Er erzählte es trotzdem, darauf bedacht, nichts von der Disc oder Yusuf Bagdshira zu erwähnen. Das konnte er später noch nachholen, wenn alles vorüber war.
Mehrere der verbliebenen Sicherheitskräfte stoben auf Anweisung Martin van Holders davon, um die verschiedenen Eingänge des Hotels zu überwachen und Wagner umgehend festzusetzen. Niemand konnte wissen, was er als Nächstes vorhatte. Es war nicht auszuschließen, dass er zurückkehrte, um zu Ende zu bringen, was er begonnen hatte.
»Dann war es wirklich Sabotage, den Brand meine ich«, sinnierte Ling und riss Shane damit aus seinen Gedanken. »Fritzsch hatte die ganze Zeit über recht.«
»Und Sie haben nicht auf ihn gehört«, stellte Shane kühl fest.
»Nein, doch, ja … ich wollte ihm glauben, aber es klang so haltlos. Ich wollte das Zusammentreffen nicht gefährden, weil es doch von so großer Bedeutung ist. Es stimmt, ich hätte mehr darauf eingehen müssen.« Sie ließ resigniert den Kopf hängen.
»Das hätten Sie Miss Ling, das hätten Sie«, brummte Shane.
***
Allmählich erholte sich sein Körper von den Strapazen des Kampfes mit Wagner. Sein Schädel brummte nur noch unterschwellig und das Brennen in seinen Lungen ließ langsam nach. Gemeinsam mit Ling, van Holder und dem Rest des Personals wartete er geduldig auf die Rückkehr der Gruppe um Estella. Es war ihnen gelungen, die Kollektorfläche zu durchqueren und die offene Wüste zu erreichen. Rettungstrupps hatten die völlig verstörten Gäste aufgegriffen und waren nun mit drei Jeeps auf dem Weg zurück zum Hotel.
Das Gesicht der jungen Forschungsleiterin erschien plötzlich vor Shanes innerem Auge. Hoffentlich geht es ihr gut, dachte er. Der Kampf auf Leben und Tod und die Ermordung Williams’ hatten sie vorübergehend aus seinen Gedanken verbannt, doch nun kehrte die Sorge um sie zurück.
Aus der Ferne hörte man Motorengeräusche, die immer näher kamen. Ein bis zwei Minuten noch, dann waren sie da. Sobald Estella versorgt war, wollte er mit ihr sprechen, und dann würde sich hoffentlich alles klären. Wagner würde gefasst und die Sabotage aufgedeckt werden. Um die weiteren Verstrickungen konnten sich die lokalen Behörden kümmern – sofern sich in einem Staat wie der Arabischen Republik Sahara jemand um die Belange eines multinationalen Energiekonzerns scherte.
Von der rätselhaften Disc hatte Shane noch niemandem erzählt. Ihr Inhalt würde hoffentlich Aufschluss über Wagners Ziele geben. Die Daten mussten höchst brisant sein, so brisant, dass Menschen bereit waren, dafür zu morden. Shane verschob alle weiteren Überlegungen, er würde sich später damit befassen, sobald die Verletzten in Sicherheit waren.
Das unverkennbare Rattern von Dieselmotoren drang zu ihnen herüber. Wäre die Situation nicht todernst gewesen, hätte Shanes Zeitungsartikel an dieser Stelle einen ironischen Unterton angenommen. Umweltverpestende Motoren machten sich nicht so gut für ein Unternehmen, dessen vorrangige Ziele dem Umweltschutz verschrieben waren. Indes bezweifelte Shane ernsthaft, dass er überhaupt noch einen Artikel schreiben würde, zumindest solange nicht, bis er alle Einzelheiten kannte.
Schlagartig wurde ihm etwas bewusst, an das er bisher nicht gedacht hatte. Seine Hand fuhr zu van Holders Schulter und rüttelte ihn durch. »Kontaktieren Sie die Männer in den Jeeps, schnell!«
»Was? Wieso?« Van Holder wirkte irritiert und seine Stimme wurde von dem einsetzenden Freudengeschrei der Hotelangestellten übertönt.
»Wagner könnte in einem der Jeeps sein!«, schrie Shane direkt in van Holders Ohr, um sich über das Geschrei hinweg verständlich zu machen. »Niemand von den Gästen weiß, was in der Zwischenzeit passiert ist«
Ling hatte ihren kurzen Wortwechsel belauscht und redete nun ebenfalls auf van Holder ein. »Tun Sie doch etwas! Wenn auch nur einem der Gäste etwas zustößt, werde ich Sie persönlich für …«
Gerade als der Sicherheitsmann sein Funkgerät zücken wollte, kamen die Jeeps um die Ecke geschossen und hielten mit quietschenden Reifen vor dem Hoteleingang. Den erschöpften Gästen wurde umgehend aus dem engen Innenraum geholfen. Allen stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Keiner lächelte, ja nicht einmal Erleichterung über die Rettung war aus ihren Augen zu lesen.
Während die wenigen Sanitäter und die beiden Hotelärzte sich unter die Leute mischten, versuchte Shane fieberhaft, Wagner in der Menge auszumachen.
Gemeinsam mit van Holder drängte er sich zwischen den anderen Gästen hindurch. Es herrschte das reinste Chaos. Shane blickte in verstörte, sonnenverbrannte Gesichter. Von überall her waren klagende Laute und empörte Äußerungen zu hören; jeder redete wild durcheinander. Unsanft stieß Shane Thalia Morgan beiseite, die sich nicht von dem bemühten Hotelpersonal beruhigen lassen wollte. Es wurde mit Schadensersatzklagen und geplatzten Investitionen gedroht. Inmitten des Getümmels erblickte Shane Estella. Sie stand ein wenig abseits von den anderen und starrte apathisch in die Wüste. Direkt hinter ihr befand sich David Meier, der verzweifelt versuchte, seine schweißnassen, zusammengeklebten Haare wieder in Form zu bringen.
Wo zum Teufel steckte Wagner? Shane wusste, dass er hier war; er konnte es spüren. Jeden Moment könnte er … da tauchte er wie aus dem Nichts auf, keine drei Meter von Meier entfernt, die provisorische Pistole erhoben. Er musste sich hinter dem letzten Jeep versteckt und auf den richtigen Moment zum Zuschlagen gewartet haben. Blitzschnell war er hinter Meier. Seine linke Hand schnellte vor und krallte sich um Meiers Kehlkopf, während er mit der rechten die Waffe an dessen Schläfe presste. Lennard Franks Ehefrau kreischte hysterisch auf.
Innerhalb weniger Sekunden stob die Menge auseinander: Gäste und Personal rannten kreischend durcheinander, stießen sich gegenseitig zu Boden und suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg.
Ein Schuss fuhr in den Himmel.
»Ruhe!«, schrie Wagner, die