Kalte Zukunft. Benjamin Blizz
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Wo zum Teufel blieb Fritzsch? Die Türen müssten längst geöffnet sein!
Shane wollte einfach nicht verstehen, weshalb das Unternehmen nicht auf eine derartige Situation besser vorbereitet war. Vermutlich gab es nicht einmal ausgebildetes Lösch- und Rettungspersonal. Bei der Planung war ein Unfallszenario dieser Größenordnung anscheinend gar nicht berücksichtigt worden. Mindestens eine Person war jedoch bereits an den Folgen dieses Fehlers gestorben. Eine zu viel!
Shane blieb keine Zeit, seine in Gedanken formulierte Kritik zu Ende zu bringen. Vor ihm tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein Schemen auf. Für einen kurzen Moment glaubte er, Fritzsch sei zurückgekehrt, doch die Person, die sich ihm unauffällig von der Seite genähert hatte, war klein und gedrungen. Ein warmer Luftzug eilte ihr voraus, und in letzter Sekunde duckte sich Shane unter dem heranrasenden Schlag hinweg
Seine Instinkte und die automatisierten Formen jahrelangen Kampfsporttrainings hatten ihn vor einem K.O.-Schlag bewahrt. Der Angreifer, durch die Schwungkraft des eigenen, trefferlosen Schlags ins Wanken geraten, taumelte auf Shane zu, der augenblicklich reagierte und ihn mit aller Kraft von sich stieß. Vor Wut brüllend schlug der Unbekannte auf dem harten Betonboden auf, rappelte sich jedoch mindestens genauso schnell wieder auf und stürzte sich erneut auf Shane. Nur diesmal war er vorbereitet, seine Attacken kamen jetzt schnell und gezielt.
Shane glitt die Taschenlampe aus den schweißnassen Händen. Sie zerschellte am Boden, und augenblicklich wurde das Kontrollzentrum in fast undurchdringliche Schwärze getaucht. Zwar konnte man noch Umrisse erkennen, doch viel mehr auch nicht. Der Angreifer umkreiste Shane in weiten Bahnen, versuchte sich an die Dunkelheit anzupassen, indem er absichtlich Gegenstände in eine andere Richtung warf und dann vorpreschte. Doch jedes einzelne Mal gelang es Shane, die Angriffe abzuwehren, die zusehends verzweifelter wurden. Er wartete, bis die Faust des Unbekannten ein weiteres Mal vorschnellte, packte ihn geschickt am Unterarm und rammte ihm sein Knie in die gefühlte Magengegend. Stöhnend krümmte sich der Angreifer zusammen. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Doch anstatt mit einem Tritt nachzusetzen, ließ Shane von ihm ab.
Was, wenn das Ganze nur ein Missverständnis war? So dunkel, wie es war, konnte er nicht einmal erkennen, auf wen er da einschlug. Dieser Augenblick der Unachtsamkeit wurde Shane jedoch zum Verhängnis. Blitzschnell richtete sich der Unbekannte auf, holte aus und versetzte ihm einen Schlag gegen die rechte Schläfe.
Es war wohl kein Missverständnis, brachte Shanes Verstand gerade noch hervor, bevor er zusammensackte und in ein Bad aus Schwindel und Desorientierung abtauchte.
Kapitel 16
Die Welt verschwamm vor Shanes Augen. Wie ein großer, milchiger Haufen lag sie vor ihm – besser gesagt: über ihm. Er nahm undeutlich wahr, wie sich der Fremde zu ihm herabbeugte; zwischen der trüben Masse, die sein Körper sein musste, blitzte etwas auf. Etwas Goldenes, klein, aber doch von Bedeutung. Ja, es war eine Goldkrone, da war sich Shane sicher.
Wie in einem Déjà-vu zog ein bereits durchlebtes Ereignis an ihm vorbei. Es war noch gar nicht so lange her …
Die Goldkrone in seiner verwaschenen Erinnerung gehörte dem jungen arroganten Assistenten von David Meier. Viele Menschen trugen solche Goldkronen, doch sein sechster Sinn beharrte auf dem jungen Mann. Wie war doch gleich sein Name? Dirk Wagner? Jedenfalls beugte sich Wagner, so er es denn war, in diesem Augenblick über ihn und streckte die Hand nach ihm aus, und das ganz bestimmt nicht, um ihm aufzuhelfen.
Shane mobilisierte noch einmal all seine Kräfte und rollte sich schwungvoll zur Seite, wobei er aus Versehen, aber doch wirkungsvoll Wagners Knie erwischte. Allmählich ließ auch der Schwindel nach; der Schlag hatte nicht ausgereicht, um ihn für längere Zeit bewusstlos zu halten. Zu seiner Überraschung ergriff Wagner die Flucht – völlig unerwartet, denn Shane kannte ja nun die Identität seines Angreifers. Der Mann war entlarvt und konnte nirgendwo hin.
Shanes Gehirnzellen begannen zu arbeiten. Hinter dem Ganzen steckte mehr als nur ein einfacher Brand, mehr noch als ein Sabotageakt. Was war Wagners Rolle in diesem abgekarteten Spiel?
Fritzsch zufolge hatte es bereits lange Zeit vor der Ankunft des Assistenten Probleme in der Anlage gegeben. Wagner schied für die Sabotage also aus. Doch aus welchem Grund war er sonst hier? War Meier ebenfalls involviert oder handelte Wagner auf eigene Faust? Shane würde es herausfinden, koste es, was es wolle!
Er kam sich vor wie in einem Spionageroman, nur dass er mittendrin war, statt gut behütet hinter den Seiten. Trotz des überwältigenden Schwindelgefühls und des Pochens hinter seiner Schläfe rappelte er sich auf. Er steckte zu tief in dem Ganzen mit drin, als dass er es sich jetzt noch hätte erlauben können, aufzugeben. Nicht nachdem ihm dieses Arschloch von Wagner fast das Licht ausgeknipst hätte. Die Situation hatte jetzt etwas Persönliches, und Shane lachte grimmig, als er auf den Ausgang des Kontrollzentrums zu stolperte. Meier hatte seine Drohung von gestern wahrgemacht und ihm seinen Assistenten auf den Hals gehetzt. Zu Schade, dass er nicht hatte zu Ende bringen können, womit er begonnen hatte. Schade für Meier! Shane schwor sich, ihm die Eingeweide rauszureißen, wenn er die nächsten Minuten überlebte. Hustend trat er auf den Gang vor dem Kontrollzentrum hinaus.
In welche Richtung war Wagner gelaufen? Den Glastunnel zurück zum Hotel konnte er schwerlich genommen haben. Welche Möglichkeiten gab es noch? Nur die Büroräume! Alle anderen Wege führten unweigerlich nach draußen, wo noch immer Brände wüteten.
Wagner hatte etwas gesucht – oder jemanden? Shane blickte flüchtig zu dem verkohlten Leichnam. War Wagner für den Tod des Technikers verantwortlich? Die Stelle, an der das Starkstromkabel beim Opfer angesetzt worden war, wirkte sehr punktuell, was darauf hindeutete, dass es absichtlich am Nacken, dort wo der Hirnstamm saß, angesetzt worden war. Indes nur eine Vermutung, die womöglich niemals bewiesen werden würde.
Mit noch immer pochenden Schläfen nahm Shane die Verfolgung auf: raus aus dem Kontrollzentrum, die Treppe hoch und nach rechts. In der Eile und durch den unerwarteten Zweikampf hatte er Fritzsch völlig vergessen, jetzt kam ihm der Sicherheitschef wieder in den Sinn. Ob Fritzsch etwas zugestoßen war? Wagner war schließlich alles zuzutrauen.
Shane fand sich in einem steril anmutenden und verlassenen Flur wieder, der durch einfallendes Sonnenlicht erhellt wurde. Mehrere eingefärbte Dachfenster befanden sich direkt über ihm. Die neue Umgebung bot einen starken Kontrast zum undurchdringlichen Halbdunkel des Kontrollzentrums.
Augenblicklich fühlte sich Shane wohler, selbstsicherer.
Alle Türen waren verschlossen, bis auf eine. Shane hatte das dumpfe Gefühl, dass das, wonach Wagner so dringend zu suchen schien, dahinter verborgen lag.
Der Rauch war weitestgehend durch die Filteraggregate entfernt worden, doch die Luft roch noch immer bitter und brannte in der Nase. Allzu lange durfte man sich auch dieser geringen Schadstoffkonzentration nicht aussetzen.
An jeder der Türen war ein kleines in Plastikschild mit dem Namen und der Position des Mitarbeiters, der den jeweiligen Raum bewohnte, angebracht. Auf der rechten Seite lagen ausnahmslos Wohnquartiere, bestimmt auch das des toten Technikers. Shane verlangsamte seinen Schritt, um den Rest der Strecke lautlos zurückzulegen. An die Wand gepresst tastete er sich langsam vor.
Auf einem der Schilder stand: Yusuf Bagdshira, Techniker. Die Tür war nur angelehnt.