Kalte Zukunft. Benjamin Blizz

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Kalte Zukunft - Benjamin Blizz

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werde ihn erschießen!« Meier begann unkontrolliert zu zittern, und Wagner hatte Schwierigkeiten, ihn auf den Beinen zu halten. Die kalte, berechnende Fassade des jungen Mannes bekam allmählich Risse. Schweiß lief ihm über die Stirn und die Handflächen. Shane hatte seinen Plan durchkreuzt, sodass ihm nur noch eine Geiselnahme als letzter Ausweg geblieben war. Jetzt hielt er seinem Vorgesetzten eine Waffe an den Kopf – sofern er überhaupt jemals für Meier gearbeitet hatte.

      Van Holder reagierte blitzschnell, zog seine eigene Waffe aus dem Holster und richtete sie auf den Geiselnehmer. Wäre nicht schon ein heilloses Durcheinander ausgebrochen gewesen, wären die Dinge in diesem Moment endgültig außer Kontrolle geraten. Van Holder und Wagner starrten sich finster und kalkulierend an. Wagner benutzte Meier nun als menschliches Schutzschild, sodass ein Schuss auf ihn auch unweigerlich seinen Vorgesetzten getötet hätte.

      »Dirk, bitte«, flüsterte Meier gerade so laut, dass es nur die Nahestehenden verstehen konnten.

      Zum ersten Mal hatte Shane Mitleid mit dem dicklichen Atom-Lobbyisten. Niemand verdiente ein solches Schicksal, nicht einmal eine so niederträchtige und manipulative Person wie Meier.

      Es entbehrte jeglicher Logik und jeglichen Verstands, aber wenn Shane gekonnt hätte, er hätte mit Meier getauscht. Ihm müsste Wagner eine Pistole an den Kopf halten. Das war etwas Persönliches, spätestens seit ihrem Zusammentreffen im Kontrollzentrum. Er hatte Wagners Pläne vereitelt und ihm die gestohlene Disc wieder abgenommen. Meier war, so ungern sich Shane das auch eingestand, ausnahmsweise unschuldig. Über van Holders Schulter hinweg starrte er den jungen Mann an.

      Täuschte er sich oder flüsterte Wagner Meier etwas ins Ohr? Shane versuchte, genauer hinzusehen, doch da schwenkte auf einmal Wagners Waffe herum. Sie zielte nun nicht mehr auf Meiers Schläfe, sondern direkt auf ihn. Jetzt befand er sich in genau der Situation, die er eben noch in Gedanken heraufbeschworen hatte. In solchen Momenten bewies die Welt, welch makaberen Sinn für Ironie sie doch hatte. Shane kam nicht mehr dazu, den Gedanken zu Ende zu bringen. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, stillzustehen.

      Es krachten zwei Schüsse: Einer aus der Waffe des Sicherheitsmannes, donnernd und laut, der andere aus Wagners modifizierter Pistole – surrend wie ein Pfeil. Shane konnte nicht fassen, was geschehen war; Wagner hatte ihn verfehlt. Er wollte auf ihn zustürzen, ihm die Waffe entreißen …

      Doch plötzlich gaben seine Beine nach. Weshalb nur sahen ihn alle anderen so bestürzt an?

      Shane sackte langsam zusammen und blieb auf dem Rücken liegen. Seine Brust wurde eigenartig warm, dann begann das Herz übernatürlich laut zu pochen. Eine heiße Flüssigkeit breitete sich auf ihm aus. Die Zeit hörte auf, wie eine Schnecke dahinzukriechen und wurde immer schneller und schneller. Shane begriff allmählich: Das Projektil hatte ihn nicht verfehlt, es steckte zwischen seinen Rippen.

      Verschwommene Gesichter füllten sein Blickfeld aus, doch eines stach besonders daraus hervor. Es gehörte einer jungen Frau; er war froh, dass sie da war. Ihre klaren, indigoblauen Augen zogen ihn auf den Grund des Meeres seiner Existenz hinab.

      Das war es also, das größte Mysterium der Menschheit. Shane hatte sich Sterben viel spektakulärer vorgestellt, erfüllender – doch der Blick in Estellas Augen blieb das einzig Erfüllende in diesem Moment der Agonie, bevor er für immer in der Schwärze versank.

Teil 2: Vorbereitungen

       Kapitel 18

      10. Mai 2023

      Sizilien

      Palermo

      Giacomo starrte mit abwesendem Blick hinaus auf das unruhige ›Tyrrhenische Meer‹. Dunkle Wellen mit weißen Schaumkronen rauschten heran und brachen sich am hellen Thassos-Marmor, der die Hafenmole befestigte. Im Laufe der letzten Jahre waren immer mehr Steinblöcke aufgeschichtet worden, um die gewaltigen Wassermassen daran zu hindern, noch weiter ins Land vorzudringen. Das Meer versuchte zurückzuerobern, was ihm genommen worden war.

      Die Luft schmeckte salzig und erfrischte seine Sinne, so wie das Rauschen des Wassers sämtlichen seelischen Ballast davonspülte. Mit jedem Atemzug, den er tat, wurde er ruhiger. Verworrene Gedankengänge begannen sich zu ordnen und sein Kopf wurde wieder klar.

      Es war erst früher Nachmittag, weshalb sich die meisten Touristen noch in den zahlreichen Restaurants entlang der Strandpromenade aufhielten. Giacomo hasste die Hektik und Rastlosigkeit der Menschen, vielmehr liebte er die Einsamkeit und die Ruhe. Obwohl oder gerade weil er einen Großteil seines Lebens in riesigen Metropolen verbracht hatte, fühlte er sich in ländlichen Umgebungen wohl. Er blendete all die Häuser, Menschen und Fahrzeuge hinter sich aus und konzentrierte sich voll und ganz auf das gewaltige Naturschauspiel.

      Aus der ausgebeulten Tasche seines ockerfarbenen Leinenhemds brachte er eine Schachtel Zigaretten zum Vorschein und betrachtete sie nachdenklich. Der Geschmack echten Tabaks blieb unantastbar. Zwar gab es elektronische Nachbauprodukte, die mit Hilfe aromatisierten Wasserdampfs den Eindruck von Rauch erweckten, doch war das Erlebnis nicht mit dem echten, lungenverpestenden Qualm zu vergleichen.

      Der tosende Wind machte es ihm nicht leicht, den Stängel zum Glimmen zu bringen, als wolle die Natur verhindern, dass er sich selbst vergiftete. Wütend schleuderte er die Packung von sich.

      Als ob er das Meer strafen wollte, wandte er sich ab und betrachtete stattdessen die ›Ingresso di Villa Guilia al Foro Italico‹, eine winzige Parkanlage direkt an der Hauptstraße, die über die Jahre an Attraktivität gewonnen hatte. Dicht gedrängt stehende, schattenspendende Palmen und exotische Sträucher erweckten den Eindruck, als hätte man ein Stück Urwald an einem anderen Teil der Erde herausgeschnitten und hier wieder eingesetzt.

      Ein Blick auf seine goldene Armbanduhr verriet ihm, dass es an der Zeit war … Eilig durchquerte Giacomo den Park, schob das kleine Gatter beiseite und hielt auf seinen Mietwagen zu, den er am Straßenrand geparkt hatte.

      Der Alfa Romeo hatte sich im Zuge des Wasserstoff- und Elektro-Booms durchgesetzt. Von den Straßen Italiens war er nicht mehr wegzudenken. Nur die türkisfarbene Lackierung war Giacomo ein Dorn im Auge, auch wenn er sich beim Händler genügsam gegeben hatte. Er wollte, durfte nicht auffallen. Giacomos Vergangenheit und seine jetzige Profession verboten es ihm, in irgendeiner Weise auf sich aufmerksam zu machen. Manchmal wünschte er sich, wie ein normaler Mensch leben zu können, ohne die ständige Angst, erwischt zu werden. Er war einer der Besten auf seinem Gebiet, aber was hieß das schon?

      Per Knopfdruck ließ er den Wagen an, der lautlos Bereitschaft meldete. Ein weiterer Vorteil der neuen Wasserstoffmodelle: Sie produzierten weder giftige Abgase noch Lärm, wodurch es in den meisten Städten erheblich ruhiger geworden war.

      Er beschleunigte auf etwa vierzig Stundenkilometer und fädelte sich in den Verkehr ein. Bald darf man die Straßen nur noch mit Schrittgeschwindigkeit befahren, dachte er verächtlich. Er hatte schon die ursprünglichen fünfzig Stundenkilometer lächerlich gefunden, vierzig aber waren eine Beleidigung für jeden versierten Autofahrer.

      Allerdings galt auch an dieser Stelle das Gebot der Vorsicht: Fuhr er zu schnell, riskierte er, von der Polizei angehalten zu werden, was wiederum bedeutete, dass er seine falsche Identität gefährdete. Man wusste nie, wem man begegnete. Im Normalfall war der falsche Pass, selbst der eingebaute Mikrochip, nicht vom Original zu unterscheiden, doch hatte es in der Weltgeschichte schon die unangenehmsten Zufälle gegeben. Giacomo glaubte, dass vor allem die naive Sorglosigkeit den meisten Verbrechern, ob nun Schmuggler, Bankräuber oder Auftragsmörder, zum Verhängnis wurde.

      Kurz darauf verließ er die Hauptstraße und bog rechts ab. Auf dem ›Piazza Capitaneria del Porto‹ entdeckte

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