Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich

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Bemerkung ging glücklicherweise in der allgemeinen Zustimmung unter.

      Eugen Casparius klopfte ans Glas.

      »Sehr verehrter Herr Ministerialdirigent! Herr Ministerialrat! Meine verehrte Kollegin, liebe Kollegen! Eine Konstellation, die sich seit vierhundert Jahren nicht mehr gezeigt hat, ischt endlich wieder Ereignis geworden: Orient und Okzident haben sich vereinigt, und es ischt ein Reich geschaffe, in dem die Sonne der Arbeit und der von ihrem Licht zum Leuchten gebrachte Mond, nämlich die Kollegialität, nicht untergehen wird. Wir sind alle reichlich verschieden, unser stolzer Loeb läuft auf den Zehen über 3 000 Meter, der Herr Nathan aber läuft mehr mit dem Intellekt und auf den Versen, Fräulein Hüsch ist fürs Wochenend und den Badeanzug, wogegen Kollege Wichmann eine heimliche Mönchskutte trägt; Robert Korts ist schneidig wie sein Name und stürmt uns voran, ich aber mit meinem gute Schwäbisch mach ein bißle langsamer, und nur hin und wieder überrasch’ ich die Welt mit einem Schlag, teils indem ich Drillinge krieg’, teils indem ich erstaunlicherweise auf einmal Regierungsrat bin. Ich will mir ehrliche Mühe geben, die in mich gesetzten Erwartungen nicht zu enttäuschen. Wenn auch mein eignes Geischtl da hob’ in mein Kopf nicht immer für alle Ansprüche ausreicht, so weiß ich mich doch jetzt und künftig geborgen und geleitet zum Wohl des Vaterlandes von dem Herrn Ministerialrat Nischan, der mich väterlich herangezogen hat, und der das Orchester mit den diversen Geigen, Bässen und Harfen zum Vollklang bringen wird, indem ein jedes Instrument zur Geltung kommt und die Harmonie dem Werke dient. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, mit mir auf Herrn Ministerialdirigenten Grevenhagen anzustoßen, dessen Wein wir soeben trinken und dessen Zigarren uns schon aus jenen Kischten verführerisch in die Nase duften.«

      Die Herren standen auf, um bei ihrem Chef zu defilieren. Als erster ließ Nischan das Glas mit Grevenhagen anklingen, er tat es ein klein wenig unsicher, und Grevenhagen, der Erfahrung im Beobachten von Alkoholwirkungen verschiedenen Grades besitzen mochte, lächelte – nicht nur konventionell, er lächelte mit einem kleinen Amüsement, das vielleicht nur Wichmann bemerkte. Nach dem Ministerialrat Nischan und dem Oberregierungsrat Meier-Schulze mußte der Assessor mit seinem Glas zu Grevenhagen herantreten. Der Ministerialdirigent hatte sich ihm zugewandt. Wichmann war sehr ernst. Für ihn bedeutete die Sitte des Grußes mit dem Glas heute mehr als für die anderen. Er fühlte sich wieder gefangen in den Banden einer Anerkennung, die er innerlich nicht mehr hatte leisten wollen. Wenn er Grevenhagen neben den anderen sah, überlegen und stolz, kam er nicht los von dem bewundernden Gefühl, das ihn bei dem ersten Zusammentreffen mit diesem Mann beseelt hatte. Er dachte heute auf eine sehr gegenständliche Art daran, daß Justus Grevenhagen im Krieg, daß er verschüttet, verwundet und gefangen gewesen war. Grevenhagen hatte in seinem Leben schon etwas mehr riskiert als zwanzigtausend Mark und eine Beförderung.

      Wichmann wollte die Ehre des anderen nicht antasten. Es wäre bübisch gewesen. Marion – du liebst ihn doch auch – trotz allem, trotz allem.

      Wichmanns und Grevenhagens Glas sangen in einem lang schwingenden, dunklen Ton zusammen. Den Jüngeren überkam dabei die Ahnung, daß eine wortlose Frage mitgeklungen habe.

      Der Ministerialdirigent rauchte noch eine Zigarre im Kreise seiner Mitarbeiter, dann entschuldigte er sich. Er war zu einem Regimentsabend verabredet.

      Als er gegangen war, verlor der Abend an Spannung und damit an Stimmung. Ein Höhepunkt war überschritten.

      Man lobte noch des Casparius Rede und Grevenhagens Wein, man lachte und schwatzte ohne viel Zusammenhang. Nathan suchte Versöhnung mit Wichmann, ohne zurückgestoßen zu werden, und Nischan wurde immer gesprächiger und hielt sich an den Assessor, der als einziger seine Ausführungen mit aufmerksamer Geduld anhörte.

      »Wichmann – was sagen Sie denn jetzt?«

      »Sehr gut, Herr Ministerialrat, sehr gut.«

      »Ich hab’s immer gesagt. Was sagen Sie denn jetzt? Was braucht er das Ding da anzuziehen?« Nischan legte die Hand auf die linke Brustseite. »Ich häng’ mir nächstens auch ’ne Brosche um den Hals.«

      »Tun Sie das, Herr Ministerialrat.«

      »Ich sag’ Ihnen, Herr Wichmann, was braucht einer zu protzen? Er kann ja nicht dafür, wenn ihm der Poilu und der Tommy einmal nahe auf den Pelz gerückt sind – sich dafür dekorieren lassen wie ’n Preisochse, ist das ein Zeichen für Intelligenz?«

      »Sprechen Sie nur weiter, Herr Ministerialrat.«

      »Was sagen Sie denn dazu? Wer intelligent gewesen ist, war ganz woanders. Läßt man sich abschießen in einem Krieg, wo doch nur die Besten totgehen, und die anderen sitzen hinten?«

      »Ja, die anderen haben hinten gesessen, ›den Eindruck hab’ ich also auch‹, um mit meinem Freund Casparius zu reden.«

      »Ich weiß nicht, Wichmann, ich glaub’, ich bin tatsächlich besoffen … das kommt mir sonst nie vor … was ist denn das für ein Wein gewesen?«

      »Kommen Sie, Herr Nischan, wir gehen ein bißchen nebenan … Da ist die Luft frischer.«

      »Recht ham Sie. Sie sind patent, Wichmann! Boschhofer hat es Ihnen gleich angesehen.«

      »Kommen Sie nur mit mir …«

      Wichmann ließ bedeutungsvolle Blicke in der Runde spielen und bat die Kollegen auf diese Weise, ihn nicht zu stören. Die Herren freuten sich still und respektlos darüber, daß der Herr Ministerialrat so unerwartet schnell benebelt war, und ließen den Assessor gewähren.

      Das Gastzimmer nebenan war fast leer. Wichmann brachte sein Opfer in eine Ecke, in der sein Gespräch von den beiden noch besetzten Tischen aus kaum mitgehört werden konnte.

      »Der Nathan hat ja geschwindelt, Herr Nischan. Es ist keine Palme gewesen, sondern ein Zweig.«

      »Ich hab’s doch gewußt. Ein Zweig … Zweig … Sau … sau …«

      »Sau … sau … sauberes Mägdlein du. Fängt ein Lied an, Herr Nischan. Beim Nathan hat’s Sauberzweig geheißen. Das müssen wir wieder zusammenkriegen.«

      »Müssen wir, Wichmann. Der Nathan … der Nathan … der will’s uns nicht mehr sagen. Hände zum Stein – zum Stein …«

      »Ein Sauberzweiglein …«

      »Sauber … Wichmann, du hast es – Phantastisch! Du hast es! Zum Schein … Sauberzweiglein! Was heißt denn das?«

      »Es ist ein Rätsel, ein Preisrätsel, Herr Nischan, wie der Zettel, den Sie mir geschrieben haben: ›Boston nach der Pause.‹«

      »Hehehe … hehehe … ich Ihnen? Großartig. Ich Ihnen?«

      »Ja. Ich hätte Sie bald zum Tanz geholt. Können Sie gut tanzen?«

      »Ich? Hehehe … wie’n Pudel. Sie wollten mit mir tanzen?«

      »Bewahre. Sie haben mir doch den Zettel geschrieben. Frau Grevenhagen hat Ihnen das Papier gegeben.«

      »Hat … hat sie … Woher wissen Sie denn das? Hat Sie’s Ihnen gesagt?«

      »Ich weiß alles. Kommen Sie, ich habe Ihr Weinglas mitgebracht. Trinken Sie.«

      »Nein, nein, ich bin schon besoffen. Lassen Sie mich.« Der überredete trank doch noch einen Schluck und leckte sich die Lippen. »Gutes Weinchen. Wichmann – Sie haben mit mir tanzen wollen?«

      »Beinahe.

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