Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag. Manfred Eisner
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Читать онлайн книгу Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag - Manfred Eisner страница 11
»Steht doch bei Matheus 7, Vers 8 in der Bibel, Chefin: ›Wer suchet …‹ Hams doch sicher scho mal g’hört, oder?«
»Stimmt, Ferdl, aber was leider nicht dahinter steht, ist ›Gewusst wo!‹.« Grienend greift sie zum Telefonhörer und wählt.
»Was sollen wir als Nächstes angehen, Nili?«, fragt Robert, nachdem sie den Hörer wieder aufgelegt hat und nach ihrem Kaffeekrug mit der Aufschrift ›Mi querido tinto‹ greift. Während sie einige Schlucke ihres ›geliebten Schwarzen‹ zu sich nimmt, sinniert sie einen Augenblick lang, wie es wohl ihrer Freundin Sandra und ihren kolumbianischen Kollegen gehen mag, mit denen die junge Kitt Harmsen und sie damals den Dschungel auf der lebensgefährlichen Suche nach Coca-Plantagen und Kokainbrauern durchkämmt haben. Auch sie war sehr berührt, als sie am Freitagabend die bekannten Gesichter auf dem Videofilm wiedergesehen und ihre Stimmen gehört hat.
Nili blickt auf und der fragende Blick des Kollegen bringt sie in die Gegenwart zurück. Sie berichtet kurz über die furchtbar verunstaltete Frauenleiche, die man im Forst in der Nähe Kiels aufgefunden hat. Das bringt sie auf einen Gedanken: »Ich denke, wir sollten mal unseren Aktenstoß nach ungelösten Fällen von derart verwerflichen Gewaltakten gegen Frauen durchforsten. Es ist wirklich krank, was sich da so mancher Ehemann oder Lebenspartner gegenüber seiner Frau oder Freundin an Gewalttätigkeiten und Misshandlungen herausnimmt, ohne dass die Missetäter dafür zur Verantwortung gezogen werden!«
»Das Ganze hapert doch meistens an der Scheu oder auch Scham der Geschädigten, ihren Peiniger anzuzeigen«, relativiert Robert, während er sich seine Akten vornimmt, um dem Vorschlag Folge zu leisten. »Und wenn sie es doch mal wagen, dann ziehen sie kurz darauf reumütig die Anzeige wieder zurück, weil …« Er stocTitlekt, weiß er doch gerade nicht, wie er es richtig formulieren soll.
Margrit kommt ihm zu Hilfe. »Weil sich solche Frauen in ihrem Innern immer noch dem Mann untertänig fühlen oder ihm blauäugig vertrauen. Sie verzeihen ihm sogar, wenn er ihnen heilig verspricht, sie nie wieder zu verprügeln.« Während auch sie ihren Aktenstapel durchforstet, setzt sie hinzu: »Was meinen Sie, Ferdl?«
Der Fachinspektor liest gerade in der offenen Akte und schüttelt ungläubig den Kopf: »Das müsst ihr euch mal anhören, Kollegen: Da hab i an Fall derwischt, der vor sechzehn Monate hier in Kiel passiert is. Wann’s das so hörst, wirst ganz schö krawutisch! Gehns, seins so guat, Robert, lesen’s vor, Ihr Hochdaitsch is besser als meins!« Er reicht dem Kollegen den Ordner hinüber.
Robert überfliegt das Geschriebene. Offensichtlich betroffen, räuspert er sich und berichtet: »Ich fasse mal zusammen, was hier drinsteht: Eine gewisse Cindy Frohm, siebenundzwanzig Jahre alt, und ihr Bekannter Rafael Kohlmann, achtunddreißig, waren bei Freunden auf einer Party, bei der ziemlich heftig gebechert wurde. Beide waren mittel bis stark alkoholisiert. Besagter Rafael hatte vergeblich versucht, eine andere Frau anzumachen, die ihn aber abblitzen ließ. Entsprechend wütend bemerkte er plötzlich, dass seine Cindy inzwischen sehr intim mit einem anderen Mann tanzte und es anscheinend willig geschehen ließ, dass dieser – entschuldigen Sie bitte, meine Damen, denn jetzt wird’s etwas krass, also ich zitiere – ihr sein in der Hose markant erigiertes Glied zwischen die Schenkel drückte. Von Eifersucht getrieben, riss er das Paar auseinander und wollte den Mann tätlich angreifen. Nur mit großer Mühe konnten ihn die in der Nähe stehenden Gäste bändigen und ihn von der Gewalttätigkeit abhalten. Nachdem sich die Lage einigermaßen beruhigt hatte, bat der Hausherr die beiden zu gehen, damit die Feier unbelastet fortgeführt werden konnte. Rafael ließ seinen Wagen stehen und das Paar machte sich zu Fuß auf den Nachhauseweg. Unterwegs überschüttete der Kerl seine Begleiterin mit argen Vorwürfen bezüglich ihres unmöglichen Verhaltens, das sie damit rechtfertigte, dass er es ja ebenso mit dieser Bitch im Wintergarten getrieben hätte. Während sie laut streitend durch eine abgelegene Gegend gingen, riss Rafael der Geduldsfaden und er prügelte Cindy windelweich, bis sie mit gespaltener Lippe, blutender Nase und angebrochenem Nasenbein auf den Gehweg stürzte und dort liegen blieb. Angeblich hielt Rafael darauf ein vorbeifahrendes Taxi an und fuhr einfach davon. Ein zufällig vorbeikommender älterer Mann, der seinen Hund Gassi führte, hatte den Vorfall beobachtet und half Cindy wieder auf die Beine. Er griff nach seinem Handy, um die Polizei zu benachrichtigen, Cindy hielt ihn aber davon ab und bat darum, er möge ihr nur ein Taxi rufen. Kurz nachdem sie weggefahren war, kam ein Streifenwagen vorbei und der Zeuge namens Marco Thieslaff, neunundsechzig Jahre alt, schilderte den Beamten den stattgefundenen Vorfall. Diese fertigten daraufhin ein Protokoll an. Nachdem Cindy die ganze Nacht schlaflos und mit starken Schmerzen in einem Hotelzimmer verbracht hatte, fuhr sie in aller Frühe ins Städtische Krankenhaus, wo man neben einem blauen Auge und dem geschwollenen Gesicht auch noch Hämatome auf Brust und Armen feststellte. Man versorgte die Wunden und richtete die Nase. Die behandelnde Ärztin in der Notambulanz – eine Frau Doktor Wohlgast oder Wohlgarten – machte vorsichtshalber Fotos von den Blessuren für das Krankenhausarchiv. Auf die Weigerung der Patientin, Kopien der Fotos mitzunehmen, empfahl sie Cindy jedoch, gegen ihren Freund unbedingt Anzeige wegen körperlicher Misshandlung zu erstatten. Deswegen soll sich Cindy danach doch noch bei einer Polizeistation gemeldet haben. Da sie sich nicht so gut in Kiel auskennt, kann sie sich jedoch nicht mehr genau erinnern, wo diese gelegen war. Sie zeigte Rafael Kohlmann dort namentlich wegen Körperverletzung an. Gemäß ihrer Darstellung wurde zwar die Anzeige von einem Beamten schriftlich aufgenommen, ihr allerdings weder ein Protokoll zur Unterschrift vorgelegt noch eine Aktenzeichennummer bekannt gegeben, sodass sie von dem Vorgang keinen Beleg erhielt. Man soll ihr angeblich nahegelegt haben, die formelle Anzeige an ihrem gemeldeten Wohnort, Gemeinde Schönberg, zu erstatten. Dazu werde sie von der dortigen Polizeistelle eine schriftliche Anforderung erhalten. Eine solche hat sie allerdings nie zu Gesicht bekommen. Als sie in der dortigen Polizei-Zentralstation in der Ostseestraße zwei Wochen später vorstellig wurde, um danach zu fragen, wusste man angeblich nichts von dem Vorgang. Weil sie keine Aktenzeichennummer besaß, konnte man ihr auch hier nicht weiterhelfen. Zwei Monate später erhielt sie überraschenderweise ein Schreiben des Amtsgerichts, in dem ihr auf Antrag der Staatsanwaltschaft – gemäß Paragraph 170, Abs. 2 StPO – ich zitiere: ›Verfahrenseinstellung mangels eines hinreichenden Tatverdachts‹ mitgeteilt wurde. Die Begründung lautete, es stünde Aussage gegen Aussage, da der Beklagte Kohlmann ihrer Schilderung des Tathergangs widersprochen habe und diese als glatte Lüge bezeichnete. Die Frau sei vollkommen betrunken gewesen, deshalb gegen einen Laternenmast gelaufen und gestürzt. Als er ihr zu Hilfe eilen wollte, habe sie ihn unflätig beschimpft und ihn aufgefordert, ›sich zu verpissen‹. Darauf sei er in ein vorbeifahrendes Taxi gestiegen, habe aber mit seinem Handy den Polizeiruf 110 gewählt und ihre Verletzung gemeldet. Deshalb sei wohl auch ein Streifenwagen dort vorstellig geworden.«
Robert legt eine Verschnaufpause ein. Während er stumm weiterliest, meint Margrit: »Wenn man das so hört, da möchte man sich doch so einen gemeinen Kerl vornehmen und ihn ordentlich verdreschen, nicht wahr?«
Robert nickt und ergreift wieder das Wort: »Aber jetzt kommen einige wirklich außergewöhnliche Anmerkungen, und es ist mir unerklärlich, wie so etwas hier auftaucht. Hört euch das mal an: Unhaltbare Zustände! Wieso gibt es kein amtliches Protokoll von der Anzeige der Geschädigten? Der Zeuge wurde nicht vernommen – dabei hätte ja die Aussage der Frau bestätigt werden können. Und in der Mitteilung der Verfahrenseinstellung vom Amtsgericht fehlt ebenso der obligate Hinweis auf die gesetzlich geregelte Möglichkeit zum Widerspruch oder zur Beschwerde-Einreichung. Frau Frohm ließ diese aus Unkenntnis verstreichen und konnte nichts mehr unternehmen, sodass der üble Täter unbestraft bleibt! Eine