Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag. Manfred Eisner

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Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag - Manfred Eisner

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jüngere Arzt, der von den Polizeibeamten zur Leichenschau angefordert wurde und den Bericht diktiert, richtet sich auf: »Ich darf mich vorstellen: Assistenzarzt Finn Engelmann, zurzeit Doktorand bei Professor Christoff Klamm, Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts an der Kieler Universitätsklinik, der mich an seiner Stelle zu diesem Leichenfundort beordert hat.«

      »Vielen Dank, Herr Engelmann, das war recht umfangreich und reicht uns für den Augenblick.« Kriminalrat Harald Sierck, Leiter der Mordkommissionen von der Kieler Bezirkskriminalinspektion Blumenstraße, nickt anerkennend angesichts der umfassenden Angaben.

      »Was meinen Sie, Breiholz, noch Fragen an den Herrn Doktor?«, erkundigt er sich bei seinem Begleiter.

      »Nett gemeint, aber bitte keine vorzeitige Promotionsverleihung, Herr Kriminalrat«, interveniert der Assistenzarzt. »Die Doktorsporen muss ich mir erst noch erarbeiten, und ich befürchte, das wird noch ein Weilchen dauern«, scherzt er.

      Kriminaloberkommissar Sascha Breiholz grinst. »Nur keine falsche Bescheidenheit, Doc. Das, was wir soeben von Ihnen zu hören bekamen, hätte Ihr verehrter Herr Professor auch nicht besser vortragen können. Aber eine Frage hätte ich noch: Können Sie schon jetzt abschätzen, wie lange die Leiche hier liegt?«

      »Die letzte Nacht war sehr kalt und die Leiche unbekleidet. Beides macht es mir nicht unbedingt leicht, Ihre Frage genau zu beantworten. Dennoch, da die Totenstarre vollständig ausgeprägt ist, trat der Exitus schätzungsweise vor etwa vierundzwanzig bis dreißig Stunden ein. Wie gesagt, die livores mortis – also die Leichenflecken«, ergänzt er beflissen auf den plötzlichen stirnrunzelnden Ausdruck des Fragenden, »deuten auf etwa sechs Stunden danach, da die Leiche offensichtlich für den Hertransport vollkommen umgelagert wurde. Demnach schätze ich grob, circa achtzehn bis vierundzwanzig Stunden. Einen genaueren Todeszeitpunkt erfahren Sie dann im Obduktionsbericht.«

      Steffi Hink, die gerade hinzugekommene Kollegin der Moko, rechnet zurück.

      »Das würde bedeuten, dass die Tat in der Nacht vom letzten Mittwoch zum Donnerstag begangen und die Leiche gestern am sehr frühen Morgen hier deponiert worden sein muss.«

      Der Leiter der Mordkommission nickt zustimmend.

      »Danke, Herr Engelmann, das hilft uns erst einmal. Grüßen Sie den Herrn Professor von uns.«

      »Ich darf mich dann verabschieden, wünsche Ihnen noch einen schönen Tag«, murmelt der Arzt im Gehen.

      Harald Sierck ruft hinüber zu den Kollegen der SpuSi: »Wie weit seid ihr vom KTI? Kann die Leiche in die Gerichtsmedizin?« Er deutet auf die beiden Männer in grauen Anzügen, die in der Nähe mit ihrem geöffneten Metallsarg in Wartestellung sind.

      »Kann sie abtransportiert werden?« Der angesprochene erste Kriminaltechniker Lutz Krause wendet sich ihnen zu und zeigt mit dem Daumen nach unten. Er ruft etwas Unverständliches zu einer weiteren, in einen weißen Schutzanzug gekleideten schlanken Figur, die sich daraufhin in ihre Richtung in Bewegung setzt.

      »Guten Morgen, Herr Kriminalrat, Kollegen! Annegret Prinz. Ich bin die Fallanalytikerin vom KTI. Wir müssen noch ein wenig den Boden um die Leiche herum untersuchen, bevor wir sie abheben. Überlassen Sie bitte alles Weitere uns, wir geben dann den Leuten für die Überführung in die Gerichtsmedizin Bescheid, wenn es so weit ist!«

      Die drei Kripobeamten beäugen ein wenig verwundert den nahezu asketischen Gesichtsausdruck der erst kürzlich ins Team gekommenen Spezialistin der Spurensicherung.

      »In Ordnung, Frau Prinz, dann machen wir uns hier vom Acker. Kommt, Leute, es gibt Arbeit!«, fordert der Kriminalrat seine beiden Kriminaloberkommissare auf, die der Kriminologin, die neuerdings als zuständige Teamkoordinatorin für Operative Fallanalyse am Kriminaltechnischen Institut amtiert, kurz zunicken, um sogleich ihrem Chef zum Dienstwagen zu folgen.

      *

      Sein mehrfaches Klingeln bringt keinen wahrnehmbaren Erfolg, deshalb trommelt Lutz Krause so laut er kann an Waldis massiver Wohnungstür. Dann versucht er es abermals mit wiederholten, kurz unterbrochenen Klingelzeichen. Endlich scheint sich in der Wohnung etwas zu bewegen. Ein verschlafenes weibliches Gesicht erscheint an der nur einen Spaltbreit geöffneten Eichentür. Lutz kann sich ein breites Lächeln nicht verkneifen.

      »Wohl spät geworden gestern, ihr Schlafmützen?«

      »Ist ja unmenschlich, Leute so ungestüm mitten in der Nacht zu wecken, du Unhold!«, vermag ihm Nili mit einem Gähnen entgegenzuhalten.

      »Was heißt hier Mitternacht? Es ist bereits halb elf am Vormittag und dazu noch ein Scheißwetter draußen, aber ihr sollt trotzdem zu uns zum Brunch heraufkommen! Marion wartet schon sehnsüchtig auf dich, Nili, sie hat bereits alle Zutaten für die Katiuschka parat – oder wie das Zeug heißt, für das sie dein Rezept bekommen hat. Die soll gleich ausprobiert und zusammen mit dir gebrutzelt werden. Also, was ist? Schafft ihr es heute noch aus den Federn?«

      »Lieb von euch! Klar, Lutz, wir kommen gern. Aber eine schnelle Dusche müsst ihr uns noch zubilligen. Das Gericht heißt übrigens Shakshouka und ist sehr lecker, wirst schon sehen! Gib uns bitte zwanzig Minuten, ja?« »Okay, aber keine Minute länger, damit das klar ist – ich sterbe nämlich vor Hunger!«

      Etwa eine halbe Stunde danach stehen die beiden Frauen am Herd. Nachdem das Tomaten- und Paprikagemüse, vermischt mit Chilischoten, Zwiebel- und Knoblauchscheiben, die halbierten Oliven und Kabanossiwürfel in den beiden Pfannen in heißem Olivenöl gut durchgeschmort sind, macht Nili darin die Mulden für die sechs Setzeier frei, und nachdem diese darin vorsichtig deponiert wurden, erhält jede Pfanne einen Deckel und die Herdplatten werden ausgeschaltet.

      »Nun sollen die Eier etwa fünf Minuten lang poschieren, dann ist die Shakshouka5 fertig!«, verkündet Marion verheißungsvoll.

      »Wird auch wirklich Zeit, Mama, mein Magen knurrt schon ziemlich laut!«, raunt Tim, der jüngste Sohn der Krauses, scherzend. Tims Bruder Jan, ihr Vater Lutz und Waldi sitzen ebenso ungeduldig harrend am Tisch in der Wohnküche.

      Lutz greift nach dem Korb mit den Brötchen und reicht ihn herum. »Du könntest uns schon mal den Kaffee einschenken, junger Mann!«

      Tim, der nach seinem Fachabitur vor einigen Monaten eine Lehre als Mechatroniker bei den Lübecker Drägerwerken angetreten hat und bisweilen nur das Wochenende ›bei Muttern‹ genießt, steht grienend auf und folgt der Aufforderung. »Bist ja ebenso schlimm wie mein Meister, Vadder! Für den muss ich auch dauernd was holen!«, beklagt er.

      »Mach dir nicht ins Hemd, Kleiner!«, witzelt Jan. »Jammern gilt nicht! Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre, das is ’ne alte Weisheit, nicht wahr, Vater?«

      »Und du mach dich nicht so wichtig, mein Großer«, ermahnt ihn die Mutter. »Noch bist du kein Herr Professor!« Grinsend droht sie ihm mit dem Pfannenheber. »Holt man schon die Teller heran, damit wir Nilis leckerere Kreation auf den Tisch bringen können!«

      Jan macht eine duale Ausbildung: Weil er in die Fußstapfen des Vaters treten möchte, belegt er neben seiner bereits fast abgeschlossenen Lehre als chemischer Labortechniker in Kiel ein Fernstudium am Institut für Kriminologie an einer privaten Hochschule in Berlin. Sein Ziel ist der Bachelor-Abschluss.

      »Wie auch immer, Nili, das Warten hat sich wirklich gelohnt, deine Katiuschka schmeckt wirklich hervorragend!«, lobt Lars und schmatzt bewusst laut.

      Alle lachen und stimmen ihm zu.

      »Ich

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