Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag. Manfred Eisner
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Читать онлайн книгу Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag - Manfred Eisner страница 7
»Hat keinen Sinn, Lars zu korrigieren«, stellt Waldi grinsend fest. »Du musst dich damit abfinden, Nili, dass dein famoses Gericht soeben unwiderruflich umgetauft wurde!«
Als sie sich alle satt gegessen und ausreichend Kaffee dazu getrunken haben, der Tisch abgeräumt und Geschirr samt Besteck in die Reinigungsobhut der Spülmaschine übergeben wurden, gehen die Erwachsenen hinüber ins Wohnzimmer, um ein gemütliches Plauderstündchen als Ausklang zu genießen. Die beiden jungen Leute ziehen sich in ihre Zimmer zurück, der Ältere, um zu lernen, sein Bruder, um am PC zu spielen.
Nachdem Waldi und Nili abwechselnd von der gestrigen Feier berichtet haben, bemerkt Lutz: »Wir hatten’s nicht so behaglich wie ihr beiden!«, und erzählt von dem Leichenfund im Forst. »Das war ganz schön hübsch hässlich, würde unser seliger Father Brown alias Heinz Rühmann bei einem solch grausigen Anblick bemerkt haben. Mit der düsteren Erscheinung von durch Gewaltverbrechen Getöteten musste ich mich ja inzwischen wohl oder übel abfinden, aber diese da, die hat mich total schockiert. Nicht nur, weil sie schon von Wildschweinen angefressen war, sondern vielmehr weil Gesicht und Oberkörper des Opfers total verunstaltet waren. Wer auch immer der armen Frau all das angetan hat, muss eine bestialische Wut in sich gehabt haben. Unglaublich!« Offensichtlich wirkt der furchtbare Eindruck noch nach, denn der sonst kühl und nüchtern daherkommende Kriminaltechniker scheint zutiefst bestürzt.
Nach einer Pause meldet sich Nili zu Wort: »Ich kann dir das absolut nachfühlen, lieber Lutz! Jedes Mal, wenn ich einen Tat- oder Fundort betreten muss, befällt mich tiefe Beklemmung, und wenn ich mit einer so tristen Aufgabe konfrontiert werde, ergreift mich große Trauer. Nie werde ich mich ganz daran gewöhnen können. Auch wird es mir kaum gelingen, die gebotene mentale Distanz zum Opfer zu halten, die unsere psychologischen Betreuer uns abverlangen. Es passiert mir immer wieder, an jedem Ort eines Gewaltverbrechens, dagegen kann ich nichts tun.«
Waldi nimmt sie in den Arm. »Lass es gut sein, Nili, ich halte es für durchaus normal, dass sich bei derart erschütternden Anlässen derart starke Gefühle melden.«
Um das Thema zu wechseln, fragt Nili plötzlich: »Habt ihr irgendwelche Spuren gefunden, die auf die Identität der Frau hinweisen?«
»Siehste, Waldi, da erwacht die sprichwörtliche Witterungslust in unserer lieben Frau Kriminalhauptkommissarin! Gut, dass du fragst, Nili, denn da war in der Tat etwas, was ich beinahe vergessen hätte!« Rasch schwingt sich Lutz aus dem Sessel und eilt hinaus in den Flur. Kurz danach kommt er mit einem Plastikbeutelchen in der Hand zurück. »Ich will euch keineswegs den Verdauungsplaisier der soeben genossenen ›Katiuschka‹ vermiesen – die hat übrigens tatsächlich wunderbar geschmeckt, ehrlich! –, aber da Nili so direkt fragt, kriegt sie auch ’ne direkte Antwort.« Er legt das Tütchen auf den Couchtisch.
Waldi und Nili schauen ihn fragend an.
»Na ja, ihr wundert euch vielleicht, dass dieses Beweisstück noch in meinem Besitz ist. Lasst es euch erklären: Ich hatte eigentlich gestern einen freien Tag, um Überstunden abzubummeln, aber Kollege Andresen rief mich im Auftrag unserer Fallanalytikerin Frau Prinz an. Die bat mich, zum Tatort zu kommen. Ich fand dies zufällig, nachdem man längst die Spurensuche beendet hatte und die Kollegen bereits abgefahren waren. Als ich mich gerade meiner Schutzkleidung entledigte, fiel mir der Kuli aus der Tasche, und während ich ihn aufhob, bemerkte ich einen Blutfleck und in dessen Mitte lag das da.« Er zeigte auf das Tütchen. »Die Bache, die dem armen Opfer die Finger abgebissen hat, muss ihn wieder ausgespuckt haben! War wohl nicht ganz ihr Geschmack!«
Nili greift nach dem Tütchen. »Sieh mal, Waldi, ein Ehering!« Sie blickt auf die Innenseite: »In ewiger Liebe – Berti und 07.05.2009 sind da eingraviert«, liest sie vor.
»Nicht gerade erleuchtend, um die Frau anhand dessen zu identifizieren, nicht wahr?«, meint Lutz trocken. »Und bevor ihr die Frage stellt: Ja, die Liste der eingegangenen Vermisstenanzeigen wird bereits geprüft.«
Nili reicht das Beweisstück an Waldi weiter, dann meint sie: »In der Tat kein großer, aber immerhin ein Ansatz. Wenn man im Institut nichts dagegen hat, könnte ich meinen bewährten Kollegen Ferdl daran setzen, bei den Standesämtern im Kieler Umkreis die Liste der Ehen anzufordern, die an diesem Datum geschlossen wurden. Wenn wir Glück haben, finden wir vielleicht den besagten Berti und seine Angetraute.«
»Das ist eine gute Idee, Nili!«, räsoniert Waldi und gibt das Tütchen an Lutz zurück. »Am besten, du informierst eure Fallanalytikerin Frau Prinz, damit sie im Bilde ist.«
Lutz schüttelt den Kopf. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das für mich übernehmen würdest, Waldi. Unsere ›Eiserne Jungfrau Annegret‹ ist nämlich sehr zimperlich, wenn es um die Einhaltung der vorschriftsmäßigen Richtlinien für die fallanalytische Arbeitsweise geht. Sie nimmt das mit ihrer Aufgabe penibel ernst und kann ’ne wirklich ungemütliche Kratzbürste sein, wenn man ihr in ihrem Metier zu nahetritt. Wahrscheinlich ist sie sowieso sauer, wenn sie erfährt, dass ich hierüber mit euch schon gesprochen habe, ehe sie davon erfährt.«
»Ruhig Blut, Kumpel, lass das mal meine Sorge sein. Ich konnte die Dame bereits bei der Arbeit beobachten und sie schien mir trotz ihrer Pingeligkeit durchaus kompetent. Liegt aber in der Natur der Aufgabe, dass systematische Genauigkeit nun mal eine Grundlage für den Erfolg der Fallanalyse ist, mein Lieber! Das weiß doch niemand besser als du, denn im Grunde bist auch du nicht sehr viel anders: stets besonnen und methodisch, dabei auch mal grantig, wenn’s dir gegen den Strich geht.«
»Mein Lutz ist eben ein kleiner Chauvi, wenn es um Damen im Beruf geht!«, ulkt Marion und streicht ihrem Mann liebevoll über die Haare.
Nili schmunzelt. »Hoffe doch sehr, dass ich davon ausgenommen bin.«
»Ist doch gar nicht wahr!«, protestiert Lutz heftig. »Auf diese äußerst unfaire Beschuldigung brauche ich einen ordentlichen Schluck Verteiler. Noch jemand? Ouzo, Korn, Sankt Margarethener?«
*
Behaglich sitzen Nili und Waldi im Wohnzimmer vor dem wohlige Wärme spendenden Kamin und hören klassische Musik; sanft erklingt gerade das Adagio aus Mozarts einundzwanzigstem Klavierkonzert, das der virtuose Wladimir Ashkenazy mit den Berliner Philharmonikern meisterhaft interpretiert. Waldi labt sich währenddessen beim Rauchen seiner Pfeife, ein Genuss, den er sich nur noch seltener gönnen darf, ist doch fast überall das Rauchen – und zudem jenes einer Pfeife –, wenn schon nicht gar verboten, doch zumindest arg verpönt. Nili sitzt neben ihm auf dem Sofa und schnuppert den aromatischen Geruch des gesottenen Latakia-Shags. Sie tippt auf der Tastatur ihres Laptops und gibt ihrem sachkundigen IT-Fachinspektor Ferdinand Csmarits – dem jüngstens dem Sonder-Ermittlungsteam zugeordneten österreichischen Austauschkollegen aus Eisenstadt – die kargen Daten per E-Mail durch, die sie vom Ehering der aufgefundenen toten Frau entnommen hat.
»Ist ziemlich dürftig, geschätzter Ferdl, aber seien Sie bitte so nett und sehen Sie zu, ob Sie etwas daraus machen können. Noch ein schönes Wochenende wünschen Ihnen Dr. Mohr und Nili«,schreibt sie als Letztes und klickt auf ›Senden‹.
»Der Ferdl ist wirklich ein Glückstreffer für uns, Waldi. Bis jetzt war er mit seiner gewieften Sucherei im Netz immer erfolgreich!«
Seit dem grauen Morgen hat es den ganzen Tag über heftig geregnet und sie haben sich deshalb nach dem üppigen Brunch bei Krauses in Waldis vier Wände zurückgezogen. Gerade als sie gegen Abend am Küchentisch sitzen und ein karges Mal aus Schwarzbrot mit Wilstermarschkäse und ein paar Scheiben von einem bereits ziemlich trocken gewordenen Salamizipfel zu sich nehmen, macht sich Nilis Laptop mit einem Piep bemerkbar. Rasch geht sie ins Wohnzimmer hinüber und kehrt, freudig auf das Display ihres Laptops zeigend, zurück: »Siehste,