Lust aufs Alter. Peter Scheer

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Lust aufs Alter - Peter Scheer

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      Es gibt Menschen wie mich, die gehen gern zu Ärzten. Einfach, weil sie von ihnen Hilfe erwarten und bekommen. Ebenso, weil sie gern manchen Krankheiten vorbeugen. Zahnausfall zum Beispiel. Deshalb gehen sie regelmäßig zur Zahnpflege. Sicher, die Zahnpflege ist nicht alles. Aber sie fördert den Kontakt zum Zahnarzt und jede Zahnpflegerin wird ein Löchlein, das sie entdeckt, Ihnen und dem Arzt melden und so weitere Schäden verhindern helfen.

      Ebenso ist es mit den anderen Untersuchungen. Sicher, eine Darmspiegelung ab dem fünfzigsten Lebensjahr alle fünf Jahre einmal wird Darmkrebs nicht verhindern, aber sie ist die einzige Chance auf Früherkennung und -behandlung. Diese Liste könnte fast unendlich fortgesetzt werden. Jede Vorsorgeuntersuchung, jeder Kontakt mit dem medizinischen System birgt natürlich auch die Gefahr einer Überdiagnose in sich, aber wahrscheinlicher ist, dass man eine entstehende Krankheit früh abfängt, so dass sie noch heilbar ist. Gegen die Gefahren der Überdiagnose kann man sich leicht schützen: Kündigen Sie Ihre Zusatzversicherung! Erstens wird Ihnen die Versicherung sehr dankbar sein, denn Sie sind ein schlechtes Risiko geworden. Am liebsten hatte die Versicherung Sie, als Sie jung waren und daher gesund. Jetzt steigt täglich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die Versicherung in Anspruch nehmen werden. Das ist für den Profit der Versicherung schlecht. Daher werden Sie Ihre Kündigung widerspruchslos annehmen. Somit verführen Sie dann Ärzte und Ärztinnen nicht, sie aus niedrigen Motiven zu behandeln. Nicht Geld ist dann das Interesse der Mediziner, sondern ausschließlich der Wunsch, Ihnen zu helfen. Machen Sie also den für Sie guten Schritt und legen Sie sich in ein Mehrbettzimmer. Wenn Sie eine künstliche Hüfte brauchen, sind Sie dann zwar auf der Warteliste, werden aber von dem operiert, der es täglich tut, und müssen nicht einmal Danke sage. Wenn Sie dann doch Geld für Gesundheit ausgeben müssen, nehmen Sie das, das Sie sich an Zusatzversicherung erspart haben, und geben Sie es den Ärzten Ihrer Wahl.

      Und dann: Haben Sie ein wenig, aber nicht zu viel Vertrauen. Der Arzt kann Sie verwechseln, inkompetent sein oder er ist einfach innerlich mit anderem beschäftigt. Daher überprüfen Sie die Empfehlungen, lesen Sie Beipacktexte, überlegen Sie selbst Vor- und Nachteile der Verschreibungen und Empfehlungen, vergleichen Sie diese mit Ihrem Lebenskonzept und schauen Sie, ob das alles zusammenpasst. Nehmen Sie zum Beispiel Tabletten gegen Bluthochdruck, sofern Sie noch Freude an Sex haben, nur mit Vorsicht, manche haben nämlich als Nebenwirkung Potenzstörungen. Überdies ist Bluthochdruck an sich keine Erkrankung, Sie nehmen die Tabletten vorsorglich, um Nachfolgeerkrankungen zu verhindern. Denken Sie über Medikamente nach, die den Fettstoffwechsel beeinflussen. Ab einem gewissen Alter kommt die Vorsorge gegen Arterienverkalkung zu spät. Überdies wird von diesen Medikamenten die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes mellitus zu erkranken, größer. Besprechen Sie Risiken mit Ihrem Arzt und treffen Sie dann eine gemeinsame Entscheidung. Seien Sie offen, lügen Sie Ihren Arzt nicht an und schenken Sie ihm das Vertrauen, das er braucht, um Sie gut behandeln zu können. Denken Sie aber auch daran: Jeder Arzt ist geneigt, Ihnen ein Rezept zu geben. Wenn Sie schon Medikamente einnehmen, kann es sein, dass die Wechselwirkungen nur mehr schwer zu überblicken sind. Achten Sie darauf, besprechen Sie das mit Ihrem Arzt und erinnern Sie sich an die Mathematik Ihrer Schulzeit: Gleichungen mit mehr als drei Unbekannten sind fast unlösbar. Daher sollten Sie wahrscheinlich nicht mehr als drei unterschiedliche Medikamente einnehmen.

       Legen Sie sich nur ein Mal wirklich ins Bett – zum Sterben

      „Im Bett sterbn d’ Leut“, sagt der Volksmund. Das stimmt. Sie brauchen das Bett zum Schlafen, sonst nicht. Weder werden grippale Infekte erträglicher oder heilen mit weniger Nebenwirkungen ab, wenn Sie im Bett liegen, noch wird eine Herzkrankheit vom Liegen besser. Das Bett ist gut zum (Bei-)Schlafen und für sonst nichts. Sicher, Sie sollen ein gutes Bett haben, denn im Bett und in den Schuhen verbringt man sein ganzes Leben – sagt ein Sprichwort. Daher müssen beide so gut wie möglich sein. Aber sonst meiden Sie das Bett, besonders wenn sie schon älter sind. Es macht Sie eher krank als gesund. Von der Entwicklung von Blutgerinnseln über allgemeine Schwäche bis zur empfundenen Schlafstörung – all das entsteht im Bett. Es wird Ihr Begleiter, wenn es dann so weit ist. Bis dahin ist es von Schaden. Das wussten die Menschen immer schon. Deshalb machten sie das Bett zwar weich und warm, aber sie stellten es in den dunklen Räumen auf, verhängten die Fenster und heizten den Raum oft nicht. All das, um die Anziehung des Bettes zu verringern und dessen Benützung auf die Nacht zu konzentrieren. Nehmen Sie das als Richtschnur. Wenn Sie das Bett brauchen, dann benützen Sie es. Ich warne aber vor der Idee, das Bett zu „hüten“. Das Bett hütet sich selbst. Es zieht Sie nur an, wenn Sie sich vor der Welt verstecken wollen oder weil Sie traurig sind oder weil es Ihnen bequem ist. Für Bequemlichkeit ist im Alter wenig Platz. Denken Sie immer daran, dass Sie – selbst wenn Sie römisch-katholischen Glaubens13 sind – die Ewigkeit haben, um sich auszuruhen. Das muss doch genügen. Die wenigen Stunden, die Sie auf Erden haben, sollten Sie sich nicht allzu viel ausruhen. Bleiben Sie in Bewegung, denken Sie an andere, achten Sie moderat auf Ihre Gesundheit, aber meiden Sie das Bett. Es darf ruhig einen Morgen geben, an dem Sie sich einen Morgenschlaf gönnen, zum Beispiel nach dem Sport, aber an sich reicht das. Je stärker es Sie anzieht, desto mehr gehen Sie in die andere Richtung! Vermeiden statt aufsuchen, weggehen statt hüten, wachen statt schlafen – das ist die Devise.

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