Letzte Schicht. Dominique Manotti

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Letzte Schicht - Dominique  Manotti

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Diskussionen in der kleinen Schar. Die Lagerbestände verkaufen, gute Idee, mal was Konkretes, da ist noch mehr drin als bloß unsere Prämien. Vielleicht, aber gleich festsetzen … Wir müssen uns absichern … Sie lassen uns keine Wahl. Eine Provokation nach der anderen. Man könnte meinen, sie legen es darauf an … Das ist ja das Beunruhigende.

      »Hört zu, Leute, wir müssen jetzt schnell sein, und effektiv. Wir gehen alle zusammen hin, wir sperren sie ein, über Nacht wird reichen, morgen früh sind sie fertig mit den Nerven. Ihr seht ja den Koreaner in seiner Karre hier.« Leichter Tritt mit dem Absatz gegen das Wagendach, ein blecherner Klang ertönt. Jeder sieht noch einmal das angsterfüllte Gesicht, das schaukelnde Auto, gemeinsam sind wir stark. »Sie haben Angst vor uns. Das nutzen wir. Wenn wir uns heute nicht Respekt verschaffen, machen sie die Fabrik morgen dicht, und uns bleibt gar nichts. Wir setzen sie fest, jetzt gleich. Wer ist dafür?«

      Sehr kurzes Zögern. Étienne und die erste Schicht aus der Verpackung heben die Hand. Alle heben die Hand. Aïsha kann es kaum glauben, aber auch sie stimmt für Festsetzen. Während vier Männer den Computer und die Aktenkisten aus dem Kofferraum holen (nichts, was der Firma gehört, darf die Firma ohne unsere Zustimmung verlassen), findet sich die Abordnung erneut zusammen und tritt an die Spitze des sich formierenden Zuges. Relativ geordnet setzt sich der kleine Trupp in Bewegung. Das auf der Seite liegende Auto wird mit offenem Kofferraum einfach vor dem Tor liegen gelassen, der Koreaner hat sich immer noch nicht gerührt.

      Kreidebleich umklammert Park sein Telefon. »Sie kommen, sie besetzen die Büros … Das gibt eine Katastrophe.«

      »Was haben Sie denn jetzt wieder für einen Mist gebaut? Und was für eine Katastrophe, erklären Sie mir das.«

      »Als ich hier anfing, habe ich ein System mit fingierten Rechnungen erstellt, um den koreanischen Führungskräften eine Auslandszulage zahlen zu können …«

      Ein Brüllen am anderen Ende. Quignard springt auf, wirft seinen Stuhl um, lässt seine Faust auf die Schreibtischplatte krachen, die Cognacgläser hüpfen, eine Vase mit Chrysanthemen kippt um, setzt die wartenden Akten unter Wasser. Maréchal nimmt die Gläser, bringt sie in Sicherheit, stellt die Vase wieder hin.

      »Löschen Sie alles, verdammte Scheiße, worauf warten Sie denn noch?«

      Ihm sagen, dass man versucht hat, den Computer rauszuschaffen, und dass er jetzt in den Händen der Streikenden ist? Lieber krepieren. »Der Buchhalter, der sich darum kümmert, ist heute nicht da, und sonst weiß keiner, wo das abgelegt ist, wir können ja nicht die gesamte Buchhaltung löschen …«

      Park fiept wie ein verängstigtes Kaninchen, die Verbindung ist unterbrochen.

      Der Weg zum Gebäude der Geschäftsleitung, einem Spiegelglaskubus mit einer zweistufigen Freitreppe vor dem Haupteingang, eine Art bessere Lagerhalle, nicht sehr eindrucksvoll, ist kurz, ein paar Dutzend Meter vielleicht, aber doch lang genug, damit jeder noch einmal darüber nachdenken kann, was er da eigentlich tut.

      Freiheitsberaubung. Wir werden hineingehen, wo wir nicht hineingehören, ihr Terrain besetzen, unsere Chefs höchstpersönlich einsperren, ihnen auf die Pelle rücken, sie mit uns einschließen, von Gleich zu Gleich mit ihnen reden. Wenigstens eine Zeitlang. Wir rühren an die soziale Ordnung. Wenigstens eine Zeitlang. Es zählt also jeder Schritt, wir werden uns später an jeden Schritt erinnern. Und wir halten zusammen, dicht zusammengedrängt, schweigend.

      Die Frauen folgen am Ende des Zuges, hängen ein wenig zurück, zu viele Männer in zu dichten Reihen, sie sind besorgt, zögerlich. Einige machen sich unauffällig davon, durch die Fabrik und über das Brachland.

      Amrouche lässt sich widerstrebend mitziehen. Jetzt stecken wir mittendrin, die Explosion, die Wut, seit Jahren verfolgt mich das, die anderen sind so viel stärker, sie haben immer gewonnen, sie werden immer gewinnen. Schafe zur Schlachtbank. Er schließt zu Hafed auf. »Wir müssen das Ganze stoppen, das gibt eine Katastrophe.«

      »Ich begreife nicht, warum diese Managerärsche nicht alle längst nach Hause gefahren sind. Worauf spekulieren sie? Wir können jedenfalls nichts ändern.«

      Getragen von seinen Leuten geht Nourredine bis zur automatischen Schiebetür: geschlossen. Probiert sie aufzubekommen: vergeblich.

      Er hat nicht mal mehr Zeit, sich umzudrehen: Der Ansturm der nachdrängenden Arbeiter, der sich mit jeder Reihe verstärkt, bringt die Männer an der Spitze aus dem Gleichgewicht und lässt sie gegen die Glastür krachen, die nachgibt und birst.

      Die Zeit steht still, Amrouche ist gestolpert und bäuchlings in den Glasscherben auf dem blauen Teppichboden gelandet. Nourredine, blutüberströmt, mit gebrochener Nase und Schnittwunden im Gesicht, sieht sich dem koreanischen Direktor gegenüber, der starr und bleich mitten in der Empfangshalle steht.

      Jemand schreit: »Holt sie aus ihren Löchern und bringt sie her.« Die Männer stürmen wieder los, trampeln über Amrouche hinweg, schwärmen aus zu den Büros, reißen die Türen auf, zerren die Leute von ihren Stühlen, schleifen sie halb bis in die Empfangshalle, die sich zunehmend mit zerrupften Anzugträgern füllt.

      Amrouche hat sich hochgerappelt, kurzatmig zieht er den Direktor hinter sich her in den Sitzungsraum, er kennt diesen Raum gut, so viele nutzlose Palaver, diese Schwachköpfe, die nie zugehört haben, und jetzt … Hafed, leicht angeschlagen, kommt dazu. Sie lassen die leitenden Angestellten einen nach dem anderen hineingehen, nein, nicht alle Arbeiter, so viel Platz ist nicht, nur die Abordnung, wir lassen die Tür auf. Sofortige Zahlung der Prämien, alle wissen, warum wir hier sind, und wir lassen niemanden gehen, bevor unsere Forderung nicht erfüllt ist, aber von jetzt an bewahren wir Ruhe. Wir sind ja keine Kriminellen.

      Nourredine hat sich in der Empfangshalle auf einen Stuhl gesetzt, den Kopf vornübergebeugt, er versucht mit einer Rolle Klopapier sein Nasenbluten zu stoppen, er hat die Augen geschlossen, seine Hände sind blutig, das Hirn träge und die Gedanken verworren.

      Hafed hockt sich neben ihn. »Amrouche und ich kümmern uns im Sitzungsraum um die Chefetage. Du musst in den Büros ein bisschen für Ordnung sorgen. Hörst du?« Nourredine knurrt nur. »Das ist wichtig. Organisier die Besetzung. Streikposten an die Türen, Kontrollrunden durch Fabrik und Büros. Okay?« Nourredine nickt stumm. »Denk dir was aus, damit die Jungs was zu tun kriegen.« Er wiederholt: »Das ist wichtig«, und geht zurück in den Sitzungsraum.

      Quignard stellt seinen Stuhl wieder hin, setzt sich mit geschlossenen Augen, zwingt sich, langsam und gleichmäßig zu atmen, indem er durch den Mund ausatmet, seine großen Hände liegen flach auf dem Schreibtisch.

      Während Quignard sich langsam beruhigt, hat Maréchal wieder sein Glas genommen und trinkt in kleinen Schlucken, um nicht loszulachen. »Und, was hat sich dein zündelnder Feuerwehrmann nun wieder ausgedacht?«

      »Es ist ein Alptraum, Antoine. Vor nicht mal einer Stunde bin ich dort weggegangen, sie haben Verhandlungen vereinbart, und nun besetzen die Arbeiter die Büros der Geschäftsleitung.«

      »Das ist schon anderen Chefs passiert, und die haben’s auch überlebt.«

      »Vielleicht, aber bei der Gelegenheit eröffnet mir Park, dass er mit einem System fingierter Rechnungen Geld unterschlägt, um seiner koreanischen Managerbande, die allesamt Stümper sind, Gehaltszulagen zu zahlen, und dass das Ganze zu allem Überfluss auch noch schwarz auf weiß in der Firmenbuchhaltung steht … Wenn da irgendwelche Schlaumeier einen Blick drauf werfen … Das Werk muss geräumt werden.« Quignard greift zum Telefon. »Ich rufe den Kommissar an …«

      Maréchal bremst ihn. »Tu das nicht. Das führt nur zu Ausschreitungen, die die Bullen vom

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