Alexa und das Zauberbuch. Astrid Seehaus

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Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus

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die Lage nicht so tödlich ernst gewesen wäre. Dann sah sie, wie er erneut die Hände in die Luft reckte ... und lächelte erleichtert.

      Er war gekommen!

      Ihr Hexenmeister!

      Alexa fühlte es mehr, als dass sie ihn sah, denn der anfänglich rauchige Qualm war zu einer dicken Nebelwand geworden, die sich wie ein Vorhang vor ihre Augen legte. Sie hustete.

      Der Hexenmeister Meldec Schrawak war in seinen kostbaren Gewändern als solcher nicht zu erkennen. Nur sie und Strobel und die anderen Hexenbrüder und -schwestern wussten, wer er wirklich war. Für die Nichteingeweihten war er lediglich ein angesehener Kaufmann.

      Sie lachte. Jetzt würde alles gut werden, wenn Meister Schrawak die Dinge in die Hand nahm. Sie mochte ihn. Mehr noch als das, sie verehrte ihn.

      Meldec Schrawak war groß, noch größer als Strobel, hatte schulterlange, schwarze Haare und braune Augen, und er rollte das Rrrr, wie nur er es rollen konnte. Er war ihr Lehrmeister, obwohl sie keinen mehr gebraucht hätte.

      Minne Vrouwe hatte sie und Strobel nach sieben anstrengenden Lehrjahren mit vierzehn als ausgebildete Hexe und Hexer entlassen. Dass sie und Strobel zur gleichen Zeit von ihr ausgebildet worden waren, war ungewöhnlich, denn die traditionelle Hexenregel besagte, dass nur ein Lehrling zur gleichen Zeit und dann auch nur ein Bursche, von einer Hexe ausgebildet werden durfte. Mädchen lernten üblicherweise bei Hexenmeistern. Doch Minne Vrouwe hatte eine Ausnahme gemacht, als sie Alexa zum ersten Mal gesehen hatte. Alexa wurde geboren, kaum hatte die Kirchturmuhr mit zwölf Schlägen den letzten Tag des Aprils beendet. Und danach war die Meisterin zum Tanzplatz geflogen und hatte mit ihren Schwestern die ganze Walpurgisnacht hindurch Alexas Geburt gefeiert.

      Alexa lächelte, als sie daran dachte. Natürlich konnte sie sich nicht daran erinnern, dass Minne Vrouwe sie am Tag ihrer Geburt besucht hatte. Ihre Mutter Zerte hatte es ihr erst erzählt, als sie zu ihrer Hexenmeisterin gebracht wurde. Alles musste seine Ordnung haben. Mit sieben Jahren war sie, Alexa – das siebente Kind von sieben – zur Meisterin gekommen, und sieben Jahre später, mit vierzehn, hatte sie ihre Lehre beendet, um ihr Wissen anzuwenden und Gutes zu wirken. Aber dann war Meldec Schrawak gekommen und hatte sie gefragt, ob sie nicht vielleicht noch einmal für sieben Jahre in die Lehre gehen wollte, und zwar bei ihm, und sie hatte ohne Zögern zugesagt. Sie war so stolz gewesen, dass der große Meister Schrawak sie unterrichten wollte. Nur Minne Vrouwe war skeptisch und hatte die Stirn gerunzelt, aber kein Wort dazu gesagt.

      Alexa zuckte mit den Schultern. Was ging sie Minne Vrouwes Zaudern an? Vielleicht war sie bloß eifersüchtig, weil Meldec Schrawak Alexa auserwählt hatte, um sie in Dinge einzuweihen, von denen Minne Vrouwe nichts wusste oder nichts wissen wollte. Aber sollte man als Hexe nicht über alles Bescheid wissen? Über alles? Geschlossene Türen sind zum Öffnen da, sagte der Meister stets, wenn Alexa Bedenken äußerte, und willig stimmte sie ihm jedes Mal zu, wenn sie in seine braunen Augen blickte.

      Der Meister stand nun hinter Strobel, nicht weit von ihm, aber unbemerkt, denn der junge Hexer konzentrierte sich immer noch auf die richtige Ausführung der Beschwörung zum Ortswechsel. Auch der Meister flüsterte Formeln, denn seine Lippen klappten auf und zu und seine Hände formten Figuren vor dem Körper. Gänzlich unauffällig, damit die Menschen um ihn herum nicht argwöhnisch wurden.

      „Brennen! Brennen! Brennen!“

      „Soll die Hexe! Hexe! Hexe!“

      „BRENNEN! BRENNEN! BRENNEN!“

      „SOLL DIE HEXE! HEXE! HEXE!“

      Verächtlich beobachtete Alexa den schreienden Pöbel, der sich um sie drängte. Dumm waren sie alle, ja, so dumm. Sie warf einen letzten Blick in Richtung Strobel. Plötzlich sah sie, wie Meldec Schrawak seine Bewegungen abbrach und sich sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. Er krümmte sich, die eine Hand auf dem Bauch. Strobel schaute hinter sich, kaum dass er Alexas erschrockenen Ausdruck wahrgenommen hatte. Mit kaltem Entsetzen sah er, was er angerichtet hatte. Eine seiner ungeschickt ausgeführten Bewegungen hatte dem Meister ungewollt einen schmerzhaften Bannstrahl aus seinem Stab entgegengeschleudert. Panik überkam ihn. Das war das Schlimmste, was er hatte tun können! Gegen einen mächtigen Hexenmeister vorzugehen, auch wenn es unbeabsichtigt geschehen war, war das Folterurteil schlechthin. Jetzt galt nur eins: Rennen! Und zwar so weit weg wie möglich!

      „Eselsdreck!“, fluchte er. Er versuchte unbeholfen, in der Menschenmasse zu verschwinden, wobei er ein altes Mütterchen streifte, das schwer an einer Kiepe mit Reisig zu tragen hatte. Er wusste, dass es ihm letztendlich nichts half, denn der Meister würde ihn jederzeit und überall finden, aber die nackte Angst, die ihn plötzlich im Griff hatte, war mächtiger als jeder vernünftige Gedanke. Er wollte nur fort vom Meister und musste gleichzeitig Alexa vom Scheiterhaufen retten. Das war ein schier unmögliches Unterfangen. Inmitten seiner hysterischen Gedanken vergaß er die Ferkel, die aufgrund eines Bannzaubers nicht von ihm gewichen waren. Er machte einen Schritt nach vorne, starrte entsetzt auf das kleinste Ferkelchen, versuchte ihm auszuweichen, stolperte, reckte hilflos den Stock in die Luft und knallte laut fluchend in ganzer Länge auf den von Schweinehäufchen und Dreck übersäten Boden – mit dem Gesicht zuerst. FLATSCH!

      Die Umstehenden brachen in grölendes Gelächter aus und spotteten: „Glaubst wohl, das Hexenweib hat dich in ein Schwein verhext, was?“

      Für einen kurzen Moment hatte Strobel jedes Gefühl für die Wirklichkeit verloren und fragte sich, was er eigentlich in diesem Unrat suchte, bis ihm Alexa wieder einfiel. Ungeschickt kam er auf die Füße, aber bevor er seine Hände für eine erneute Beschwörung heben konnte, stellte er fest, dass etwas Ungewöhnliches geschehen sein musste.

      Er sah in die verdutzten Gesichter der umstehenden Menschen, deren Münder sperrangelweit offen standen.

      Er blickte zum lichterloh brennenden Scheiterhaufen.

      Und dann sah er es auch: Alexa war nicht mehr da!

       Die Ankunft

      Alexa wusste selbst nicht, wie ihr geschah.

      Hatte sie nicht eben noch Strobel alberne Verrenkungen machen sehen, als ob ein Puppenspieler seinen Schabernack mit ihm trieb? Wie an Fäden gezogen ruckte und zuckte Strobel auf der Stelle, bis sie ihn nicht mehr sah, als ob die Erde ihn geschluckt hätte, und dann packte sie ein mächtiger Sog, der sie hinausschleuderte in das unendliche Weltenfirmament und ihr jedes Gefühl für Raum und Zeit nahm.

      Es hämmerte in ihrem Kopf. Sternchen tanzten vor ihrer Nasenspitze. Sie hatte Mühe, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Wie eine schwarze Hand schien etwas nach ihr zu greifen und sie drehte sich hastig um, denn wer anders als Schrawak hätte die Macht, sie in dieses Nichts zu stoßen und wieder herauszuholen. Aber hinter ihr war keine Hand, nur dieses Gefühl, von einem tosenden Wirbel erfasst worden zu sein. Und trotzdem war ihr, als ob sich eine beklemmende Stille wie eine Decke auf sie gelegt hätte.

      So ist es noch nie gewesen, dachte sie, bemüht, ihre Umgebung zu erfassen. Angst hatte sie nicht, denn viele Male war sie nun schon von einem Platz zum anderen geflogen, ob mit Besen oder ohne, aber es war immer anders vor sich gegangen, schneller und ruhiger, nicht mit einem solchen Sog wie jetzt. Es schien kein Ende nehmen zu wollen und Alexa wurde schlecht.

      Von all den Hexenlehrlingen war sie immer die Reiselustigste gewesen, die nie aufhörte zu lachen, auch wenn der Sturm sie über die Wolken hinwegriss und wieder zu Boden schleuderte. Sie war eine talentierte Hexe. Die beste, hätte man ihr noch etwas mehr Zeit zum Wirken gegeben, aber das hier ...?

      RRRRAAGZZZ!,

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