Alexa und das Zauberbuch. Astrid Seehaus

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Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus

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die Leute lieb und fleißig sind. Strobel, ach Strobel, könnte nicht alles wieder so sein wie vorher!“

      Sie schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass sie nur träumte. Aber dem war nicht so. Die Eisenfurchen waren immer noch da, so böse sie sie auch anstarrte. Und wenn sie da waren, dann hatte es auch den Drachen gegeben. Und wenn es den Drachen gegeben hatte, dann war das hier ein gefährlicher Ort … ein sehr gefährlicher Ort …

      Flüsternd stieß sie hervor: „Warum nur unterzieht mich Meister Schrawak einer solch harten Prüfung?“

      Alexa schaute sich um. Rundherum sah es öde aus. Grau und trist erhoben sich links und rechts und vor ihr riesige Steinkästen. Was waren denn das für komische Steinklötze mit den vielen schwarzen Löchern, als wenn jemand mit einem Stock ein Muster in weichen Lehm gebohrt hätte? Häuser, in denen Menschen lebten? Tja, so etwas konnte sich wohl nur der Teufel selbst ausdenken, dass seine ehrenwerten Höllengäste in grauen Steinen wohnen sollten. Gewiss, so übel konnte es auch wieder nicht sein, denn auf manchen Bergen sah es ebenso kalt und trostlos aus, und da fühlten sich einige Gewitterhexen ganz wohl.

      Ihr war es gleich. Nur ein einziger Gedanke bewegte sie noch: Wo sollte sie jetzt bleiben?

      Sie schaute zum frühmorgendlichen Himmel. Er schien einen schönen Tag zu verheißen, wenn sie es nicht besser wüsste. Denn in der Hölle, dem Ort der ewigen Finsternis, gab es keinen Tag, würde es niemals Tag werden. Hier würde man nie wieder die Sonne aufgehen sehen. Und das war für die junge Hexe eine sehr traurige Vorstellung.

       Ein neuer Tag

      Als Alexa aufwachte, hörte sie nur Blätterrauschen. Sie wähnte sich in Hasenwinkel, in dem Dorf am Weiher, das ihr mit seinen windschiefen, strohgedeckten Häuschen der liebste Ort von allen war.

      Genießerisch beugte und streckte sie sich und gähnte herzhaft. Trotz eines furchtbaren Traums, der sich wie ein Warzenalb auf sie gelegt hatte, war ihr Schlaf tief und fest gewesen. Sie hatte von einem Feuer und von Strobel geträumt, und der Hölle, in der sie sich plötzlich befand, und von kreischenden Menschen, die sie würgten und an ihr rissen. Als sie an das Gesöff dachte, bei dem sie fast Feuer gespuckt hätte, kicherte sie.

      Langsam arbeitete sie sich durch das Blätterdach und stellte fest, dass die Sonne schien. Die Strahlen kitzelten ihre Nase und ließen ihr Herz hüpfen. Sie glaubte sich auf ihrem Lieblingsbaum in Hasenwinkel. Als sie jedoch einen freien Blick durch eine Astgabel hatte, kam ihr die Umgebung doch äußerst befremdlich vor.

      Sie stutzte. Hatte sie letzte Nacht etwa doch nicht geträumt?

      Sie kniff die Augen zu und atmete tief ein und wieder aus. Das sollte helfen, wenn man dabei war, den Verstand zu verlieren. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen wieder. Erst das linke, dann das rechte. Aber alles sah noch genauso aus wie vorher. Es hatte sich nichts geändert. Der Weiher, ihr Lieblingsort, lag trist und kahl unter ihr. Kein Röhricht, das wie ein schützender Umhang seine Ufer säumte, in dem sich die Entenküken vor dem Fuchs verstecken konnten. Kein gelber Sumpfdotter oder rosa angehauchte Schwanenblumen, deren Blüten wie Schmetterlinge über dem Wasser schwebten. Alles fort. Die Wiese war kurz geschoren und sah völlig verbrannt aus, als ob eine Feuersbrunst darüber hinweggefegt wäre. Die vielen kleinen Trampelpfade, die sie stets mit Lust bewandert hatte, waren breiten, grauen Wegen gewichen und lockten nicht zu neugierigen Ausflügen. Sie lugte vorsichtig nach unten. Direkt unter ihr, auf einer Bank, sah Alexa jemanden sitzen und in einem Buch lesen. Es war ein Mädchen, vielleicht so alt wie sie. Sie schien alles um sich vergessen zu haben, so vertieft war sie in ihre Lektüre.

      Ob sie eine Hexenschwester war?

      Alexa schüttelte den Kopf. Das Mädchen sah nicht aus wie eine Hexe. Eher wie eine Tochter aus gutem Hause.

      Sie blinzelte in die Sonne. Es war früh am Morgen und versprach, wieder heiß zu werden. Sollte sie sich hier im Verborgenen halten und abwarten, was diese Fremde da unten tat, oder sich ihr vorstellen und hoffen, dass sie ihr erklären konnte, was mit ihrem Dorf passiert war?

      Das Mädchen könnte es möglicherweise wissen, denn es sah sehr gelehrt aus mit diesen Gläsern auf der Nase.

      Die junge Hexe schaute sich noch einmal um. Von den Häusern des Dorfes war nichts zu sehen. Der Weiher mit seinem trübgrünen Wasser, der vertrocknete Rasen, die Bäume und Büsche, deren Blätter sich eingerollt hatten, alles machte einen trostlosen Eindruck. Es gab nur eine Erklärung für die Verwüstung ihrer geliebten Heimat. Das mit der Hölle, das musste sie geträumt haben – sie befand sich ganz offensichtlich nicht am Ort ewiger Finsternis –, aber vom Lindwurm, diesem feigen Biest von Drache, von dem hatte sie nicht geträumt, den hatte sie wirklich gesehen. Und die Menschen, die in seinem feurigen Bauch gefangen waren, waren womöglich ihre Leute. Und ihr Dorf, das hatte er, der Lindwurm, dem Erdboden gleichgemacht.

      Unfassbar! Absolut unfassbar!

      In ihr sträubte sich alles, aber dann kam ihr eine Idee. Hatte Meister Schrawak sie womöglich nicht nur vor dem Scheiterhaufen gerettet, was lange genug gedauert hatte, sondern auch noch vor diesem Ungeheuer? Hatte er deswegen so lange gezögert, sie von einem Ort zum anderen zu hexen, weil er sie nicht in weitere Gefahr bringen wollte? Hätte er sie zu früh aus dem Kerker, in dem sie bis zur Urteilsvollstreckung hatte ausharren müssen, fort zu ihrem geliebten Weiher geschickt, dann wäre sie möglicherweise dem todbringenden Feuer des Drachens ausgeliefert worden. Sie lächelte. Ihr guter Meister Schrawak hat sie zwei Mal gerettet.

      Das Mädchen auf der Holzbank bewegte sich und zog erneut Alexas Aufmerksamkeit auf sich. Jetzt war die Gelegenheit herauszufinden, ob ihr Dorf vernichtet worden war und wer es getan hatte. Nach einem kurzen Fingerschnippen saß sie auf der Rückenlehne der Bank und linste dem Mädchen neugierig über die Schulter. Sie hatte Alexa nicht bemerkt. Ihr kinnlanges Haar fiel nach vorne in ihr rundes Gesicht. Die großen Gläser, zusammengehalten von einem Drahtgestell, drohten von ihrer zierlichen Nase zu rutschen. Ihr Mund war breit und bewegte sich ständig. Nervös flüsterte sie einzelne Worte vor sich hin.

      Alexa hörte ihr zu, verstand jedoch nichts von dem, was ihre Sitznachbarin murmelte. Sie betrachtete das geheimnisvolle Buch. Die Bilder faszinierten sie. Interessant sah das Städtchen auf dem Bild aus, wie ihre Stadt Salzbrunne. Sie wollte schon etwas Freundliches sagen, als die andere eine Seite umblätterte und Alexa erschrocken aufmerkte. Es war nur eine kleine, unscheinbare Zeichnung, die sie schockierte. Eine Zeichnung, die nicht von der Hand eines großen Künstlers stammte, sondern so einfach war, als ob ein Kind sie gekritzelt hätte. Aber das, was darauf zu sehen war, machte Alexa höllische Angst. Sie sah eine Frau, die an Händen und Füßen gefesselt in einem Fluss versank. Alexa wusste sofort, was das zu bedeuten hatte: Diese Zeichnung war das sichtbare Zeugnis einer Hexenprobe. Ohne lange nachzudenken, schnippte Alexa sich hinter den Baumriesen, auf dem sie geschlafen hatte. Der dicke Stamm verbarg sie vollständig.

      Sie wartete.

      Dann, zögerlich, beugte sie sich vorsichtig zur Seite und beobachtete misstrauisch diese fremde Gestalt auf der Bank. Genau in diesem Augenblick hielt das Mädchen mit Lesen inne und drehte sich um. Als sie niemanden hinter sich sah, schüttelte sie den Kopf und widmete sich wieder der Lektüre.

      Alexas Gedanken schlugen Purzelbäume. Sollte dieses Mädchen da vor ihr wirklich – wirklich und wahrhaftig eine Hexenjägerin sein?

      Sie stöhnte leise auf. Wenn sie das war, und zwei Mal fiele sie ganz bestimmt nicht auf die Hexenjäger herein, musste diese Person da gebannt werden, damit sie keine Gefahr mehr darstellte. Und zwar, bevor Schaden angerichtet werden konnte.

      Sie

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