Dr. Love und die schüchterne Forelle. Michael Bresser
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»Blockwatt?«
Ich nehme einen letzten Zug und trete die Zigarette im Gras aus. »Blockierreiz. Wenn ich eine attraktive Frau sehe, setzt mein Verstand aus. Kennst du doch.«
»Klar, das geht vielen Männern so. Aber wenn das eine Professorin ist – nee, das verstehe ich nicht. Sie prüft dich doch nur. Ist das nicht egal, wie sie aussieht?«
Ich stöhne inner- und äußerlich. »Theoretisch ja, praktisch nein. Ich denke bei gut aussehenden Frauen nur daran, für was für einen gnadenlosen Versager sie mich halten müssen.«
»Alter Falter, ich habe noch keine Frau kennengelernt, die beißt. Außer ich will es. Was stört es dich, was die von dir denkt. Je cooler du bist, desto mehr fliegen die Damen auf dich.« Ein Brüllen tönt durch den Hörer. »Entschuldigung, eine innere Beklemmung musste raus. Kommt von der Chemie. Scheiß Medikament. Das werden die nie auf den Markt bringen. Das schwör ich dir.«
»Für mein Studium zahlt man mir ohne Abschluss keinen Cent«, sage ich frustriert.
Tobias röchelt wieder. »Es zählt doch, was du weißt, nicht welches Etikett auf dir klebt. Oder?«
Dieses Psychogeschwätz mag ich nicht, vor allem, wenn es um mich geht.
»Ohne Magister kein Volontariat. Da nützen dir auch Tausende Artikel über Lütje-Lage-Besäufnisse auf dem Schützenfest nix. Aber was soll es. Ich kann da momentan nichts ändern.« Ich kicke gegen eine leere Fantadose.
»Ist klar, dass du fertig bist. Aber wir überlegen uns was gemeinsam wegen Job und so. Auch wegen Frauen. Vielleicht mit Ali. Du wirst sehen, bald sieht die Welt anders aus.«
Ali Gethmann ist wie Zorro ein Kumpel aus der Schulzeit. Allerdings hat er sein BWL-Studium im Gegensatz zu mir mit Bravour gemeistert. Gleich nach dem Studium hat er eine Unternehmensberatung für Existenzgründer eröffnet. Und die läuft blendend. In Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrisen bleibt vielen Leuten nichts anderes übrig, als den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Und dabei sie unterstützt Ali. Gut, wie ich glaube.
»Schön, dass du an mich glaubst.« Ich fühle ich mich etwas getröstet. »Ich gehe jetzt zum Geburtstag meiner Mutter. Da habe ich heute besonders große Lust drauf.«
»Ich würde mir einen verlöten. Dann vergisst du den Uni-Mist. Ich horche jetzt an der Matratze und hoffe, dass ich nicht im Schlaf röchele. Sonst steht Opa Pflüger vor der Tür.«
Opa Pflüger, Vorname Gerd-Hugo, ist der Nachbar über unserer Zweier-WG. Uns ist es jeden Tag ein Rätsel, welche Mütter solche Söhne gebären. Obwohl unsere Mietskaserne am Pfarrlandplatz um die Jahrhundertwende gebaut wurde, hört man jedes Husten in den Nachbarwohnungen. Das ist prickelnd. Wenn der Lautstärkepegel in unserer Wohnung den der Unibibliothek erreicht, kann man Gift nehmen, dass Gerd-Hugo mit dem Besen auf unsere Decke schlägt. Er scheint den ganzen Tag nur darauf zu lauern, Geräusche in unserer WG wahrzunehmen. Läuft einmal Musik bei uns – zugegeben, sie läuft ziemlich oft –, wummert er gegen unsere Wohnungstür und brüllt irgendwas von Ruhestörung, Adolf Hitler und Lagern, in die Leute, wie wir gehörten würden. Das war anfangs lustig, mittlerweile nervt es nur. Wir hoffen, dass ein glücklicher Zufall uns von diesem Mitbewohner befreit. Warum kann er nicht im Lotto gewinnen und zieht auf die Kanaren?
Meine Eltern wohnen im Zooviertel. Das ist eine nette Gegend, in der gut betuchte Menschen und welche, die so wirken wollen, ihr stilvolles Leben zur Schau stellen. Ehe Neid aufkommt: Meine alten Herrschaften gehören dem bürgerlichen Mittelstand an. Beide waren Lehrer. Diese Berufsgruppe kann sich ein eigenes Haus in dieser Wohngegend normalerweise nicht aus eigenen Kräften leisten. Allerdings gehört meinem Opa Günter die SMB, was Singer Maschinen Bau bedeutet. Er hat nach dem Krieg begonnen, Maschinen für die Autoindustrie herzustellen. Aus der Rumpelbude in Hannover-Lahe wurde ein Unternehmen, das Wertarbeit made in Germany bis nach Japan und Amiland exportiert. Mittlerweile ist es auch in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ich habe mich genau wie mein Vater nie besonders für Maschinen, Autoproduktion und Devisengewinne interessiert. Sehr zum Ärger meines Opas. Er hält meinen Vater nach wie vor für einen missratenen Nichtsnutz, der es zu nichts im Leben gebracht hat. Dennoch hat er meinen Eltern zur Hochzeit die Gründerzeitvilla in der Nähe der Eilenriede, dem Hannöverschen Stadtwald, geschenkt. Da hat er sich wirklich nicht lumpen lassen. Ich habe das efeuumrankte Haus immer sehr geliebt, wusste aber, dass ich mir später nichts Vergleichbares würde erlauben können. Es sei denn, mir würde es geschenkt.
Ich klingele. Mama öffnet. Sie geht mir bis zur Brust, ihre früher brünetten Haare strahlen heute grau. Die warmen braunen Augen weiten sich vor Freude, mich zu sehen. Ich liebe meine Mutter. Wenn ich Komplexe im Umgang mit Frauen habe, liegt das nicht an ihr.
»Gerhard, der Junge ist da. Lass dich umarmen. Erzähl doch, wie war die Prüfung?«
Mein Vater taucht ebenfalls in der Diele auf. Er ist gut einen halben Kopf größer als meine Ma. Über einem karierten Hemd trägt er eine Lederweste. Ein wilder Bart ist das Relikt der Studienzeit. Mein Pa war nämlich Achtundsechziger und ist stolz drauf. Ich finde es superpeinlich, dauernd von in der Jugend angezettelten Revolutionen zu palavern und wie ein Spießer zu leben. Links reden, rechts streben. Aber er ist pensioniert. Da stört sich keiner an seinem Gerede. Ansonsten ist er ein netter Kerl. Nur ziemlich schräg.
»Hallo, Mama. Alles Gute zum Geburtstag.« Ich hole den Blumenstrauß hinter dem Rücken hervor, den ich vorhin auf der Georgstraße gekauft habe.
»Timo«, sagt sie, »Timo, das wäre doch nicht notwendig gewesen.« Aber in ihren Augen sehe ich, dass sie sich freut.
»Nein, nicht notwendig«, schaltet sich Vater ein. »Geschenke fördern den kapitalistischen Konsum. Ingrid und ich machen diesen Mumpitz nicht mehr mit und schenken uns seit Jahren nichts mehr. Das weißt du doch.«
»Ja, aber manchmal freut sich eine Frau über kapitalistischen Mumpitz«, sagt Mama, und ihre Augen schimmern feucht.
»Ja«, sagt Vater nun doch eine Spur verlegen. »Manchmal schon, in der Regel nicht. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Das ist das Prinzip von Regeln. Es gibt immer Ausnahmen. Und so eine Ausnahme sind heute deine Blumen. Das hast du gut abgepasst, Timo. Respekt. Ich bin dennoch froh, dass wir nicht alle diese korrupte Floristikindustrie bereichern. Wusstet ihr, dass viele Blumen in Drittweltländern von Kindern gepflückt werden? Das habe ich neulich gelesen. Die Leute schaffen sich dort ein Dutzend Sprösslinge an, damit diese durch ihre Arbeit auf den Blumenfeldern die Familie ernähren können. Und bei uns tun die Leute so, als freuten sie sich darüber. An das Leid denkt niemand. Aber heute ist es in Ordnung, Mama freut sich.«
»Ich freue mich wirklich, Timo«, beteuert Mama. Wahrscheinlich versteht sie Pas Gequatsche genauso wenig wie ich.
Im Grund ist er ein lieber Kerl, aber das versteckt er gut.
»Erzähl doch. Wie war die Prüfung? Bist du jetzt ein Herr Magister?« Mutter drückt mich erwartungsvoll am Arm. »Hast du mit ›Eins‹ bestanden? Weißt du, eine Drei oder Vier würde auch reichen. Fühl dich nicht unter Druck gesetzt«, plappert sie aufgeregt.
»Zensuren sind ein Überbleibsel vergangener Systeme, wo wir froh sein sollten, dass sie ausgestorben sind. Es ist eine Schande, dass Schüler und Studenten heute noch immer bewertet werden. Wie vor hundert Jahren«, weiß mein Vater.
»Wenn mich nicht alles täuscht, hast du deine Schüler auch zensiert