Die Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen 2. Heiko Schrang
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„Durch ihre Unglaubhaftigkeit
entzieht sich die Wahrheit dem Erkanntwerden.“
(Heraklit von Ephesos um 500 v. Chr.)
Von Seiten der Medien und der Politik wurden die Attentate, die durch die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle verübt worden sein sollen, als eines der schlimmsten Verbrechen der letzten Jahre in Deutschland hochstilisiert. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel äußerte sich in diesem Zusammenhang wie folgt: „Es ist eine der ganz großen Schanden dieser Republik.“ Allgemein bekannt wurde diese Organisation unter dem Namen NSU (‚Nationalsozialistischer Untergrund‘) und sie soll für die Mordserie an ausländischen Kleinunternehmern, den Tod einer Polizistin und für zahlreiche Banküberfälle verantwortlich gewesen sein.
Im Freistadt Sachsen gab es aber nach der Wende Vorfälle, die so ungeheuerlich waren und den Glauben an den Rechtsstaat erschüttern sollten, von denen jedoch in den Medien - im Gegensatz zur NSU - so gut wie gar nichts berichtet wurde.
Es ging um ein Netzwerk mit mafiösen Strukturen, Kinderprostitution, illegale Grundstücksgeschäfte und darin mutmaßlich verwickelte, also erpressbare Politiker, Juristen, Geheimdienstmitarbeiter und Polizisten im Raum Leipzig. Die Rede ist zudem von Prostituierten, die namhaften Spitzenbeamten im Leipziger Rathaus zu Diensten gewesen sein sollen.[52]
Bekannt wurde dies unter dem Namen: „Sachsensumpf“. Sieben Jahre lang ermittelte ein Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtags wegen Verdachts einer Staatsaffäre ungeheuren Ausmaßes. Diese Affäre war im Mai 2007 durch Bekanntwerden einer Datensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes ausgelöst worden. Die Daten bezogen sich auf angebliche kriminelle Netzwerke mit Beteiligung hochrangiger Juristen.
Die in dem Dossier aufgelisteten Vorwürfe wiesen auf einen schweren Fall von organisierter Kriminalität hin, in dem – ähnlich wie im Fall Dutroux in Belgien[53] – führende Vertreter von Justiz, Politik und Polizei in Kinderprostitution verwickelt worden sein sollen.[54]
Die spektakuläre Geschichte um mafiöse Machenschaften in Leipzig und andern Orten im Land Sachsen begann mit der Wiedervereinigung. Zu dieser Zeit boomte in Leipzig das Baugeschäft und jeder wollte eine Scheibe vom großen Kuchen abhaben.
Einer, der nach der Wende massiv Einblick in das Geschäftsgebaren der Immobilienbranche hatte, war Dr. Martin Klockzin.
RÜCKÜBERTRAGUNG MIT FOLGEN
Dr. Martin Klockzin, Jurist aus Soest in Westfalen, war als Chefjustitiar bei der ‚Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft‘ (LWB) zuständig für Rückübertragung von Grundstücken an Alteigentümer.
Am 17. 0ktober 1994, kurz nach 23:00 Uhr, klingelte es in Leipzig an seiner Tür. Als er öffnete, fielen plötzlich Schüsse aus einer 9-mm-Pistole. Der Attentäter schoss dreimal und verschwand. Klockzin, damals 35 Jahre alt, überlebte das Attentat nur schwer verletzt.
Erst fünf Jahre später, genauer gesagt 1999, kam der Chef des Kommissariats 26, Georg Wehling, den Hintermännern des Mordversuchs an Klockzin auf die Spur. Er überführte die mutmaßlichen Drahtzieher, zwei Immobilienhändler, Schmid und Schneider, aus Bayern. Sie wollten nach eigener Aussage Klockzin lediglich eine "Abreibung" verpassen lassen, da er ihnen bei einem Gebäudeverkauf im Weg gestanden hatte.[55]
Die Strafe für die Immobilienhändler fiel, gemessen an der Schwere der Tat, erstaunlich gering aus. Sie kamen lediglich mit einer Spende von 2.500,00 Euro an den ‚Weißen Ring‘ davon.[56] Es kamen Gerüchte auf, dass das Urteil nur deshalb so glimpflich für die Angeklagten ausgefallen war, weil diese zu viel wussten und sich so ihr Schweigen hatten bezahlen lassen.
Noch während den Drahtziehern der Prozess gemacht wurde, tauchten im sächsischen Landeskriminalamt überraschend 22 Aktenordner zu diesem Fall auf. Doch der damalige Leipziger Oberstaatsanwalt Norbert Röger behauptete, sie enthielten kein belastendes Material.
Er ist einer der wenigen Beschuldigten, dessen Name öffentlich im Zusammenhang mit der Affäre genannt wurde. Gegen ihn liefen nämlich diverse Vorermittlungen und sogar ein Disziplinarverfahren. Es ging unter anderem um massive Vorwürfe wie Strafvereitelung im Amt und dubiose Kontakte zur Rotlichtszene. Interne Aktenvermerke schienen zum damaligen Zeitpunkt Röger zu belasten und die Linkspartei nannte ihn einen "Teil des Leipziger Filzes". Er habe Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität blockiert.[57] Die Vorwürfe taten seiner Karriere aber keinen Abbruch: Norbert Röger wurde im Jahre 2007 Präsident des Amtsgerichts in Chemnitz[58].
An vorderster Front im Kampf gegen die organisierte Kriminalität im Leipzig der 90er-Jahre stand Georg Wehling.
GEORG WEHLING – WIE DER VERFOLGER ZUM VERFOLGTEN WURDE
Kommissar Wehling galt unter Berufskollegen als besonders gründlicher Ermittler. Im Zusammenhang mit dem Fall Klockzin stieß er auf alte Hinweise zum Kinderbordell ‚Jasmin‘, das 1993 für Schlagzeilen gesorgt hatte.[59] Wehling gab seinen Beamten daraufhin die Anweisung, sich die alten Akten zum Fall ‚Jasmin‘ noch einmal anzuschauen. Dabei stellten sie fest, dass niemals nach den Freiern gefragt worden war. Nun beschlossen sie, die Frauen erneut zu vernehmen.[60] Die ehemaligen Zwangsprostituierten Trixi und Mandy wollten auf Lichtbildern unter anderem Klockzin, Schneider und Schmid als Kunden erkannt haben.[61] Das war im Jahr 2000.
Wehling ermittelte weiter und stieß auf ein zweites Kinderbordell. Im Frühjahr 2002 verfolgte der Kommissar wieder eine heiße Spur, es ging um Kinderhandel und sexuellen Missbrauch. Ein Pädophilenring betrieb ein Kinderbordell in der Leipziger Slevogtstraße, den ‚Club Rose‘.[62] Dort sollen aus Tschechien eingeschleuste Sinti- und Roma-Jungen zur Prostitution gezwungen worden sein.
Als Wehling monatelang das Bordell beobachtete und schließlich zuschlagen wollte, waren die Räume jedoch leer. Da die Einzigen, die von dem Zugriff wissen konnten, Staatsanwalt und Richterschaft waren, mussten die Zuhälter einen Tipp bekommen haben. Jetzt passierte das Unfassbare für die Ermittler: Kurz nach dem verpatzten Zugriff, im Herbst 2002, kam es zu einem Sturm auf das Kommissariat von Wehling durch das LKA mit 60 Mann. Genau zur der Zeit als Wehling und seine Kollegen einem Geflecht krimineller Netzwerke und Grundstücksspekulationen auf der Spur waren. Zur selben Zeit arbeitete Norbert R. bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig.[63]
Der Chef der renommierten Truppe ‚K 26‘, Georg Wehling, wurde anschließend vom Dienst suspendiert, die Verdächtigung lautete auf Strafvereitelung im Amt und uneidliche Falschaussage. Er bestritt die Vorwürfe und witterte eine Intrige. Erst vier Jahre später wurde Wehling freigesprochen. An seinen früheren Arbeitsplatz aber kam er nicht zurück, stattdessen wurde er in die Kriminaltechnik versetzt, wo er die Fingerabdrücke von Kriminellen analysieren durfte, die er früher gejagt hatte.[64]
Aber neben den Ermittlern interessierten sich zwischenzeitlich auch Journalisten für diese Machenschaften.
KENNZEICHEN D – EIN BEITRAG MIT FOLGEN
Am 24. Januar 1996 sendete das ZDF in seinem Magazin ‚Kennzeichen D‘ den Beitrag des freien, investigativen Journalisten Heinz Fassbender. Nach seinen intensiven Recherchen berichtete er über den skandalösen Umgang von Angestellten