Crescendo bis Fortissimo. Manfred Eisner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Crescendo bis Fortissimo - Manfred Eisner страница 3

Crescendo bis Fortissimo - Manfred Eisner

Скачать книгу

wobei der Brei darin überzuschwappen droht. Währenddessen gibt Clarissa dem Baby auf ihrem Schoß die Milchflasche.

      „Oliver! Hör bitte auf, in deinem Brei herumzustochern. Mit dem Essen darf man nicht spielen.“ Clarissa spricht ihren Verweis in einer ruhigen, versöhnlichen Stimme aus.

      Oliver hebt seinen Blick von der Schüssel und sieht Heiko in der Tür stehen. Seine blauen Äugelein strahlen vor Freude und er fuchtelt wild mit dem Löffel in der Luft herum, während er gleichzeitig in seiner Kleinkindersprache in hohen Tönen quiekt.

      Verwundert blickt sich Clarissa um. Mit einem warmen Lächeln begrüßt sie ihren Mann, der auf das Trio zueilt und jeden von ihnen zärtlich umarmt und küsst. Heiko nimmt Oliver den Löffel aus der Hand und füttert ihn geduldig, bis er seinen Brei aufgegessen hat.

      Unterdessen berichten sich die jungen Eltern gegenseitig von ihrem Tagesablauf. Während er Clarissa zuhört, denkt Heiko, dass sie sich seit jenem Frühlingsabend vor vier Jahren, an dem ihr endlich ihre Liebe zu ihm bewusst wurde, äußerlich kaum verändert habe. Sicherlich, sie ist inzwischen reifer geworden, aber die zweimalige Mutterschaft hat weder ihrem Gesicht noch ihrer Figur nachteilige Veränderungen zugefügt. Sie ist noch genau so erfrischendnaiv-aufrichtig-bildhübsch wie damals, gesteht sich Heiko mit Bewunderung ein.

      „Ich war heute mit den Kindern zu Besuch im Herrenhaus“, erzählt Clarissa. „Der Papa und die Mama haben sich sehr gefreut. Tante Therese kam später auch noch dazu. Sie alle lassen dich grüßen.“

      „Danke für die Grüße. Ich habe euch aus dem Fenster meines Arbeitszimmers gesehen. Der beeindruckende Konvoi zweier Kinderwagen unter Führung eines bezaubernden Kommodores entging nicht meiner Aufmerksamkeit.“

      Von Heikos Bürofenster in der Backwarenfabrik blickt man direkt auf das Herrenhaus der Familie von Steinberg. Dieses gehört allerdings schon seit einigen Jahren Heiko. Er löste damals mit einem Teil des von Onkel Suhl geerbten Geldes eine fällige Hypothek ab und konnte somit seinen zu der Zeit noch zukünftigen Schwiegereltern – gleichzeitig Großonkel und Großtante – ihr Heim erhalten.

      Clarissa nimmt das Kompliment ihres Mannes mit einem Lächeln an. Während sie das Baby halb über ihre Schulter hält, klopft sie rhythmisch und zart auf dessen Rücken. Elisabeths wiederholtes, lautes Aufstoßen bestätigt der Mutter die Wirksamkeit dieser Methode, die ihr Sanitätsrat Dr. Schmitthofer zur Entfernung der lästigen Luft aus dem Babybäuchlein empfohlen hat. „Und wie war dein Arbeitstag, mein Liebling?“

      „Nichts Ungewöhnliches, alles Routine. – Hast du heute schon die Zeitung gelesen?“

      „Ja, aber nur oberflächlich. Ich ...“ Abrupt unterbricht Clarissa den angefangenen Satz, als Silke in der Tür erscheint. Sie steht auf und hebt spielerisch ihr Baby in die Luft. „... bringe jetzt die Kinder ins Badezimmer und danach geht’s ab in die Heia! Silke, bringen Sie bitte Oliver mit?“ Im Vorbeigehen küsst Clarissa ihren Mann rasch auf den Mund und ist danach auch schon aus der Küche verschwunden. Silke folgt ihr mit Oliver auf dem Arm. Der Bub protestiert laut und wirbelt mit seinen Ärmchen wild in der Luft herum.

      Nach einem kurzen Augenblick erlischt Heikos Lächeln, das sich durch Clarissas überraschende Liebkosung auf seine Lippen geschlichen hatte. Seufzend setzt er sich wieder an den Küchentisch und rührt gedankenverloren mit dem Kinderlöffel in Olivers leerer Breischüssel. So weit sind wir also schon gekommen, gesteht er sich verbittert ein. Man kann seine Gedanken nicht einmal mehr im eigenen Heim offen zum Ausdruck bringen. Jeder hat – ja, jeder muss vor jedem Angst haben. Man redet zwar nicht offen darüber, aber man weiß, was mit jenen passiert ist, die es gewagt hatten, das zu sagen, was sie dachten. Sie verschwanden plötzlich und man hat die meisten von ihnen nicht wieder gesehen. Und die wenigen, die zurückgekommen sind, schweigen sich aus.

      * * *

      Heiko und Clarissa sitzen im Esszimmer. Silke hat soeben den Tisch abgeräumt und verlässt, vollbeladen mit Tellern und Besteck, den Raum. Während des Abendessens ist keine richtige Unterhaltung zwischen den beiden zustande gekommen, sie haben die meiste Zeit nur schweigend gegessen.

      Besorgt sieht Clarissa ihren Ehemann an. „Was hast du, Heiko? Du siehst so bedrückt aus. Ist etwas passiert?“

      Heiko blickt vielsagend in Richtung Tür. „Jetzt nicht – später!“ Er nimmt sich zusammen und versucht, seine Frau mit einem Lächeln zu beruhigen. Er greift nach ihrer Hand, und nachdem Clarissa ihm diese überlassen hat, streichelt er sie liebevoll, versinkt aber schon nach einigen Sekunden abermals in seinen Gedanken.

      „Möchtest du noch etwas, Heiko?“

      „Nein, Prinzessin, vielen Dank. Wollen wir nicht hinübergehen?“

      In ihrer Kindheit spielten sie mit ihren Spielkameraden oft „Entführung der Prinzessin“. Heiko, Anführer der Bande und damals ein ziemlich rüder und eigensinniger Einzelgänger, verlieh Clarissa den wenig schmeichelhaften Namen „Prinzessin der madigen Erbse“, worüber sie verständlicherweise sehr enttäuscht war, hatte sie sich doch einen viel wohlklingenderen Namen erhofft. Noch in den Jahren danach sprach Heiko Clarissa immer dann mit „Prinzessin“ an, wenn er sie bewusst ärgern wollte. Nach ihrer Verlobung und der Hochzeit wurde daraus jedoch ein Kosename.

      Beide stehen auf und gehen Hand in Hand ins Wohnzimmer, in dem ein loderndes Kaminfeuer dazu einlädt, sich gemütlich niederzulassen. Der geräumige Salon ist mit dunkel gebeizten Möbeln im neuen Renaissancestil ausgestattet. Vor dem Kamin stehen rund um einen passenden Sofatisch ein bequemes Sofa und drei große Sessel mit gewaltigen Löwentatzen als Füße. Genüsslich lässt sich Clarissa auf dem Sofa nieder und zieht ihren Mann an ihre Seite. Heiko legt seinen Arm um ihre Schulter und sie schmiegt sich an ihn.

      Als Heiko in das hellbraun getünchte Haus mit dem markanten Balkon umgezogen war, plante und verwirklichte er sehr sorgfältig und weitsichtig dessen Umbau. Boie Sötje, ein ehemaliger Schulfreund vom Gymnasium und Sohn des Inhabers des größten Baugeschäftes in Oldenmoor, stand damals kurz vor der Beendigung seines Architekturstudiums und unterstützte ihn mit Rat und Tat. Die Bauarbeiten führte die Firma Sötje aus.

      Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Aus dem alten und ziemlich heruntergekommenen Gebäude, das Onkel Suhl in seinem Einsiedlerleben sehr vernachlässigte, ist ein wohnliches, einladendes und komodiges Heim geworden, mit allen Raffinessen, welche die moderne Technik zu bieten hat: Spülklosett, Badezimmer, fließend kaltes und warmes Wasser – ja sogar ein elektrischer Herd mit Backröhre und ein Kühlschrank schmücken die Küche. Auch ein Fernsprecher ist nunmehr im Haus vorhanden. Das obere Geschoss, das vormals mit Ausnahme von Onkel Suhls Arbeitszimmer ungenutzt war, wurde ausgebaut. Neben den beiden Kinderzimmern befinden sich dort jetzt ein Gästezimmer, ein Zimmer für das Hausmädchen und ein kleines Badezimmer mit Dusche und Spülklosett.

      Heikos größte Freude an dem gelungenen Umbau ist die Tatsache, dass man dem Haus von außen nichts von den inneren Veränderungen ansieht. Das kunstvoll aus Eisen geschmiedete, grün lackierte Geländer des Balkons mit seinen wohlgeformten, weißen Schwänen thront an der Fassade und gibt dem Haus sein ganz besonderes Gepräge.

      Obwohl schon vier Jahre seit Heikos Einzug vergangen sind, wird dieses Haus in Oldenmoor immer noch „Harald Suhls Hus“ genannt. Darüber freut sich Heiko ganz besonders, weil die Menschen auf diese Weise seinem Gönner, dem lieben alten Spaßvogel, der so viele Oldenmoorer Bürger (natürlich ohne deren Wissen) mit seinen Pseudoweisheiten hinters Licht führte, so etwas wie ein Denkmal gesetzt haben.

      Alle diese und noch viele andere Erinnerungen wandern gerade durch Heikos Gedanken.

      „Was bedrückt dich, Deichkater?“,

Скачать книгу