Crescendo bis Fortissimo. Manfred Eisner
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Читать онлайн книгу Crescendo bis Fortissimo - Manfred Eisner страница 7
Ein Lächeln auf Clarissas Lippen verrät, dass sie auch heute noch über die Schelmereien Onkel Suhls amüsiert ist. In der Stadt hält man ihn immer noch in ehrenvollem Andenken. Der Papa hat vor Kurzem bemerkt, dass es sehr schade sei, dass es unter der heutigen Jugend Oldenmoors anscheinend keinen würdigen Nachfolger mit dem Wissen und der Weisheit Onkel Suhls gäbe.
Elf dumpfe Schläge der Standuhr im Wohnzimmer bringen Clarissa abrupt in die Gegenwart zurück. Sie steht auf, legt die Tagebücher in das sichere Versteck und eilt in die Küche, um für das Mittagessen zu sorgen.
3. Crescendo1
„Heil Hitler!“
Der mittelgroße, schlanke Mann mit blassem Gesicht und traurigem Ausdruck in den braunen Augen fährt mit einer knochigen Hand durch das schüttere Haar. Von seinem Schreibtisch aus blickt er mit Sorge und verunsichert auf die hünenhafte, in der braunen Parteiuniform gekleidete Gestalt, die sich am Türrahmen seines Arbeitszimmers zeigt und deren rechter Arm stramm in die Höhe ragt.
Mit der schwachen Andeutung eines „deutschen Gegengrußes“ und ein hastig heruntergemurmeltes „...tler!“ steht er rasch auf und geht auf den Besucher zu. „Treten Sie doch näher, Herr Ortsgruppenleiter. Was verschafft mir die Ehre?“
„Na ja, Herr Dr. Struwe, da ist etwas von besonderer Wichtigkeit, über das ich meine, mit Ihnen sprechen zu müssen.“
Dr. Struwe schluckt. Er ist nach dieser Eröffnung nicht gerade beruhigt. Unsicher blickt er in das großflächige Gesicht mit der hohen Stirn und den eiskalten, glasig blauen Augen, die ihn durch die runden Gläser, die von einer sehr dünnen, schwarzen Brillenfassung gehalten werden, höhnisch ansehen.
„Ist es etwas Privates oder bin ich in meiner Eigenschaft als Amtsrichter gefragt?“
„Nun, lieber Struwe, kein Grund zur Besorgnis“, versichert ihm der Besucher mit einem schwach angedeuteten Lächeln. „Gewissermaßen trifft wohl beides zu. Können wir uns nicht setzen?“
„Aber selbstverständlich, Herr Straßner. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht schon gleich einen Stuhl angeboten habe. Ich ...“
„Aber warum denn so förmlich, lieber Struwe. Wir sind doch Freunde und Parteigenossen. Nun machen Sie sich bloß keine Sorgen, ich meine wegen meines unangemeldeten Erscheinens. Ich wollte nur mit Ihnen einige Gedanken austauschen, das ist alles.“
Die beiden Männer sind hinüber zum Schreibtisch gegangen und sitzen sich jetzt gegenüber.
„Nun gut. Worum handelt es sich?“
„Sie müssen mich über einige Einzelheiten aufklären, mein lieber Struwe, bevor ich Ihnen alles erzähle. Sie kennen doch – oder besser, so habe ich mir sagen lassen, Sie kannten – eine gewisse Frau Clarissa Keller, damals ein Fräulein von Steinberg, nicht wahr?“
Das blasse Gesicht des Amtsrichters wird noch blasser. Seine Haut wirkt fast durchsichtig und es bilden sich Schweißperlen an seinem Haaransatz.
„Ja, Herr Straßner, gewissermaßen stimmt es. Aber was ...?“ „Nur Geduld, mein Lieber, haben Sie doch noch etwas Geduld. Wie gut kannten Sie diese Dame?“
Willibald Struwe schluckt abermals. Gute Frage. Wie gut kannte er Clarissa von Steinberg wirklich? Er war in dieses bildhübsche junge Mädchen sehr verliebt gewesen. Er hatte Clarissa den Hof gemacht, hatte mit allen Mitteln versucht, ihr seine Liebe zu erklären. Aber nie war er so richtig an sie herangekommen. Immer wieder war in ihm das Gefühl aufgekommen, dass sie ihn nicht für voll nahm und sich sogar über ihn lustig machte. Sicher, sie hatten bei den Tanzvergnügen im Colosseum öfter miteinander getanzt und sich angeregt unterhalten. Einmal, daran kann er sich noch genau erinnern, hatte er bei einer dieser Gelegenheiten sogar das sichere Gefühl verspürt, dass er nun endlich fast am Ziel seiner Wünsche angelangt sei. Und kurz darauf, als er erfuhr, dass Clarissa und ihr ungehobelter Vetter sich verlobt hatten, traf ihn diese Nachricht, als ob man ihm mit einem riesigen Holzprügel auf den Schädel geschlagen hätte. Wie konnte sich nur seine edle Clarissa in diesen wilden und unkultivierten Mann verliebt haben? Wie war es möglich, dass sie diesem Nichts von Heiko ihm, dem Amtsrichter von Oldenmoor, vorgezogen hatte? Ihre Entscheidung war ihm völlig unerklärlich. Er hatte sogar versucht, sich mit ihr zu treffen, um eine Begründung für ihr Verhalten zu erbitten. Einmal hatte er sie am Markt gesehen, als sie im Begriff war, das Café Petersen zu betreten. Er folgte ihr, schlich sich aber eilends davon, als er sah, dass sie sich an den Tisch zu Heiko Keller setzte. Da gab er endlich auf. Er wurde sogar krank und ließ sich für einige Wochen vom Dienst beurlauben. Er hatte diesen Verlust und die Verletzung seiner Gefühle bis zum heutigen Tage nicht überwinden können. So manches Mal befielen ihn wilde Träume, in denen er seinen Nebenbuhler im wütenden Kampf besiegte und die untreue Geliebte aus seinen Fängen befreite.
Die kalte Stimme des Ortsgruppenleiters holt Dr. Struwe in die Gegenwart zurück: „Ich hatte Sie gefragt, wie gut Sie diese Dame kannten!“
„Nun ja ... Ich habe ihr vor einigen Jahren den Hof gemacht und sie gelegentlich getroffen. Wir tanzten, unterhielten uns ... Eben wie das so ist, wenn man einer jungen Dame den Hof macht.“
„Aber, um es klar und deutlich zu sagen, sie hat Ihnen einen Korb gegeben und diesen Keller, Heiko Keller, geheiratet, nicht wahr?“
Durch die brutale Offenbarung dieser Wahrheit gedemütigt, blickt Dr. Struwe betroffen auf den großen Tintenfleck auf seiner Schreibunterlage. Er bleibt stumm und nickt.
„Dieser Keller ist doch ein Vetter von ihr, oder?“
„Tja, ein Großvetter. Soweit ich mich erinnere, war seine Mutter eine Cousine von Clarissas Vater, Hans-Peter von Steinberg.“
„Und Kellers Vater? Wissen Sie irgendetwas über dessen Vater?“
„Ich habe einmal munkeln gehört, dass er ein Bohemien war, so ein dahergelaufener Kunstmaler. Ich glaube kaum, dass es bekannt sein dürfte, woher er kam. Er hat damals jenes Fräulein von Aulendorf gegen den Willen der Familie geheiratet.“
„Elisabeth, wenn ich richtig informiert bin?“
„Ihr Name war mir nicht geläufig, sie kann durchaus Elisabeth geheißen haben. Nun gut, er heiratete sie und nach einiger Zeit zogen sie fort aus Oldenmoor, ich glaube nach Kiel. Später erzählte man sich, dass Frau Kellers Mutter sie und ihren Sohn zurück nach Oldenmoor holte, als der Maler seine Familie verlassen hatte. Nach einigen Jahren nahm sich ... ach ja, Elisabeth ... Elisabeth nahm sich das Leben. Der Junge wuchs bei den von Steinbergs auf.“
„Ja, ja, so ähnlich habe ich diese Geschichte auch schon gehört. Aber mich interessiert vor allem der Vater dieses Heiko Keller. Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?“
Dr. Struwe denkt angestrengt nach. „Nein. Aber man könnte ja mal in seinen Heiratsakten nachsehen, woher er stammt, vielleicht würde das helfen.“
„Ich wäre Ihnen sehr verbunden, das ist keine schlechte Idee.“
„Darf ich