Crescendo bis Fortissimo. Manfred Eisner

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Crescendo bis Fortissimo - Manfred Eisner

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Oliver kann sich vor Lachen kaum auf dem Schoß halten, sodass ihn der Großvater vor dem Herunterfallen bewahren muss.

      „Oliver, benimm dich! So darfst du doch nicht mit deinem Großpapa umspringen!“, versucht Clarissa lächelnd zu zürnen.

      „Ach, lass ihn doch, Clarissa“, lacht der Papa belustigt. „Er ist so herzerfrischend!“

      Ein Schatten fährt über Clarissas Gesicht. Wie recht du hast, lieber Papa, denkt sie. Wir haben in diesen Zeiten doch wirklich nicht viel, über das man lachen könnte. Unbewusst drückt sie ihr Baby fester an sich.

      „Ddddarf ich ddddas Bb...?“ Gesches feuchte Augen blicken Clarissa bettelnd an.

      „Aber natürlich, Gesche. Hier, Lissy, jetzt darfst du zur Tante Gesche auf den Arm.“

      Hans-Peter erhebt sich von seinem Sessel und stellt Oliver vorsichtig auf die Füße. „So, junger Mann, und nun muss dein Großvater wieder nach Hause, denn sonst macht sich deine Großmama Sorgen um ihn.“ Freundlich schüttelt er Gesche und Gesine die Hände. „Meine herzlichsten Grüße und Wünsche zur raschen Genesung an Ihre Frau Mama.“ Mit einem Blick auf Clarissa ergänzt er: „Liebes, begleitest du mich noch an die Tür?“

      „Aber selbstverständlich, Papa. – Ihr entschuldigt mich bitte einen Augenblick?“

      Gesche und Gesine nickten.

      Während Clarissa in der Diele dem Papa in den Mantel hilft, sagt dieser: „Schade, wir konnten unsere Unterhaltung nicht zu Ende führen. Es wäre aber sehr wichtig, darüber ausführlich zu sprechen. Komm doch mit Heiko heute Abend zu uns zum Tee. Sagen wir, so gegen neun Uhr, ja? Dann sind wir ungestört.“

      „Sehr gut, Papa, ich rufe gleich Heiko im Büro an, damit er heute nicht allzu spät nach Hause kommt. Also, gegen neun bei euch! – Grüß mir herzlich die Mama!“, ruft sie ihrem Vater hinterher, der sich auf der Straße nochmals umdreht und mit einer übertriebenen Geste sowie einem Lächeln auf den Lippen den Hut sehr tief vor seiner Tochter zieht.

      Ebenfalls lächelnd kehrt Clarissa zurück zu ihren Besucherinnen. Silke geht mit den beiden Kindern in das obere Stockwerk.

      „Ddddddein Pppppappa ssssieht abbbber ss...“, stottert Gesche.

      Gesine beendet ihren Satz: „Ja, dein Papa sieht sehr gut aus.“ Nach einer Pause fügt sie hinzu: „Weißt du, Clarissa, irgendwie habe ich mir früher immer vorgestellt, dass Hans-Peter von Steinberg auch mein Papa ist, weil ja unser Vater sehr früh gestorben ist und wir ihn nie richtig kennengelernt haben. Und da wir in unserer Kindheit fast ständig zusammen waren und uns öfter in eurem als in unserem Hause aufhielten, habe ich ihn immer als eine väterliche Figur betrachtet. Es ist eigenartig, vor einigen Tagen sprachen Gesche und ich davon. Sie hat es mir nie vorher gesagt, aber sie empfand dasselbe, stimmt’s, Gesche?“

      Gesche nickt eifrig.

      Clarissa ist von dieser Offenbarung ihrer Freundinnen sehr gerührt.

      „Ja, sie waren wirklich schön, die Jahre unserer Kindheit. Sehr oft muss ich daran denken – an Heiko, natürlich auch an euch, an den Klumpfuß und an Rollo und Heide.“

      „Hast du etwas von den anderen gehört?“, fragt Gesine. Wir leben ja so abgeschieden, dass wir kaum Kontakt mit der Außenwelt haben.“

      „Nun ja, dass mein Deichkater – ich nenne ihn immer noch so, ihr braucht gar nicht so zu grinsen – beim Klumpfuß – ich meine, bei Josef Rembowski – in der Backwarenfabrik arbeitet, das wisst ihr sicher noch, oder?“

      Die Zwillinge nicken.

      „Kurz nachdem der alte Tadeusz Rembowski starb, hat Josef Heiko zum gleichberechtigten Geschäftsführer gemacht. Es ist kaum zu glauben, aber die beiden verstehen sich sehr gut. Obwohl ich ihn aus alter Gewohnheit immer noch ‚Klumpfuß‘ nenne – natürlich nur, wenn er es nicht hört –, muss ich zugeben, dass Josef in der letzten Zeit sehr viel selbstbewusster geworden ist und ihn sein krummer Fuß anscheinend nicht mehr deprimiert, wie wir es von früher kennen. Jedenfalls versucht er nicht mehr, den Fuß zu verbergen. Ich freue mich sehr für ihn. Heiko hat mir erzählt, dass Josef sich verliebt haben soll. Er kämpft jetzt mit sich selbst, um den Mut aufzubringen, sich seiner Erwählten zu erklären. Der Arme!“

      „Wwwwer ist es dddddenn?“

      „Ich weiß es leider nicht. Angeblich jemand aus der Umgebung Oldenmoors.“

      „Iiiiich ggglaubbbbe, ich wwwee...“

      „Was, Gesche, du weißt, wer es ist? Wieso? Erzähl schon!“ Gesine bedrängt derart ungeduldig ihre Schwester, dass diese vor Aufregung kaum noch ein Wort hervorbringen kann.

      Dann erzählt Gesche mit Hilfe von Gesines Ergänzungen, dass sie von ihrem Hausmädchen erfahren habe, dass vor einiger Zeit häufiger ein hinkender Herr bei Frauke Eggers, Tochter des Gutsherrn, auf dem Holstenhof zu Besuch gewesen sei. Allerdings sei der alte Knut Eggers über diese Besuche nicht sehr erbaut gewesen und es habe deswegen einen ernsten Krach zwischen Vater und Tochter gegeben. Seitdem hätten auch keine Hausbesuche dieses Herrn auf dem Hof mehr stattgefunden. Gelegentlich ließe sich Frauke Eggers durch den Gutsverwalter, Olaf Lütjens, ausfahren. Man vermutet, dass sie den hinkenden Herrn irgendwo heimlich trifft.

      Nachdem diese prickelnde Romanze von den drei Freundinnen bis ins Einzelne kolportiert und kommentiert worden ist, fragt Gesine: „Ist Rollo immer noch bei der Reichswehr? Und hast du etwas von Heide gehört?“

      „Ja! Roland Claaßen ist jetzt Obergefreiter und immer noch bei seinem Infanterie-Regiment 46 in Neumünster. Aber den Rest der Geschichte, den werdet ihr mir bestimmt nicht glauben!“ Clarissa macht eine Pause, um die Spannung zu erhöhen.

      „Eerzzzzz...“, beginnt Gesche aufgeregt und Gesine vervollständigt: „Nun sag schon, Clarissa. Was ist denn mit Heide?“

      „Also gut. Wie ihr wisst, war Heide sehr krank und lebte unter äußerst ärmlichen Bedingungen mit ihren beiden Kindern im ‚Jammertal‘. Heiko und ich haben sie damals dort besucht und wir dachten, dass sie sterben würde, weil es ihr so schlecht ging. Als Heiko Onkel Suhls Vermögen erbte, ließ er Heide sofort nach Aukrug ins Sanatorium bringen. Die beiden Jungs wurden zunächst auch dort untergebracht, und zwar im Kinderheim. Man päppelte sie auf, weil sie vollkommen unterernährt waren. Heide blieb fast achtzehn Monate im Sanatorium und konnte danach erfreulicherweise vollständig geheilt entlassen werden.“

      „Oh, dddasss iiissst abbbber wwwunddderbbbbar ...!“ Eine Träne rollt aus Gesches Auge.

      „Da die Kinder nach Neumünster zur Schule mussten“, fährt Clarissa fort, „besorgte ihnen Rollo dort eine Pflegestelle. Er hat sich während der ganzen Zeit sehr intensiv um die beiden gekümmert. Als Heide entlassen wurde, stellten sie und Rollo überrascht fest, dass sie sich sehr mochten, und haben dann, nach einigen Monaten, kurz entschlossen geheiratet! Sie leben dort in einer kleinen Wohnung und sind gesund und zufrieden.“

      „Wie schön für die beiden“, sagt Gesine, ebenfalls sichtlich bewegt.

      „Nnnnnein, ffffür ddddie vvvvvvier!“, meint Gesche.

      „Natürlich, Gesche, wie recht du hast. Rollo hat nämlich die beiden Jungen adoptiert. Heide schrieb mir vor etwa zwei Wochen. Sie wollen uns am zweiten Weihnachtstag besuchen. – Oh! Ich glaube, ich habe eine gute Idee: Was haltet ihr davon, wenn wir uns alle, die ganze

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