Crescendo bis Fortissimo. Manfred Eisner

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Crescendo bis Fortissimo - Manfred Eisner

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style="font-size:15px;">      Das sich stets wiederholende Spiel mit ihrem Sohn vermag jedoch nicht, die ernsthaften Sorgen aus Clarissas Gedanken zu vertreiben. Ununterbrochen muss sie an das vor dem Bücherregal in Heikos Arbeitszimmer kniende Hausmädchen denken – und an die auf dem Boden liegende Bücherliste. Was hat das zu bedeuten? Werden sie bespitzelt? Weshalb? Von wem?

      Wie oft hat sie Heiko schon gewarnt, er solle sich endlich dieser politischen Bücher entledigen. Wie kann man nur verhindern, dass diese Liste außer Haus gelangt? Wenn bloß Heiko rasch nach Hause kommt, denkt sie, damit wir beraten können, was nun zu tun ist!

      In diesem Moment läutet die elektrische Klingel an der Haustür. Rasch erhebt sich Clarissa, sagt ihrem Sohn ein eiliges „Spiel nur weiter, Oliver, Mami kommt gleich wieder!“ und läuft geschwind die Treppe hinunter, um noch vor dem Hausmädchen an der Tür zu sein.

      „Lassen Sie nur, Silke, ich gehe schon!“, ruft sie dem verwunderten Mädchen im Vorbeigehen zu, das sich, von der Waschküche kommend und seine Hände in der Schürze trocknend, gerade auf den Weg zur Haustür begeben wollte, um den Besuch hereinzulassen.

      Mit großer Erleichterung erkennt Clarissa auf den matten Glasscheiben die Umrisse einer vertrauten Männergestalt. Ungeduldig öffnete sie die Haustür. „Oh, Papa!“, ruft Clarissa freudig und fällt mit Tränen in den Augen ihrem Vater in die offenen Arme. „Wie schön, dass du gerade jetzt gekommen bist!“

      Äußerst überrascht von der Heftigkeit dieser Begrüßung umarmt Hans-Peter von Steinberg liebevoll seine Tochter.

      „Komm doch herein, lass uns ins Wohnzimmer gehen. Trinkst du mit mir eine Tasse Tee?“ Sie hilft ihrem Vater aus dem Mantel und weist, ohne auf seine Antwort zu warten, Silke an: „Sie sind doch sicher bald fertig mit dem Waschen, Silke. Bitte bereiten Sie danach den Tee und servieren Sie ihn im Wohnzimmer.“

      „Guten Tag, Herr von Steinberg. – Ich gehe sofort in die Küche, Frau Keller, und setze das Wasser für den Tee auf.“ „Guten Tag, Silke.“

      Vater und Tochter gehen Arm in Arm durch die Diele in das Wohnzimmer.

      „Wie geht es dir, mein Kind?“, fragt Hans-Peter mit besorgter Stimme. „Du hast doch etwas. Was ist los?“

      Im Gehen nähert Clarissa ihr Gesicht dem ihres Vaters, lehnt sich an seine Schulter und flüstert ihm leise ins Ohr: „Nicht jetzt, Papa, nachher!“

      Während es sich Hans-Peter in einem der großen Sessel gemütlich macht, setzt sich Clarissa auf das Sofa. Mit einem Mal spürt sie die Kälte im Raum. Sie steht auf und geht an den Kamin. „Es ist kühl hier. Ich zünde uns ein paar Holzscheite an.“ Sie entnimmt drei kleine weiße Alkoholpastillen aus einer Blechschachtel und legt sie unter das im Kamin gestapelte Holz. Von einem brennenden Streichholz springt rasch die Flamme auf die Pastillen über. Bald fängt auch das trockene Holz an zu brennen und rasch verbreitet sich wohlige Wärme im Wohnzimmer.

      Um den Papa zu beruhigen, dem eine große Unruhe ins Gesicht geschrieben steht, macht Clarissa beschwichtigende Gesten, während sie die Zeit mit belangloser Konversation vertreibt.

      Nachdem Silke mit dem Tablett hereingekommen ist und den Tee serviert hat, bittet Clarissa sie, nach oben zu gehen und auf die Kinder aufzupassen. Nach einigen Augenblicken schleicht sie sich vorsichtig hinaus, um sich zu vergewissern, dass die Deern tatsächlich in das obere Stockwerk gegangen ist. Als sie wieder ins Wohnzimmer zurückkehrt, setzt sie sich auf die Sessellehne neben ihren Papa. Sehr leise erzählt sie ihm, wie sie Silke bei der heimlichen Auflistung der Bücher beobachtet habe.

      Tiefe Sorgenfalten durchziehen Hans-Peters Stirn beim Zuhören. „Ach, mein Kind, gerade deswegen wollte ich heute mit euch sprechen.“ Und er erzählt Clarissa ausführlich von dem, was an diesem Morgen Friedrich Winkler widerfahren ist, und auch von seinem darauf folgenden Gespräch mit Clarissas Mutter.

      Clarissa ist entsetzt. „Papa, das ist ja schrecklich! Was sollen wir nur tun? Ich weiß einfach nicht weiter. Ich habe solche Angst um Heiko. Er ist sowieso schon sehr wütend über dieses verwünschte Reichsbürgergesetz. Wie soll er nur die Herkunft seines Vaters nachweisen? Und jetzt werden wir auch noch im eigenen Haus bespitzelt. Was soll bloß aus uns werden?“

      „Nun beruhige dich erst einmal, mein Kind. Nur keine Panik. Mit Angst im Herzen kann das Gehirn nicht kühl denken.“ Aber in seinem Inneren muss sich auch Hans-Peter eingestehen, dass er vollkommen ratlos ist.

      In diesem Moment klingelt es wieder an der Haustür. Clarissa blickt verdutzt auf die Standuhr. Wie auf Befehl schlägt diese halb vier. Wer kann das sein? Um diese Zeit?

      Clarissa springt auf und eilt an die Haustür. Die zwei weiblichen Umrisse auf den Glasscheiben sind ihr nicht geläufig. Oder doch?

      Als sich die Tür öffnet, sehen sich die drei Frauen für einen Augenblick erstaunt und zunächst wortlos an. Dann fallen sie sich in die Arme.

      „Gesche und Gesine. Welche Überraschung! Wie schön, euch nach so langer Zeit wiederzusehen! Kommt herein, kommt herein, der Papa ist auch gerade da.“

      Während die beiden Besucherinnen ihre Mäntel ablegen, blickt Clarissa die Treppe hoch und sieht die oben stehende Silke, die gerade die kleine Elisabeth im Arm hält.

      „Silke, bringen Sie bitte die Kinder herunter und machen Sie doch für meine beiden Freundinnen noch etwas Tee! – Kommt herein, ihr Lieben, kommt herein!“

      Gesine und Gesche folgen Clarissa und sehen sich anerkennend im Hause um. Auch sie haben in ihrer Kindheit zusammen mit Heiko und Clarissa Onkel Suhl hier besucht und mit seinem sagenumwobenen Teleskop den Mond beobachten dürfen. Sie sind von den baulichen Veränderungen sehr angetan.

      Im Wohnzimmer erhebt sich Hans-Peter und begrüßt herzlich die Sandkastenkameradinnen seiner Tochter, wie er sie scherzhaft nennt. „Wie schön, euch nach so langer Zeit wieder zu Gesicht zu bekommen, Gesche und Gesine. Wie geht es denn eurer lieben Frau Mutter?“

      „Danke, Herr von Steinberg“, antwortet Gesine, „leider nicht so gut. Sie leidet sehr unter ihrem Rheuma und kann sich kaum noch bewegen.“

      „Ja, ja, wir werden eben alle nicht jünger. Das Alter verlangt uns seinen Zoll ab.“

      Hans-Peter denkt eine Weile nach, während sich die drei jungen Frauen angeregt unterhalten, um sich gegenseitig auf den derzeitigen Stand zu bringen. Dann sagt er, mitten hinein in eine Redepause: „Ich glaube mich erinnern zu können, dass gerade das Bürgerwehrfest stattfand – es muss im Februar 1931 gewesen sein –, als wir uns das letzte Mal sahen. Da haben wir alle gemeinsam im Herrenhaus gefeiert. Tja, damals lebte Onkel Suhl noch.“ Plötzlich verstummt er. Ihm fällt ein, dass er doch später noch bei Gesches Hochzeit im Uhlenhof zu Gast war. Dann blickt er betreten auf die schwarz gekleidete Gesche und schweigt. „Ssssie wwwwwaren dddddoch noch bbbei uuuuns-unserer Hoch...“

      „Hochzeit, Herr von Steinberg“, eilt Gesine ihrer Schwester zu Hilfe.

      „Ach ja, natürlich, ihr habt ja recht, das hatte ich tatsächlich total vergessen. Da seht ihr, wie das bei uns Alten ist. Bei eurer Mutter ist es das Rheuma, bei mir das Gedächtnis“, scherzt Hans-Peter erleichtert.

      Durch die offene Tür kommt eine kleine Prozession herein: Angeführt von Oliver folgt Silke, die vorsichtig mit einer Hand einen Teewagen schiebt, während sie auf dem anderen Arm Elisabeth trägt.

      Clarissa eilt dem Hausmädchen zu Hilfe. Sie nimmt ihm Elisabeth ab, sodass Silke

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