Flüsterasphalt. Horst Pukallus
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Also geht er in die Wohnung und legt die CD mit japanischer Traditionsmusik ein. Den Kopfhörer auf den Ohren, kehrt er zurück auf den Balkon.
Am liebsten hört er Genroku hanami odori, Musik für zur Zeit der Kirschblüte übliche Tänze. Instrumente: Samisen, Koto, Taiko, Kokyu. 18. Jahrhundert.
Eine E-Mail-Adresse der Nachbarin hat er nicht entdeckt.
Offenbar benutzt sie auch kein WebTalk.
Ihr Bild drängt sich in die Molekülstrukturen und Datenmosaike des Wirkstoffdesigns. Unaufhaltsam. Mit aller Plastizität.
Soviel ihm aufgefallen ist, hat sie einen kurvigen Knackarsch. Prall wie ein Paar Kürbisse.
So etwas lässt keinen Raum für die Skizzenhaftigkeit molekularer Mechanismen. Neurotransmitter und Signalproteine sind reizlos im Vergleich zu solchen Halbkugeln. Virtuelle kombinatorische Chemie kann gegen eine lebendige Frau nicht konkurrieren.
Broder spürt, dass sich ihm der Sack zusammenzieht. Sein Schwengel neigt wieder zur Versteifung. Er fantasiert, dass er mit seinem Kolben der Nachbarin den Steiß spaltet. Durch kraftvolles Rammeln ihr Sitzfleisch zum Schaukeln bringt. Und dass sie beim Ficken schreit und kreischt. Dann kommt er nämlich besonders in Fahrt.
Er tupft sich Schweiß von der Nasenwurzel. Bombenschwer spannt ihm eine neue Erektion die Hose.
Es ist ihm unmöglich, sich auf die Probleme der Syntheseplanung zu konzentrieren. Nicht einmal die kristallklaren Töne der japanischen Lauten flößen ihm noch Gelassenheit ein.
Verdrossen hebt er den Kopfhörer von den Ohren. Tappt in die Wohnung. Entnimmt dem radarblauen Lloyds-Großraum-Cooler eine Flasche Weißwein. Entkorkt sie an der Rapid-Entkorkmaschine.
Ein Glas Wein in der Hand, bleibt Broder vor dem Elektronischen Aquarium stehen. Mit Pflanzen garnierter Lava-Hintergrund. Gemächlich ziehen Schmetterlingsfische in Knallgelb ihre Kreise. Flossenschlag um Flossenschlag. Hin und her. Und umgekehrt. Usf. Leuchten sogar im Dunkeln.
Der Wein ist gut gekühlt. Auch das Elektronische Aquarium strahlt Kühle aus. Vom Deckenventilator quirlt kühler Abwind herab.
Aber Broder ist dermaßen erhitzt, als wäre er gerade im Mikrowellenherd geschmort worden. Ihm gehen die Hinterbacken der Nachbarin nicht aus dem Sinn.
Es hat keinen Zweck. So kann er nicht nachdenken. Erst muss er noch einmal wichsen.
Er findet keinen Frieden mehr.
Plötzlich läutet die Dreiton-Türglocke. Verdutzt nimmt Broder die Hand vom Hosenreißverschluß. Er schlurft zur Tür. Hausmeister oder Vorwerk?
Durch den Spion erkennt er die Nachbarin. Aus Verdatterung erweicht sein Steifer. In Sekundenschnelle.
Mann, ist das Mädchen cool! Einfach bei ihm zu bimmeln. Genial.
Sein Herz wummert, als er die Tür öffnet. Diese Schicksalswendung kommt über ihn wie eine Lawine. Er wird völlig überrumpelt. »Entschuldigen Sie ... ich wollte Sie etwas fragen. Haben Sie einen DVD-Brenner? Ich habe da eine größere Anzahl Audiodateien gespeichert ...«
Sie hat wundervolle braune Augen.
Broder ist kein Besitzer eines DVD-Brenners. Jedoch trifft er in diesem Moment den Entschluss, unverzüglich so ein Gerät zu kaufen.
»Nein, nicht«, antwortet er. »Aber ich will einen anschaffen. Morgen hole ich so‘n Ding, dann packen wir Ihre Musik auf ‘ne Scheibe. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald er da ist. Sie können sich drauf verlassen.« Er merkt, dass er viel zu hastig spricht. Wohl aufgrund der wiederkehrenden Härte in der Hose. Er grinst und tritt beiseite. »Wie wär’s, wenn Sie reinkommen?«
Zuerst macht sie eine spontane Vorwärtsbewegung. Aber stockt. Schneidet eine undeutbare Miene. Wahrscheinlich packt sie jetzt Bammel vor der eigenen Courage. So was soll es ja geben.
»Danke, lieber nicht«, sagt sie. »Ich mag nicht stören.«
Und schon huscht sie lautlos fort.
Broder möchte sie an sich ziehen. In die Arme nehmen. Küssen. Die Brüste streicheln. Den Arsch kneten. Doch er bewahrt Beherrschung.
Geduld. Morgen.
Morgen wird er bei ihr klingeln.
Heliane weinte die ganze Nacht lang. Als zu tief und bitter empfand sie nach der Erleuchtung, die sie zu der Entscheidung verleitet hatte, gegenüber an der Tür zu läuten, die Enttäuschung.
Ihr war es zu banal gewesen, zum Vorwand etwa nach Selleriesalz oder Ähnlichem zu fragen. Stattdessen hatte sie sich nach dem Vorhandensein eines DVD-Brenners erkundigt, um das Ersehnte mit etwas Nützlichem zu verbinden. Schon seit Längerem hegte sie nämlich den Wunsch, Pater Damasus’ Internet-Predigten chronologisch auf einer DVD zusammenzufassen und - quasi als Anhang - um die WebChristen-Audio-Chatroom-Diskussion über das Thema zu ergänzen, ob Pater Damasus wirklich, wie seine Home-Page behauptete, per Internet-Anschluss das Wunder wirken konnte, Zahnamalgam in Zahngold zu verwandeln.
Aber über ihr Anliegen hatten sie erst gar nicht gesprochen. Zum Glück war ihr Blick noch rechtzeitig auf das heidnische Götzenbild gefallen, das im Flur, nur zwei, drei Schritte hinter der Tür, umwogt von Schwaden beißend-herben Räucherwerks, in infernalischem Glanz auf einer Kommode prunkte.
Wie entsetzlich! Ihr Nachbar war Neoheide.
Das Leben schlug sie mit einer Grausamkeit ins Gesicht, für die sie aus persönlicher Erfahrung bisher kein Beispiel kannte. Dicht vor ihm hatte sie gestanden, zum Greifen nah war sie ihm gewesen. Die Bitterkeit trieb ihr die Tränen in unaufhörlichen Rinnsalen zu den Augen hinaus, als genügte die Menge der Körperflüssigkeiten nicht, um den Schmerz fortzuschwemmen. Die Elektroemissionen seiner Wohnung hatten ihr schier die Haut versengt. Er hauste in einer Strahlenhölle. Und wie er geredet hatte ... eine wahre Logorrhö war ihm entsprudelt.
Das in ihrer Brust angestaute Weh brach sich nur nach und nach Bahn, in unregelmäßigen Schüben spien Schluchzer den Gram aus ihrer Kehle wie Auswurf.
Gott im Himmel! Beinahe hätte sie seine Wohnung betreten.
Doch selbst als ihre verpressten Laute des Leids verebbten, fand das Elend kein Ende. Ihr Körper widerstrebte den Einsichten der Seele. Es hatte keiner stärkeren Reize als des flüchtigen Nahseins bedurft, um ihren Leib zu einer Ballung unbezähmbarer Begehrlichkeit zu degradieren. In diesem Zustand strotzte sie geradezu von Saft und Kraft, sie masturbierte in immer kürzeren Abständen und biss dabei auf einen Zipfel des Kopfkissens, damit keine Lustschreie das ganze Haus weckten.
Es nützte nichts. Das Feuchtheiße zwischen ihren Schenkeln, egal wie oft sie es mit der Hand stopfte, klaffte ohne Aussicht auf Sättigung. Jedes Mal kam sie einer Ohnmacht nah, es schien ihr, als zerrissen gleichzeitig das Gewebe der Welt und das Gewirk der Hemmungen in ihrem Innern.
Indessen konnte die Sünde der Selbstbefriedigung, mochte sie auch zur Sucht werden, ihr nicht auf Dauer schaden, jede Computerbeichte läuterte ja ihr Gewissen von der Befleckung, und eine wirksamere Abhilfe als das Masturbieren wusste sie nicht. Einmal hatte sie sich – vor Jahren, als sie im Umgang mit der Sexualität noch andere Ansätze verfolgte – eine Nonnentracht geliehen und gehofft, ihr wäre