Ein Herz für Tiere und für Menschen die Tiere mögen. Adalbert Ludwig Balling
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Die den vier Evangelisten zugeschriebenen Symboltiere gehen auf eine Interpretation des heiligen Irenäus von Lyon zurück: Engel/Mensch für Matthäus; Löwe für Markus; Stier für Lukas und Adler für Johannes. In der Schule gab man uns die Eselsbrücke: ELSA – nach den Anfangsbuchstaben der vier Symboltiere.
Eine besondere Stellung in der Tiersymbolik nahm die Biene ein. Sie gilt als fleißig, lieblich, süß und wohlriechend; aber auch als jungfräulich und rein; als Sinnbild der Gottesmutter. »Die Bienenkörbe, die beispielsweise auf Grünewalds Stuppacher Madonna ganz im Hintergrund auszumachen sind, verweisen, laut Konrad von Würzburg1 (ca.1220/30–1287), ein bekannter Mariendichter, auf Maria, »die süßeste von allen«.
Kaum bekannt ist die Muschel als christliches Symboltier. Möglicherweise hat zu ihrer Bedeutung auch die Sage beigetragen, die Muschel steige von Zeit zu Zeit an die Oberfläche und öffne sich. Im günstigen Falle werde sie von einem Blitz getroffen bzw. von »himmlischen Tau« befruchtet; so entstünde eine Perle.
Christliche Denker haben diese Deutung aufgegriffen und auf die Menschwerdung Christi in der Jungfrau Maria verwiesen. So wurde schließlich die Perle zum Sinnbild Christi; zum Symbol für die Verbindung von Göttlichem und Menschlichem. Daher zieren seit dem Mittelalter besonders große und schöne Muscheln auch viele Gotteshäuser, oft schon an den Außenmauern.
Die großen bekannten christlichen Wallfahrtsorte, allen voran Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens, verteilen die Pilgermuscheln an alle, die den Ort besucht haben, genauer, sich er-pilgert haben. (Dieses spanische Santiago lag sozusagen am Ende der Welt – ehe Amerika von Kolumbus entdeckt wurde!) Somit wurde die Muschel zum begehrten Abzeichen der Wallfahrer (Man befestigte sie gerne am Wanderstab oder am Pilgerhut). Aber auch zur übernatürlichen Deutung des Menschenlebens: Es sei ein Wandern zwischen zwei Welten bzw. zur Deutung, der Mensch sei ein homo viator, ein Wanderer schlechthin.
Leider haben wir heute die tiefere Tiersymbolik früherer Epochen vielfach vergessen. Leider sind uns teilweise auch die inneren Gemeinsamkeiten von Mensch und Tier (beide sind Gottes Geschöpfe!) verloren gegangen.
Wolfgang Urban schrieb abschließend: »Das (Wieder-) Erlernen der Bildsprache, das Verstehen der einzelnen Zeichen und Symbole holt ein Stück verlorener Heimat zurück und eine Welterfahrung, die durchdrungen war vom Wissen um das tiefe Mysterium der Schöpfung sowie des Heilshandeln Gottes, erahn- und sichtbar in allen Kreaturen.« (ALB)
Hoffnung für die leidende Kreatur
Tiere seien Gottes »andere und schon seit Ende der Sintflut benachteiligte Geschöpfe«, schrieb Wolfgang Hildesheimer vor Jahren einmal, und Hilde Spiel trauerte über ihren Kater, von dem sie infolge eines Umzugs sich verabschieden musste; er blieb bei ihrer Putzfrau zurück: Nie habe sie sich verziehen, ihn im Stich gelassen zu haben. Denn bald schon sei er der Putzfrau entlaufen – und sei nie mehr gesehen worden … Noch im hohen Alter trauerte die Dichterin um das Tier »wie um einen verlorenen Menschen«.
Elias Canetti, ein weiterer Poet, fragte eines Abends seine Tischnachbarin, ob sie gerne die Sprache der Tiere verstünde und erhielt die Antwort: Nein! Und auf die Frage, warum nicht: »Damit sie, die Tiere, sich nicht fürchten müssen!« – An anderer Stelle von Canettis Aufzeichnungen2 heißt es: »Kein Tier habe ich umarmt. Ein ganzes Leben lang habe ich mit qualvollem Erbarmen an Tiere gedacht, aber kein Tier habe ich je umarmt.« Er litt offensichtlich darunter.
Von wieder einem anderen Denker, vom Philosophen Friedrich Nietzsche, wird berichtet, er habe in den ersten Dezembertagen 1888 in Turin vor einem arg geschundenen Droschkengaul lauthals geweint, sei dem Tier um den Hals gefallen und habe es geküsst. So sehr habe ihn das Mitleid übermannt. Nietzsche, der Autor des Zarathustra, der sich sonst eher hochnäsig und versnobt benahm, von dem das Wort stammt: »Was fällt, soll man auch noch stoßen!« und auch der folgende Satz: »Die Schwachen und die Missratenen sollen zugrunde gehen!« – dieser Friedrich Nietzsche zeigte ein Herz für ein müdes und altersschwaches Pferd; er hatte es nicht länger mitansehen können, wie ein unschuldiges Tier sinnlos geprügelt wurde.
In der gesamten Weltliteratur gibt es unzählige Geschichtchen mit und um Tiere: Sven Hedin, der berühmte schwedische Wüstenforscher, schrieb sehr liebevoll über die Kamele, die ihn durch die Wüste Gobi begleiteten. – Konrad Lorenz, der jahrzehntelang Graugänse beobachtet und mit ihnen zusammengelebt hat, um ihr Alltags-Verhalten zu studieren, war von diesen Tieren begeistert. – Hans Carossa malte zärtliche Szenen von einem Kätzchen in seinem rumänischen Tagebuch. – Goethe schrieb ein ganzes Tier-Epos und Ernest Hemingway schilderte in seiner meisterhaften Novelle »Der alte Mann und das Meer« den Kampf eines greisen Fischers mit einem übergroßen Fisch an der Angel. – Und Don Quijote (von Cervantes) ist ohne seinen Esel gar nicht zu denken! – Kurzum, es gibt unzählige Beispiele aus der Weltliteratur über Menschen und Tiere. Die unübersehbare Zahl der Tiermythen und Tiermärchen noch gar nicht mitgerechnet.
Vom russischen Philosophen Berdjajew weiß man, dass er in seinem Arbeitszimmer in der Nähe von Paris eine wunderschöne Angorakatze neben sich sitzen hatte; ohne dieses Tier, so ließ er seine Besucher wissen, könne er nicht arbeiten. Einmal schrieb er über dieses Tier: »Ich kann nicht an das Reich Gottes denken, ohne meiner Katze Moury darin einen Platz anzuweisen.« Berdjajew wollte damit sagen, dass er an ein (wie auch immer geartetes) Fortleben der Tiere glaube – oder doch zutiefst wünschen würde.
Das führt uns zur Frage ganz allgemein: Wie steht es um eine/die Theologie der Tiere grundsätzlich? – Historiker verweisen in diesem Zusammenhang gerne an den Glauben der Alten Ägypter: Ihre Pharaonen wurden beispielsweise auf dem Sterbebett befragt, ob sie zu Lebzeiten gut zu den Tieren gewesen seien, und ihre Tiere wurden interviewt, ob sie zu irgendeiner Zeit von ihren Herrschern misshandelt oder völlig ignoriert worden seien.
Das war vor dem Christentum! Die christlichen Theologen taten sich lange Zeit sehr schwer, die Tiere auch theologisch in die Gesamtschöpfung einzuordnen und zu deuten. Man sah die Tiere sehr lange schon als Gottesgeschöpfe schlechthin, aber dass wir eine Mitverantwortung für sie trügen – davon war kaum mal die Rede. Tiere waren »Freiwild«; wir Menschen hielten sie für Geschöpfe ohne Seele, ohne Gefühle, ohne Schmerzen. Selbst die heilige Hildegard von Bingen, eine der großen Frauen des Mittelalters, hatte keinerlei Hemmungen, aus lebendigen Fröschen Medizin zu gewinnen.
Sakrale Tieropfer gab es in fast allen antiken Religionen, nur im Christentum hat man von Anfang an davon Abstand genommen, weil Jesus es so wollte. Aber manche Tiere wurden zu Negativ-Symbolen, etwa die Schlange oder der Wolf. Außer Acht blieb die Würde der Tiere als solche. Tiere hatten keine eigenen Rechte; man (der Mensch) machte sich zum Herrn der Tiere. Diese Haltung wird heute noch eingenommen, wenn es zum Beispiel darum geht, ein paar Wochen ohne Tiere sein zu wollen, etwa in den Ferien! Dann werden mitunter sogar Haustiere wie Hunde und Katzen zu Weg-Werf-Waren, die man einfach ein paar Wochen los-haben möchte!
Erst 1989 wurde in Deutschland eine Gesetzesänderung vorgenommen: Tiere sind jetzt offiziell »keine Ware« mehr, sondern Lebewesen! (ALB)
»Sie haben auch eine Seele!«
Gebt Acht auf die Tiere, auf die Rinder,
auf die Schafe, auf die Esel;
glaubt mir, sie haben auch eine Seele!
Nur dass sie ein Fell tragen und nicht sprechen können.
Frühere Menschen sind es; gebt ihnen zu essen.
Gebt auch auf die Olivenhaine