GegenStandpunkt 3-17. Группа авторов

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Rente komplett einzubehalten. Großzügiger geht es kaum. Kaum zu glauben, dass sie sich immer noch nicht darauf verlassen will, dass die dermaßen verwöhnten Geringverdiener dieses Rentengeschenk von sich aus annehmen – jedenfalls hilft sie der Entscheidung des Arbeitnehmers für oder gegen Altersvorsorge noch einmal kräftig nach: Durch das Tarifvertragsmodell ist der mit einem Zusatzrentenangebot Beglückte automatisch an der Betriebsrentenabmachung beteiligt und muss der tarifvertraglichen Regelung selbst aktiv widersprechen, wenn er sich ihr entziehen will. Dazu ist er aber glatt immer noch berechtigt! Eine durchaus gelungene Kombination aus Zwang zur Solidarität und Schutz der Freiheit – in der deutschen sozialen Marktwirtschaft 2017 kann man einfach alles haben.

      1) Viele besonders kapitalkräftige Großkonzerne bieten ihren Beschäftigten eine betriebliche Rente als Bonus, um sie langfristig an die Firma zu binden. Diese freiwillige Aufstockung des Lohns, die nie die Qualität einer allgemein verbreiteten Altersvorsorge erreicht hat, wird von dem neuen Gesetz nicht tangiert. In diesem geht es vielmehr darum, das bereits seit Jahren vorwiegend praktizierte Modell der ‚Entgeltumwandlung‘ vor allem in ‚kleinen und mittleren Betrieben‘ zu etablieren.

      2) „Die Verbeitragung von Versorgungsbezügen aus Betriebsrenten ist ein unverzichtbarer Bestandteil für eine solidarische und nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und für einen ausgewogenen Ausgleich zwischen der Förderung der bAV [der betrieblichen Altersvorsorge] und der Generationengerechtigkeit der GKV.“ (24.2.17, Stellungnahme der Bundesregierung zu Anfragen des Bundesrats)

      © 2017 GegenStandpunkt Verlag

      Chronik (4)

      Das ‚Potsdamer Modell‘ der IG BCE und die Ausdehnungsvereinbarung der IG Metall in Sachen Zeitarbeit:

       Kleine aber feine Fortschritte deutscher Tarifpolitik

      Das ‚Potsdamer Modell‘

      Ein gutes Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung hat sich die IG BCE ein hohes tarifpolitisches Ziel gesetzt, nämlich die Angleichung der Regelarbeitszeit in der ostdeutschen Chemie-Branche von 39 Stunden auf das West-Niveau von 37,5 Stunden, und das bei vollem Lohnausgleich. In diesem Unterschied zwischen Ost und West macht sie den entscheidenden Grund dafür dingfest, dass im Osten die Chemie nicht stimmt. Im Mai 2017 ist es dann nach insgesamt zweijährigen Verhandlungen endlich so weit, in Potsdam werden alle Ziele „zu 100 % erreicht“ und die IG BCE kann in ihrer Kampagnenzeitung frohlocken: „90 Minuten mehr Freizeit: Jetzt stimmt die Chemie!“

      Eine einzige Erfolgsgeschichte also. Abhaken muss man dafür nur, dass zum einen eine derart aus dem Rahmen fallende Errungenschaft hier und heute nicht anders zu haben ist denn in Gestalt der Aussicht auf ihre Umsetzung in realistischen Drittelportionen von 2019 an, bis in sechs Jahren dann die Chemie endgültig stimmt: „2023: In diesem Jahr wird der letzte materielle Unterschied zwischen den Beschäftigten der Chemie in Ost und West wegfallen.“ Und zum anderen darf man die „90 Minuten mehr Freizeit“ keineswegs damit verwechseln, dass 37,5 Stunden von 2023 an so etwas wie eine Regelarbeitszeit wären. Das hieße nämlich, die Verfügbarkeit ostdeutscher Chemie-Arbeitskraft zu beschränken, und dazu hat der Verhandlungsführer der Gegenseite gleich zu Beginn das Nötige klargestellt: „Wenn alle weniger arbeiten, bräuchten wir auf einen Schlag mehr Arbeiter, wo sollen wir die herbekommen?“ (Thomas Naujoks, rbb-online.de, 21.11.16) Diese Sorge erspart das ‚Potsdamer Modell‘ den Arbeitgebern mehr als gründlich, indem es gleich überhaupt „die Tradition einer brancheneinheitlichen Arbeitszeit zur Restgröße macht“:

      „Im Normalfall sollen künftig Betriebsrat und Geschäftsführung festlegen, welche Wochenarbeitszeit jeweils als Vollzeitarbeit gilt, abhängig davon, was sich die Beschäftigten wünschen und welches Arbeitszeitvolumen der Betrieb benötigt. Je nach Höhe variiert dann auch der Monatslohn. Die Grenzen setzt ein neuer tariflicher Korridor von 32 bis 40 Stunden je Woche. Auch für einzelne Betriebsteile oder Arbeitnehmergruppen, etwa Schichtarbeiter, soll die vereinbarte Vollzeitarbeit unterschiedlich ausfallen können. Daneben sollen die Betriebsparteien zusätzlich einen ‚individuellen Korridor‘ einführen können.“ (FAZ, 10.5.17)

      Der große Erfolg der Kampagne „Keine Zeit zu verschenken“ heißt also im Klartext: Zwischen dem nahezu Fünffachen von „90 Minuten mehr Freizeit“ – mit entsprechenden Abschlägen – und der Überschreitung sogar der bisherigen 39 Stunden als neue Normalarbeitszeit ist alles drin. Und was am Ende praktisch für die verschiedenen Beschäftigten der einzelnen Betriebe herauskommt, welches Arbeitsvolumen der Betrieb in seinen verschiedenen Abteilungen nämlich jeweils gerade benötigt, das teilt ihnen ihr Betriebsrat mit... Dass sich die Umsetzung der errungenen Arbeitszeitreduzierung derart einsinnig als flexibles Disponieren der Betriebe über die Arbeitszeit ihrer Angestellten buchstabieren kann, ohne größere Irritationen auszulösen, hat seinen einfachen Grund darin, dass diese Freiheit in Potsdam nicht erst hergestellt wird, sondern der Einigung als ‚Normalfall‘ längst vorausgesetzt ist. Ein kleiner Überblick über die Arbeitszeitmodelle der Vor-Potsdam-Ära:

      „Durch Vereinbarung auf betrieblicher Ebene kann für einzelne Betriebsteile oder größere Arbeitnehmergruppen eine längere oder kürzere Wochenarbeitszeit festgelegt werden. Hierfür steht ein Korridor zwischen 35 und 40 Wochenstunden zur Verfügung. Bezahlt werden die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden... Die festgelegte Wochenarbeitszeit muss nicht in jeder einzelnen Woche, sondern kann im Rahmen eines ‚Verteilzeitraums‘ von bis zu 36 Monaten durchschnittlich erreicht werden... Mehrarbeit – also Arbeitsstunden, die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinausgehen und nicht im Rahmen eines Verteilzeitraumes (s.o.) ausgeglichen werden – wird gemäß Chemietarifvertrag nicht mehr bezahlt, sondern durch Freizeit ausgeglichen. Wenn der Zeitausgleich innerhalb eines Monats erfolgt, fällt auch kein Mehrarbeitszuschlag an. Dadurch gibt es in der Chemie praktisch keine bezahlten Überstunden mehr... Die verschiedenen Flexibilisierungsmaßnahmen können weitgehend miteinander kombiniert werden.“ (www.bavc.de)

      Die Beschäftigten der Chemie-Branche sind also bereits gut vertraut mit einem eher losen Zusammenhang der von ihrer Gewerkschaft ausgehandelten Wochenarbeitszeit und ihrer eigenen Arbeitswoche, damit nämlich, dass so viel oder so wenig gearbeitet wird, wie ihr Betrieb ansagt – und bezahlte Überstunden kennen sie nur noch vom Hörensagen. Was da in den Betrieben längst am Werk ist, ist nicht einfach Wildwuchs, sondern die Anwendung des bestehenden Flächentarifvertrags, den die IG BCE im Zusammenspiel mit ihrem Sozialpartner in den letzten Jahren mittels „Flexibilisierungen, Öffnungen und Optionen“ zu dem absurden Konstrukt eines ausgeklügelten Systems der Abweichungen von der branchenverbindlichen Regelarbeitszeit ausgearbeitet hat. Auf dieser soliden Grundlage fußt der gestalterisch-modellbildende Fortschritt, den die IG BCE sich zugutehält: „Mit dem Potsdamer Modell haben wir einen zukunftsweisenden Abschluss. Arbeitszeit betrieblich innerhalb fester Leitplanken bedarfsgerecht festzulegen, ist bundesweit einmalig.“ (Peter Hausmann, Verhandlungsführer der IG BCE, 9.5.17) Das Eigenlob ist wirklich gekonnt: Die Gewerkschaft hat einen zukunftsweisenden Abschluss erreicht, der vorsieht, die Arbeitszeit betrieblich festzulegen! Den Schein universeller und verbindlicher Zuständigkeit für diese Frage, bis eben mühevoll in Form flächendeckend zugestandener Ausnahmeregeln aufrechterhalten, behandelt die IG BCE einfach als Geschwätz von gestern und stellt das Resultat entschieden konstruktiv vom Kopf auf die Füße: Dann ist eben die praktisch ohnehin von den Arbeitgebern errungene betriebliche Freiheit der Arbeitszeitgestaltung der positive Ausgangspunkt, und der betriebliche Bedarf avanciert in aller Form zum flexibel-normsetzenden Kriterium für „Vollzeit“ – natürlich nur unter dem Schutzschirm einer garantiert zukunftsfesten gewerkschaftlichen Regelungsmacht, die dafür feste Leitplanken setzt. Und die sind schon ein interessantes Bild, unterstellen sie doch – einmal

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