GegenStandpunkt 3-17. Группа авторов

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wird, hat in diesem Fall also sein Gutes: Erstens offenbart die Wahlniederlage des alten Establishments, dass es längst überholt ist, im Herrschaftsgefüge also auch nichts mehr verloren hat, hat es doch die nötigen Reformen nicht angepackt. Deswegen braucht es als Allererstes neue ‚unverbrauchte Kräfte‘ an der Staatsspitze, die die gebotene Rücksichtslosigkeit gegenüber Volk und Parteienklüngel walten lassen.

      Ganz im Sinne der Glückwünsche zur erlangten Macht bleiben drei Bedenken:

      – Erstens stellt sich bei aller bekundeten Entschlossenheit die Frage, ob die Zöglinge der neuen Elite auch können, was sie versprechen. Reife und Kompetenz in Sachen Handwerk der Machtausübung müssen sie erst noch unter Beweis stellen: In ihre neue Profession, die ganz darin aufgeht, sich als der effektive Sachwalter der Umsetzung von Macrons Reformen zu bewähren, müssen sie erst noch hineinwachsen.

      – Ein zweiter Makel macht die Wahl zu einer unrunden Sache: Es sind einfach zu wenig hingegangen. Das ist schlecht, weil der demokratische Ermächtigungsakt gleichzeitig ein Unterwerfungsakt sein sollte: In der Wahl galt es mit der Wahlstimme auch das Versprechen mit abzugeben, alles mitzumachen und hinzunehmen, was an sozialen Härten für Frankreichs Aufstieg zur europäischen Stütze nottut. Das Verlangen richtet sich ans ganze französische Volk und nicht nur an 43 Prozent. Ein solches Bekenntnis zum Gehorsam hätte man hierzulande daher gerne von mehr Franzosen gesehen; schließlich weiß man, wie stur die sind, wenn es an ihr ‚savoir vivre‘ geht.

      – Da die Glückwünsche zur „Allmacht“ ein klares ‚Um-zu‘ haben – Merkel hält große Stücke auf Macron –, gibt es das dritte Bedenken, ob dem neuen „President jupitérien“ seine Macht nicht allzu sehr zu Kopfe steigen könnte. Seine Schwärmerei von einer „französischen, europäischen Renaissance“ und einem „Europe qui protège“ lassen rechts des Rheins prompt Zweifel aufkommen, ob der Mann eigentlich so recht weiß, wie weit die ihm zugedachten Kompetenzen reichen und wem letztlich seine Reformen zu dienen haben. Ein großes Missverständnis wäre es, wenn er Europa für ein starkes Frankreich, statt ein starkes Frankreich für Europa einzuspannen suchte. Am Ende bildet sich der Franzose noch ein, er könne mit seinen Ideen eines europäischen Budgets einen auf gemeinsame Kasse machen und so an ‚unser‘ Geld rankommen.

      Derweil finden am russischen Nationalfeiertag Demonstrationen in Russland statt. Mit den Parolen „Russland ohne Putin!“, „Putin ist ein Dieb!“ liegen die Demonstranten bereits vollständig richtig, schließlich richten sie sich damit entschieden gegen den Mann, den man auch hierzulande nur schwer leiden kann. Wer dort auf die Straße gegangen ist, ist der hiesigen Begutachtung sonnenklar: Demonstriert wurde in „mehreren“ Städten zu „tausend“, also ‚landesweit massenhaft‘, also war es das russische Volk, das sich zu Wort gemeldet hat; in manchen Städten allerdings nur zu „zehnt“, also das unterdrückte russische Volk. ‚Unser Mann vor Ort‘ ist in diesem Fall der Oppositionspolitiker Nawalny, gerne auch mal als „Chauvinist“ gebrandmarkt. Aber wenn es darum geht, die deutsche Putin-Feindschaft im Namen des russischen Volkes zu pflegen, darf man eben nicht wählerisch sein und mit Maßstäben der ‚Political Correctness‘ hausieren gehen: Der Mann hat – mit welchen Parolen auch immer – „Mobiliserungspotenzial“, um das Volk gegen den Störenfried der Deutschen an der Staatsspitze aufzuhetzen; und darauf kommt es an. Dass den Demonstranten Hundertschaften an Polizisten gegenüberstehen, die nicht lange zögern, hart durchzugreifen – wofür „Ordnungskräften“ hierzulande in einschlägigen Fällen viel Respekt gezollt wird, weil sie sich um die Wahrung der Sicherheit „friedlichen“ Demonstrierens verdient machen –, ist in Russland ein einziger Beleg dafür, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird. Putin hört seinem Volk, also uns, einfach nicht zu. Dass der Mann sich so renitent an der Macht hält, liegt in den Augen deutscher Beobachter wahrscheinlich einzig daran, dass sein Unterdrückungsregime derart erfolgreich ist, dass sich das Volk nicht mal traut, seinem Unterdrücker in der Wahl die Stimme zu verweigern.

      Die deutsche Brille guckt sogar in italienische Städte hinein, in denen Bürgermeister gewählt werden. Selbst hier kann nämlich ein Volk nach deutschen Vernunftmaßstäben manches richtig oder falsch machen. In der ersten Runde der Kommunalwahlen der 5-Sterne-Bewegung eine Niederlage zu bescheren, bleibt jedenfalls von deutscher Seite nicht ungewürdigt: Immerhin bekommt ihr vorsitzender Clown für seinen gegen Europa und gegen das deutsche Sparregime gerichteten Kurs seine verdiente „kalte Dusche“. Die Enttäuschung folgt jedoch prompt in der zweiten Wahlrunde: Was nutzt es Deutschland, wenn die „ehemaligen linken Hochburgen“ von Genua bis zum ehemaligen „Stalingrado“ Sesto San Giovanni von einem Mitte-Rechts-Bündnis „gestürmt“ werden, das sich selbst nicht einig und mit seinen „Hahnenkämpfen“ zum Regieren kaum geeignet ist, und der nächste Clown, Berlusconi, wieder die Bühne betritt? Die Kommunalwahlen sind somit ein schlechtes Omen für die anstehende große Wahl: Es steht zu befürchten, dass die Italiener wieder nicht liefern, worauf es bei einer ordentlichen Wahl doch mindestens ankäme: eine Regierung, mit der Deutschland kalkulieren kann. Wer ‚unser Mann in Italien‘ ist, bleibt bis auf Weiteres eine große Leerstelle.

      © 2017 GegenStandpunkt Verlag

      Chronik (3)

      Das Betriebsrentenstärkungsgesetz:

       Ein Etappensieg im Kampf des Sozialstaats für ein Leben im Alter

      Das mit dem Wortungetüm ‚Betriebsrentenstärkungsgesetz‘ bezeichnete Werk ist ein weiterer Etappensieg in dem jahrzehntelang geführten ‚Kampf‘ des Sozialstaats gegen die ‚Altersarmut‘, die nach Auskunft der Politik längst nicht mehr bloß diversen ‚Einzelschicksalen‘, sondern der Klasse der Lohnabhängigen überhaupt droht. Dass die erste Front in diesem ‚Kampf‘ auf dem Feld der gesetzlichen Rente liegt, ist allen Beteiligten klar – schlicht deswegen, weil ihnen ebenso klar ist, dass ohne staatliche Intervention in die privaten Einteilungskünste der Bürger ein Leben im Alter einfach nicht zu haben ist. Auch darüber herrscht Konsens: Dass dieser Umstand einen Einspruch gegen das nationale Lohnniveau begründen würde, ist als üble Nachrede der Linkspartei zu verbuchen, die sich damit außerhalb der Debatte stellt; dass die Höhe dieses Lohnniveaus in Ordnung geht, hat man ja schwarz auf weiß in den einschlägigen Statistiken zu Wachstum und Beschäftigung. Und schließlich gilt unter den marktwirtschaftlich verantwortlicheren Parteien jenseits aller Differenzen in der Frage, wie die Modalitäten der gesetzlichen Rente denn umzugestalten sind, seit Jahren als ausgemacht, dass auch die schönste Reform der gesetzlichen Rente nicht ausreichen wird, um sicherzustellen, dass es auch nach einem Leben in Lohnarbeit möglich ist, von ihr zu leben. Zusätzliche ‚Säulen‘ bei der Altersvorsorge müssen also her; und die müssen die Leute, die sie brauchen, selbst auf dem Fundament aufbauen, auch wenn – dies der Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit – der Lohn der Einzelnen ein Leben im Alter niemals hergibt.

      Das alles muss man aber nicht gleich so negativ sehen:

      „Wer ein Leben lang gearbeitet hat, der muss im Alter abgesichert sein. Das ist für mich eine der Kernaufgaben des Sozialstaates in unserem Land. Meine persönliche Überzeugung ist: Jede und jeder muss die Möglichkeit haben, den gewohnten Lebensstandard im Alter zu erhalten. Das Fundament dafür ist mit Sicherheit die gesetzliche Rentenversicherung.“ (Arbeitsministerin Nahles vor dem Bundestag, 10.3.17)

      Man kann den Mangel ja auch als Beitrag fassen, egal wie hoch die gesetzliche Rente ausfallen mag. Die Errichtung und der Ausbau aller zusätzlichen ‚Säulen‘ gelten aus dieser konstruktiven Sicht eben nicht als das Stopfen einer Lücke, die die gesetzliche Rente hinterlässt, sondern als ein Bonus – und sei er noch so notwendig: „Die zusätzliche Altersvorsorge muss dann – das ist meine Überzeugung – als Plus oben draufkommen.“

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