GegenStandpunkt 3-17. Группа авторов

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würden sie sich ja nicht darauf einigen.

      Wenn die von der IG BCE gesetzten Leitplanken den Spielraum dessen abgeben, was am Ende für die Arbeitnehmer an Arbeitszeitmodell herauskommt, definieren sie recht betrachtet auch den Freiraum für deren „bedarfsgerechte Flexibilität“. Insofern ist die Ausweitung, die die alten Korridore im Zuge ihrer Umwidmung zu nun aber wirklich festen Leitplanken erfahren, gleichzeitig eine Erweiterung der Möglichkeiten der Arbeitnehmer, für die die Gewerkschaft den ganzen Aufwand schließlich betreibt, und die Gewerkschaftsfunktionäre stehen nicht an, den Beschäftigten zu erklären, welche Perspektiven sich ihnen damit auftun. Z.B. der Landesbezirksleiter Nordost im Selbstinterview der Kampagnenzeitung:

      „Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich nach der Ausbildung in der chemischen Industrie übernommen wurde. Da steht man plötzlich vor der Frage, ob man bis zur Rente in einer gleichbleibenden Wochenarbeitszeit arbeiten will. Dabei ist doch klar, dass es Phasen gibt, in denen ich mal weniger arbeiten will. Wenn ich mich zum Beispiel um meine Kinder oder Hobbys kümmern möchte. Oder ich möchte wieder mehr arbeiten, wenn die Kinder aus dem Haus sind und Langeweile aufkommt. Hier brauchen wir einfach mehr Flexibilität. Wie schafft der neue Manteltarifvertrag diese Flexibilität? Indem er die Möglichkeit schafft, dass Betriebsrat und Arbeitgeber im Betrieb oder in Betriebsteilen eine betriebliche Arbeitszeit festlegen können. So können sie zum Beispiel gesundheitsschonendere Schichtsysteme entwickeln.“

      Wenn das tatsächliche Ausschöpfen der großartigen neuen Möglichkeiten, Beruf und Familie mittels Lohneinbußen besser vereinbar, Schichtarbeit länger aushaltbar und das Rentenalter durch lebensphasengerechtes Haushalten mit der vorgegebenen Lebensarbeitszeit am Arbeitsplatz erreichbar zu machen, dem Betriebsrat überantwortet wird, dann ist gleich zweierlei garantiert. Erstens natürlich, dass dieses Gremium, nach entsprechenden gewerkschaftlichen Schulungen „mit richtig guten Ideen und Projekten“ ausgestattet, in der Umsetzungsphase ab 2019 auch wirklich das Beste für die Arbeitnehmer herausholt. Und zweitens die Beachtung der entscheidenden Prämisse aller guten Ideen: Verantwortungsvolle Arbeitnehmervertreter vor Ort wissen auch ohne Blick in das Betriebsverfassungsgesetz, dass Gesundheitsschonung und die Möglichkeit zur Hobbypflege im Betriebswohl ihr hartes Kriterium haben – alles andere würde ja die Arbeitsplätze selbst aufs Spiel setzen, die da arbeitnehmergerecht gestaltet werden sollen.

      *

      Gewerkschaftliche Interessenvertretung durch ihre Überantwortung an den Betriebsrat – dieser fortschrittliche Schachzug bleibt nicht der IG BCE vorbehalten:

      Für einen kurzen Moment wundert sich die Republik: Gerade erst hatte der Gesetzgeber den boomenden Einsatz von Zeitarbeit in deutschen Betrieben begrenzt und sich damit vonseiten der Gewerkschaften neben viel Lob unter anderem die Kritik zugezogen, dass die Einschränkung der Verleihfristen nicht weit genug gehe. Und im nächsten Moment macht die IG Metall von einer weise ins Gesetz eingebauten Klausel Gebrauch, die eine tarifvertragliche Abweichung von den gesetzlichen Bestimmungen erlaubt, und vereinbart im ersten Anwendungsfall dieser gesetzlichen ‚Privilegierung‘ der Tarifparteien eine Ausweitung der Leiharbeitsfristen bis zu vier Jahren, mit den Worten einer teilnehmenden Öffentlichkeit „Leiharbeit als Dauerzustand“ (FR.de, 19.4.17). Das erstaunt nicht nur die Fraktionssprecherin der Linken für Arbeit und Mitbestimmung Jutta Krellmann: „Wenn das Gesetz am Ende besser ist als der Tarifvertrag, dann fragt sich der mündige Gewerkschafter, wozu er eine Gewerkschaft braucht.“ Rio Antas, IG-Metall-Vorstand mit Fachbereich Tarifpolitik, kann da weiterhelfen:

      „Eine Höchstverleihdauer von vier Jahren sieht die IG Metall als Ausnahme an, um betrieblich über den tarifvertraglich geregelten Rahmen hinaus bessere Beschäftigungsbedingungen zu sichern. Nach Einschätzung der Gewerkschaft ergänzen die Regelungen des Tarifvertrages das neue Gesetz. Dieses regele, dass die Leihbeschäftigten höchstens 18 Monate einem Betrieb überlassen werden dürfen. Das könnten Zeitarbeitsfirmen auch mit Rotationsmodellen umsetzen, indem sie ihre Beschäftigten austauschen, sagt Rio Antas. Nach dem Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie dürften die Betriebe ihre Leiharbeiter zwar sechs Monate länger beschäftigen – dann aber seien sie verpflichtet, eine unbefristete Übernahme anzubieten.“ (haz.de, 19.4.17)

      Bei rechtem Licht betrachtet handelt es sich bei der Ausweitung der zulässigen Verleihdauer also gar nicht um eine Verschlechterung, weil die gesetzliche Regelung sonst mit Rotationsmodellen einfach umgangen würde. Eine Verlängerung um sechs Monate ist folglich im Sinne derer, die sonst schon vorher rotieren müssten. Warum dann die unbefristete Übernahme stattfinden sollte, deren Umgehung mittels fristgerechter Rotation eben noch unterstellt war, bleibt zwar ein Rätsel. Das muss aber auch gar nicht sein, denn auch für den Bedarf nach längerer befristeter Anstellung von Leiharbeitern hat die IG Metall eine konstruktive Lösung parat. Sie kann sich auch eine Verlängerung der Verleihdauer auf bis zu 48 Monate vorstellen:

      „Da es sich bei solchen Vereinbarungen um ein Geben und Nehmen handele, könnten die Betriebsräte als Gegenleistung für eine 48-monatige Überlassungsdauer andere Vorteile – etwa übertarifliche Entlohnung oder Sondergratifikationen – für Leiharbeiter verlangen, so der Gewerkschaftssprecher. In diesem Sinne eröffne die Vier-Jahres-Grenze die Möglichkeit, bessere Beschäftigungsbedingungen zu sichern.“ (FR.de, 19.4.17)

      Keine Frage, die IG Metall hat ihre Lektion in Sachen Leiharbeit gelernt: Den Anforderungen der Betriebe gilt es sich nicht entgegenzustellen, sondern sie bedingungslos zu unterschreiben, um sie auszunutzen: Das ist die Lösung! In diesem Sinne gibt die Gewerkschaft den Betriebsräten das machtvolle Instrument in die Hand, Verschlechterungen im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung einzuräumen, um im Gegenzug möglicherweise Verbesserungen als Preis verlangen zu können. So lässt sich aus dem neuen Gesetz zur Leiharbeit noch richtig etwas im Sinne der Leiharbeiter herausholen. Und ganz nebenbei gibt die IG Metall damit der gesetzlichen Privilegierung der Tarifpartnerschaft genau den gemeinten Inhalt: Die nationalen Standortbedingungen werden sozialpartnerschaftlich, also friedlich, optimiert.

      © 2017 GegenStandpunkt Verlag

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