X-World. Jörg Arndt

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X-World - Jörg Arndt

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überaus nachtragender Mensch, der seit Jahren auf Rache gegen mich sinnt. Also raus mit der Sprache, was hast du getan?“

      Yannick schluchzte. „Ich wollte Betty doch nicht verlieren!“, jammerte er, „und Lutz hat gesagt, er könne mir helfen. Mit diesem – komischen USB-Stick.“

      Ron zuckte zusammen. Natürlich, es war so einfach. Ein modifizierter Mobilfunk-Stick! Dass er nicht schon früher darauf gekommen war! Er musste das System sofort abschalten, jetzt hatte er keine Wahl mehr.

      „Gut“, sagte er, „das war’s. Yannick, du bist gefeuert. Lass dich nie wieder bei mir blicken. Betty, deine Existenz ist hier zu Ende. Und du, Lutz, du alte Schlange“, brüllte er plötzlich los, „wenn ich dich in die Finger kriege, dann breche ich dir jeden Knochen einzeln. Auf dem Bauch sollst du kriechen und um Entschuldigung winseln, du mieser Misthund!“

      Zur Feier des Tages genehmigte sich Lutz ein Glas seines besten Whiskys. Behaglich ließ er sich den aromatischen Duft in die Nase steigen, prostete in Gedanken seinem Erzfeind zu und trank einen Schluck voller Andacht. Es hätte kaum besser laufen können. Er hatte nicht nur Zugriff auf das Spiel bekommen, sondern den gesamten Server geplündert und die Spieledateien komplett heruntergeladen. Er grinste gehässig. Ron war so ein Idiot. Er hatte den Mobilfunkstick viel zu spät entdeckt. Egal, welche Verträge er nun mit diesen Koreanern aushandelte, das Spiel würde es in Kürze für jedermann zugänglich im Internet geben. Das sollte dem Verkauf doch wohl etwas den Schwung nehmen. Tja Ron, war wohl nichts mit deinem Comeback!

      Lutz genoss den Triumph. Auf diese Gelegenheit hatte er lange gewartet. Und das war erst der Anfang. Er stellte das Glas beiseite, wandte sich wieder seinem Laptop zu und startete den Passwort-Cracker.

      ****

      Yannick irrte durch die Straßen. Es hatte geregnet, überall standen Pfützen mit schmutzig braunem Wasser, doch er achtete nicht darauf. Sein Leben lag in Trümmern. In den vergangenen Wochen war so viel geschehen, dass er innerlich gar nicht mehr hinterherkam: Erst sein glanzvoller Sieg bei den eGames, dann der Job bei einer Legende der Softwarebranche, die Arbeit mit Computerperipherie der Zukunft – und schließlich sie. Betty. Ein Traum von einem Mädchen. Warum begegnet einem so eine nie im realen Leben?

      Und nun war alles vorbei. Die langen vertrauten Gespräche mit ihr, die Entwicklung der Spielwelt, die Fachsimpeleien mit Ron, die Träume von einem festen Job in einem Bereich, der hundertprozentig zu ihm passte. Diese Tankstellengeschichte hielt ihn zwar über Wasser, aber damit wollte er sein Leben nun wirklich nicht verbringen.

      Er sah auf die Uhr. In einer Stunde begann sein Dienst. Ausgerechnet jetzt. Aber vielleicht war es auch ganz gut so. Das würde ihn von dummen Gedanken abhalten. Fürs Erste.

      ****

      Als das Telefon klingelte, brauchte Ron eine ganze Weile, um sich zu orientieren. Er hatte Kopfschmerzen. Vorsichtig öffnete er die Augen und stöhnte, als er die leeren Flaschen in seiner Wohnung herumliegen sah. Er versuchte, den Anruf zu ignorieren, aber das Telefon klingelte ungerührt weiter. Schließlich gab er auf, hob den Hörer ans Ohr und meldete sich so freundlich er konnte: „Hmpf?“

      „Guten Morgen, Herr Schäfer, ich habe Sie doch nicht etwa geweckt? Es ist zehn Uhr morgens!“

      Ron erkannte die Stimme von Gerhardt Fleischmann. Der hatte ihm gerade noch gefehlt! Vorsichtig, um den enormen Kopfschmerz nicht noch weiter zu verschlimmern, setzte er sich in seinem Bett auf.

      „Ich habe fast die ganze Nacht am Computer verbracht“, sagte er. Das war nicht mal gelogen. Nach der gestrigen Katastrophe hatte er sich auf der Suche nach Ablenkung bis in die frühen Morgenstunden im Internet herumgetrieben.

      „Das freut mich zu hören. Ich hoffe, das Projekt geht gut voran? Haben Sie einen Assistenten gefunden?“

      „Ja, habe ich. Aber leider musste ich ihn wieder entlassen. Er hat mich hintergangen.“

      „Oh, das tut mir leid“, sagte Dr. Fleischmann, und in seiner Stimme schwang aufrichtiges Bedauern mit. „Die Situationen, in denen ich mich mit Vertrauensbruch seitens meiner Mitarbeiter konfrontiert sah, gehören zu den schwärzesten Erinnerungen meines Lebens.“

      Er machte eine kurze Pause.

      „Aber vielleicht tröstet es Sie ein wenig, wenn ich Ihnen erzähle, dass die Firmengründung nun erfolgreich abgeschlossen ist und ich Ihnen ein Team von zwanzig fähigen Spieleprogrammierern anbieten kann.“

      Ron staunte. Der Alte war wirklich ein Mann der Tat. Einen Moment lang überlegte er, ob er ihn in die gestrigen Vorkommnisse einweihen sollte, aber dann besann er sich eines Besseren. Erstmal einen klaren Kopf bekommen.

      „Ich erwarte Sie morgen früh in Frankfurt“, fuhr Dr. Fleischmann fort. „Bringen Sie Ihre bisherigen Ergebnisse mit, und bereiten Sie sich darauf vor, das Team einzuweisen. Inwieweit Ihre Anwesenheit vor Ort dann erforderlich ist, müssen wir sehen. Ich bin noch von der alten Schule und habe meine Mitarbeiter gerne vor Augen, aber ihr Computermenschen regelt so was ja heutzutage über das Internet. Es ist mir egal, wie Sie das machen, doch in spätestens sechs Wochen möchte ich an den Markt gehen.“

      Ron nickte innerlich. Das war durchaus zu schaffen. Er konnte auf ein Backup zurückgreifen, das er unmittelbar vor Bettys Erschaffung angelegt hatte. Darin fehlten zwar alle Tiere, die Yannick und er seitdem in die Welt entlassen hatten, aber das war zu verschmerzen.

      „In Ordnung“, sagte er. „Wir sehen uns morgen.“ Er kletterte mühsam aus dem Bett und wankte ins Bad.

      Gut, dass ich nicht schon heute nach Frankfurt soll, dachte er und übergab sich.

      Als Ron am nächsten Morgen auf dem Frankfurter Hauptbahnhof eintraf, waren seine Kopfschmerzen einer grimmigen Entschlossenheit gewichen. Er wollte sich von Lutz nicht stoppen lassen, egal was der sich in seinem Rachedurst noch einfallen ließ. Wie konnte ein Mensch bloß so an seinem Zorn festhalten? Immerhin war er selbst es gewesen, der damals den Bug im Internet veröffentlicht und damit den Stein ins Rollen gebracht hatte.

      Ron verbot sich, weiter über dieses Thema nachzudenken. Es war sinnlos. Mehr als einmal hatte er versucht, sich mit seinem ehemaligen Assistenten auszusprechen und war dabei immer nur auf eine Wand aus Ablehnung und Hass gestoßen. Ihn schauderte es bei der Erinnerung daran.

      Während ihrer Zusammenarbeit hatte er Lutz nie anders als zuvorkommend und nett erlebt, aber im Nachhinein hatte sich das als bloße Fassade erwiesen. In Wahrheit hatte es den Älteren zutiefst gekränkt, dass er nur der Assistent gewesen war und sich nach den Anweisungen eines jüngeren, weniger erfahrenen Programmierers richten musste.

      Ron konnte diese Entscheidung der Firmenleitung nachvollziehen. Lutz war auf seine Art brillant; sein enormes Wissen über die Tiefen und Abgründe der Systeme hatte schon fast etwas Unheimliches – aber seine Begabung war doch recht speziell.

      Ron war eindeutig der kreativere Kopf. Während Lutz tausend Wege einfielen, um an fremde Ideen zu kommen und sie mit wenigen Veränderungen als seine eigenen auszugeben, sprudelten bei Ron die genialen Einfälle nur so heraus.

      Er blickte sich um. Der Bahnhof war voll mit hastenden Menschen, die anscheinend alle wussten, wo sie hinwollten. Ron nahm seinen Koffer auf und ging den Bahnsteig hinab. Diesmal würde ihn wohl kein Bediensteter mit einem Firmenwagen abholen. Aber diesmal würde er auch keine Enttäuschung erleben. Denn jetzt wartete

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