Malefizkrott. Christine Lehmann

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Malefizkrott - Christine Lehmann

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…«

      »Ich kann mich auch in Ihr Wireless-Netzwerk einloggen und Ihren Computer und den Ihrer Tochter absaugen.«

      »Unser System ist selbstverständlich passwortgeschützt.«

      Ich schnalzte mit der Zunge und lächelte. »Wo hat der Drohbriefschreiber Lolas E-Mail-Adresse her?«

      Eine winzigen Moment nur war er verunsichert. »Jugendliche hinterlassen doch überall Spuren im Netz. Lola ist natürlich in Facebook …«

      »Da ist meine E-Mail-Adresse verborgen, Pappo. Das habe ich dir schon ixig Mal erklärt. Da klickt man den Namen an. Und dann stünde hier Facebook als Absender. Ist aber nicht. Additional muss der bei Facebook angemeldet sein.«

      Ich kannte zwar einen, der sich ohne eigenes Profil in Facebook bewegte, auch in den verborgenen Profildaten, aber das erwähnte ich nicht.

      »Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten«, sagte ich. »Bei dem Autor dieser Zeilen handelt es sich um eine Person aus Lolas Bekanntenkreis, was wir ja ohnehin annehmen, oder aber die Person ist in Ihr Netzwerk eingedrungen und hat Ihre Adressdateien kopiert.«

      »Je nun …«, seufzte Michel Schrader und erhob sich endlich.

      In Karawane zogen wir in ein mit Büchern vollgestopftes Arbeitszimmer, in dessen Mitte sich zwei Schreibtische gegenüberstanden, der eine mit einem Laptop, der andere mit einem Computer ausgestattet. Auf der Computerseite rutschten Hefte und Schulbücher durcheinander, auf der Laptopseite herrschte eine Parallelordnung von Stiften, Heftern und Büchern.

      »Sie sitzen hier gemeinsam?«, fragte ich entgeistert. Vater und Tochter einander gegenüber. Ich war fassungslos.

      Lola grinste hinter ihren Haaren. Ihr Blick hatte sich vorübergehend an meinem Kehlkopf festgezurrt. Auch sie wusste wohl, dass der Adamsapfel das einzige fast sichere Erkennungsmerkmal eines Adams war. Nun suchte sie unter meinem Jackett nach Brüsten.

      Brontë wackelte unwirsch, als ich mich hinters Lenkrad fallen ließ. Die jungen Boliden hatten wohl nichts wissen wollen von ihrem letzten Auftritt beim Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring. Typisch Jugend: weiß schon alles und viel besser und stellt Fragen, falls welche auftauchen, im Netz.

      Ich zog mein Handy aus der Jackentasche, aktivierte die Favoriten und tippte Richards Büronummer.

      »Herr Dr. Weber ist in der Sitzung«, teilte mir seine Sekretärin mit.

      »Das sagen Sie immer. So was nennt man Leitmotiv«, sagte ich.

      »Bitte?«

      »Lesen Sie manchmal Bücher, Frau Kallweit?«

      »Ich habe immer viel gelesen! Aber jetzt bin ich abends oft zu müde dazu.«

      »Was lesen Sie denn so?«

      »Och, ja … also …«

      »Was haben Sie denn zuletzt gelesen?«

      »Ach, das war bloß zur Unterhaltung.« Sie kicherte. »Jetzt fällt mir auch der Titel nicht mehr ein.«

      »Worum ging es denn?«

      »Um das, worum es immer geht in Büchern, um die Liebe. Im Krieg verliebt sich ein junges Mädchen in einen Baron. Der soll aber eine andere heiraten. Dann werden sie durch die Flucht getrennt. Und sie wird beinahe vergewaltigt. Ich interessiere mich sehr für geschichtliche Themen. Und die Russen, die waren ja auch keine Engel.«

      Roswita Kallweits Welt.

      »Herr Dr. Weber ist in Mannheim«, gestand sie mir nun immerhin zu. Wo man liest, da lass dich ruhig nieder – böse Menschen haben keine Bücher. »Da gibt es irgendein Problem bei der Staatsanwaltschaft. Hat er Ihnen denn nichts gesagt?« Der Triumph der Sekretärin über die Gespielin des Chefs flatterte.

      »Was geht’s mich an, wo er vögelt«, antwortete ich.

      Roswita Kallweit lachte unverhofft ungestüm.

      Ein halbwüchsiger Junge mit Umhängetasche auf dem Arsch und Hosen auf den Hüften bog um die Ecke. Er schleuderte sein Haar mit halswirbelknackendem Ruck aus den Augen und bummelte den Gehweg entlang. Auch wenn junge Kerle für mich inzwischen alle gleich aussahen, erkannte ich den Schüler wieder, der bei Lolas Lesung gewesen war: Nino Villar. Er blieb nicht am Tor zu Schraders Haus stehen, er zögerte kurz, dann ging er vorbei.

      Kallweit lachte immer noch. Vermutlich sprang ihr Busen und warf auf ihrem Tisch die Porzellankätzchen um. »Wann er wiederkommt«, japste sie, »kann ich Ihnen leider nicht sagen.«

      »Sie haben mehr gesagt, als ich zu hoffen wagte, Frau Kallweit. Sie sind ein Schatz.«

      Ich ließ Richards Handy klingeln, aber er ging nicht ran. Es gehörte zur Fiktion unserer Daueraffäre, dass sie keine war, sondern sich immer wieder ad hoc ergab. Nur einmal und dann nie wieder hatte Richard es gewagt, eine eheähnliche Verabredung des Stils zu treffen: »Ich muss nächste Woche nach München.« – »Wenn du zurückkommst, bin ich nicht mehr da«, hatte ich geantwortet. Seine Entgeisterung tat mir damals nicht leid. »Man kann sich doch gegenseitig informieren.« – »Du meinst belügen!« – »Wieso belügen?« – »Ist mir doch schnurz, mit wem du vögelst, Richard!« – »Aber, Lisa! Ich wollt doch nur …« – »Und ich will das nicht! Schluss, aus, vorbei!« Ich hatte mich auf Kneipentour begeben an dem Freitagabend, an dem er, wie ich angestrengt vermied, mir gemerkt zu haben, hatte zurückkommen wollen. Als ich nachts um drei mit alkoholschweren Gliedern in meine Wohnung lärmte – damals noch ohne Dackel –, saß er auf meinem Sofa mit der Fernbedienung in der Hand vor dem jedoch dunklen Fernseher. Es war, glaube ich, das erste Mal, dass er Oma Scheible überredet hatte, ihn mit ihren Schlüsseln bei mir reinzulassen. Da hatte er dann gesessen und gewartet und sich vor der Szene gefürchtet, die ich ihm machen würde. Ich war ihm allerdings nur vor die Füße gefallen, er hatte mich ins Bett tragen müssen. Sex dann erst mit knurrendem Kater nach Sonnenaufgang.

      Ich fuhr nach Hause, setzte mich an meinen Klappcomputer und schickte Wagner eine verschlüsselte Mail mit den Drohbriefen von meinem USB-Speicher und den Grunddaten der Familie Schrader. Wagner würde wissen, was ich brauchte, besser als ich selbst. Bei ihm machte man so wenige Wort wie möglich, denn es bestand stets Gefahr, dass sie illegal waren. Ich hatte Wagner nur einmal in Fleisch und Blut getroffen. Das war auch schon eine Weile her8. Damals hatte ich geglaubt, er führe eine Firma, die für große Unternehmen die Sicherheitslücken fand. Den Amazon-Algorithmus hatte er halbwegs entschlüsseln können, und auf Facebook bewegte er sich unerkannt. Inzwischen ahnte ich, dass er weder eine solche Firma führte, noch Wagner hieß. Welchen großen Geheimmissionen im weltweiten Netz er auch verpflichtet war, mir gestattete er immer, mich gegen Rechnung mit kleinen Rechercheaufträgen an ihn zu wenden.

      Dann rief Rudolf Wagenburg an. »Ich habe die Polizei nach der Chemikalie gefragt. Aber die sagt nichts. Täterwissen.«

      »Und einen konkreten Verdacht? Gibt es den?«

      »Scheint’s nicht. Übrigens habe ich eine Mail bekommen, von einem gewissen Michel Schrader, der behauptet, der Brandanschlag habe seiner Tochter gegolten, und es sei eine Schande für unseren Berufsstand, dass wir ihre Lesung nicht erwähnt hätten. Oder ob uns das verboten worden sei. Warum glauben die Leute eigentlich immer, dass wir

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