Malefizkrott. Christine Lehmann
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»Lola ist deren Tochter. Und sie hat schon Drohbriefe bekommen. Aber das schreibst du nicht, falls du darüber was schreiben willst!«
»Was glaubst du? Ist das ernst?«
»Ich halte es eher für eine handgestrickte Marketingstrategie.«
Rudolf lachte trollingerdunkel. »Wenn einer ein Buch schreibt, meint er immer, es wird ein Bestseller. Es soll sogar Leute geben, die vertrauen dem Verlag ihr Manuskript gar nicht an, vor lauter Angst, der künftige Bestseller würde ihnen geklaut.«
Ich lachte. »Wie das denn?«
»Die denken scheint’s, so ein Verlag würde das Ding unter einem andern Namen veröffentlichen, um Millionen zu scheffeln und sich das mickrige Autorenhonorar zu sparen.«
»Was kriegt denn ein Autor so?«
»Eine Debütantin wie Lola höchstens fünf oder sechs Prozent vom Ladenpreis.«
»Ach Gott!«
»Aber entscheidend ist der Vorschuss. Man nennt das Garantiehonorar, weil man es nicht zurückzahlen muss, wenn der Verlag weniger Bücher verkauft als gedacht.«
»Und wie hoch ist das so?«
»20 bis 30 000 Euro vielleicht, je nachdem. Was für einen Verlag hat die Kleine denn?«
»Yggdrasil.«
»Ach herrje! Der kann nicht groß Vorschüsse bezahlen, höchstens einen Tausender. Und das ist realistisch. Mehr wird die Kleine nicht verdienen damit.« Er lachte gurgelig. »Oder soll ich sie hochschreiben?«
Ich lachte mit. »Wenn du Lola einen Gefallen tun willst, dann tu es nicht.«
»Man überschätzt eh die Macht der Presse. Das Werbebudget des Verlags ist entscheidend. Ob er sich bei Walfisch einkaufen kann oder nicht.«
»Wie bitte?«
»Walfisch, die Buchkette, ja? Die haben vor einem Jahr auf der Königstraße eine Filiale aufgemacht.«
»Ich hasse Buchläden!«
»Haha! Wie dem auch sei, bei Walfisch gibt’s nur Verkaufsschlager. Und sie sind richtig auf Eroberungszug durch Deutschland. Die Strategie lautet: Verdrängung der ortsansässigen Traditionsbuchhandlungen und kleinen Sortimenter.«
»Bitte was?«
»Kommt von sortieren. Der Buchhändler sortiert für den Kunden vor und in Regale ein. Walfisch macht es sich da leicht. Er stellt nur hin, was sich gut verkauft. Und dafür müssen die Verlage zahlen. Soll das Buch auf einem Tisch im Eingangsbereich im Stapel ausliegen, fallen ungefähr 50 000 Euro an. Ein kleiner Verlag kann sich das nicht leisten. Nicht einmal den Zentimeter, den das Buch mit seinem Rücken im Regal einnehmen würde.«
»Du machst Witze!«
»Nein, Lisa! Ich weiß gar nicht, was das ist. Der Buchhandel redet da nur nicht gern drüber. Man täte gern die Fiktion aufrechterhalten, das Buch sei die letzte Bastion geistiger Freiheit in einer kommerzialisierten Welt. Der Dichter schreibt ohne Berechnung und hungert, der Verleger entdeckt und publiziert leidenschaftlich, der Buchhändler stapelt und flüstert Tipps, der Leser kauft wissbegierig, der Kritiker lobt oder verreißt kenntnisreich, der Autor ist entweder genial, aber verkannt, oder plötzlich reich und gefeiert. Aber eigentlich ist alles ganz anders.«
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