Geburtsort: Königsberg. Ursula Klein

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Geburtsort: Königsberg - Ursula  Klein

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auf den Stuhl, auf dem er sonst sitzt, putzt am Abend die Schuhe und stellt seinen gepackten Ranzen daneben. Am Morgen braucht er dann nur alles nacheinander zu nehmen und es gibt keine Sucherei. Habt ihr mich verstanden?“

      Verstanden hatten alle Kinder diese einfache Anweisung. Aber ob es auch klappte? Wenn dann alle Kinder im Bett waren, schaute Mutter noch einmal jedes „Häufchen“ an, um auch gleich zu kontrollieren, ob alles sauber und ganz war. Und es klappte fast immer. Freundlich nickte sie dann ihrem Mann zu, wenn alles in Ordnung war. Aber es ging ja auch gar nicht anders. In der kleinen Wohnung musste Ordnung herrschen.

      Aber die Ordnung in der Regierung hatte sich immer noch nicht gefestigt. Im März hatte die Reichswehr unter Kapp die Regierung gestürzt und die Nationalversammlung aufgelöst. Doch der Putsch war gescheitert. In Königsberg wurde der Oberpräsident Winnig, der mit den Putschisten sympathisiert hatte, seiner Ämter enthoben und es wurde wieder friedlicher.

      Nur ab und an gab es noch Demonstrationen der Nationalsozialisten, die im Land „aufräumen“ wollten und der Linken, die sich um die Früchte ihres Kampfes betrogen fühlten. Aber im Gegensatz zu Thüringen, Sachsen und im Ruhrgebiet verliefen diese Volksansammlungen relativ ruhig.

      *

      Auch Otto und Anna glaubten wieder an eine glückliche Zukunft. Sie lebten in „56“ ruhig und zufrieden. Otto hatte Arbeit und freute sich jeden Tag, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, er seine Frau umarmen konnte und wenn ihn seine Kinder freudig begrüßten.

      Aber manchmal mussten sie auch beichten, was sie für Dummheiten tagsüber gemacht hatten. Das war für sie eigentlich die schlimmste Strafe, denn sie mussten nicht nur bis zur Heimkehr des Vaters warten und Besserung geloben, sondern manchmal löste Vater auch den Lederriemen vom Hosenbund und es gab eine Tracht Prügel, die man nicht so schnell vergaß. Heulend zog sich dann der arme Sünder in ein Eckchen zurück und bedauerte selbst seinen Schmerz. Und jedes Mal folgte im Stillen der heilige Schwur: „Ich will das nie wieder machen!“ Mutter war während der Erziehungstortour immer in der Küche, weil sie es nicht mit ansehen konnte, wenn der Vater zu solchen Mitteln griff. Aber manchmal war es schon notwendig, dass die Kinder mit allem Nachdruck auf den Gehorsam aufmerksam gemacht wurden. Und schließlich war bisher noch kein Kind davon gestorben – Schläge waren ein allgemeines Erziehungsmittel.

      Krohns Kinder bekamen gar nicht oft solche Erziehungsmaßnahmen zu spüren, denn kleine Zänkereien oder Hänseleien wurden sofort von Mutter geklärt. Hatte aber ein Kind die Unwahrheit gesagt oder war es wiederholt faul gewesen, dann spürten sie Vaters Hand.

      Jedoch verging kein Tag, an dem ein Kind bockig oder böswillig ins Bett ging. Das gemeinsame Abendgebet machte allen Kindern durch den Glauben bewusst, dass Jesus auch den schlimmsten Sündern vergab, also auch ihnen. Und mit einem Gute-Nacht-Kuss vom Vater waren Schmach und Schmerz wieder vergessen, aber das Versprechen auf Besserung nicht.

      Im Stillen und ganz geheim tauschten die Kinder nach solchen Berührungen mit dem Stock oder dem Riemen gegenseitig die Erfahrungen aus. Hanna wusste aus der Schule, dass in den Wintermonaten der Rohrstock des Lehrers – auf den warmen Ofen gelegt – sehr schnell seine Wirkung verlor, weil er durch das Austrocknen in tausend Stücke zerfiel, sobald er auf den Hosenboden oder die Hände niedersauste. Drohend stellte dann zwar der Lehrer die Frage: „Wer hat das gemacht?“, aber keiner der Kinder meldete sich freiwillig. Jedoch schneller als gedacht, hatte sich der Lehrer einen neuen Rohrstock besorgt und für die nächsten Tage legte er ihn auch nicht während der Pause aus der Hand.

      Eine andere, auch ganz gut funktionierende Methode war, dass man unter den Schlüpfer Zeitungspapier legte. Dadurch entstanden nicht so schmerzende Riemen auf dem Hintern und man konnte sich besser wieder hinsetzen, denn sonst tat es höllisch weh. Bei manchen klappte dieser Trick aber nicht, wenn nämlich der Lehrer das zu dicke Polster entdeckt hatte. In solchen Fällen wurde dann kurzer Prozeß gemacht: Hose runter und der Rohrstock tanzte auf dem nackten Hintern.

      Eigentlich durfte der Lehrer gar nicht so sehr schlagen, aber wo sollten sich die Kinder schon beschweren? Wenn sie Zuhause ihr Leid klagten, bekamen sie höchstens noch eine Ohrfeige dazu, weil sie nicht aufgepasst hatten.

      Die größeren Kinder waren aber auf eine ganz tolle Idee gekommen: Ihr Lehrer schlug nicht auf den Hosenboden, sondern auf die Fingerspitzen.

      Das tat furchtbar weh und außerdem konnte der so disziplinierte Schüler nicht mehr gut schreiben. Um den Schmerz besser äußerlich sichtbar zu machen, rieben sich die Kinder – die schon solche Maßnahmen ahnten – die Finger mit Zwiebeln ein. Wenn dann der Lehrer auf die Fingerspitzen einschlug, schwollen sie an und manchmal platzte auch die Haut auf. Wenn das erreicht war, konnte sich der Schüler beim Direktor beschweren. Und das tat gut, denn dann musste der Lehrer zur Schulleitung gehen und sich rechtfertigen. Das konnte natürlich auch weitere Konsequenzen für ihn haben. Der größte Wunsch der Schüler für solch einen Lehrer war, dass er in eine andere Schule versetzt würde.

      *

      So waren schon viele Generationen erzogen worden und die Erfahrungen gingen von Hand zu Hand.

      Und es waren langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet, denn Königsberg hatte schon seit 1699 die erste Armenschule, in der nicht nur lesen, schreiben und rechnen gelehrt wurde, sondern auch Hausandachten tägliche Pflichterfüllung waren. Anlässlich der Krönung erhielt die Schule 1701 das Prädikat „königlich“. Später wurde daraus das „Collegium Fridericianum“, allen bekannt als angesehendste aller ostpreußischen Schulen. Die Schulen vor dieser Zeit waren die sogenannten „Winkelschulen“, in denen „Lehrer unterrichteten“, die unausgebildet und desinteressiert waren, da sie nur ein ganz geringes Entgelt für ihre Arbeit erhielten. Doch bereits 1732 wurde die allgemeine Schulpflicht eingeführt und die Prediger für die Qualität des Unterrichts und der Unterrichtenden verantwortlich gemacht. Dadurch bedingt gab es 10 Jahre später bereits 18 Armenschulen, d. h. Volksschulen. Nun wurden auch die Lehrer richtig ausgebildet, und zwar in Deutsch, Litauisch und Polnisch, denn alle Sprachen waren in und um Königsberg gebräuchlich.

      Nach diesen grundsätzlichen Anfängen und mit dem geistigen und kulturellen Aufschwung in und um Königsberg wurden noch weitere Bildungseinrichtungen geschaffen. So wurde 1840 die Kunstakademie gebaut, eine Meisterschule des deutschen Handwerks, 1914 das Hufe-Gymnasium, die Burgschule, die Friedrich-Ebert-Schule als Volksschule, die Taubstummenanstalt, die Blindenanstalt, 1930 die Handelshochschule als Mädchengewerbeschule, die im Volksmund „Klopsakademie“ genannt wurde, um nur einige zu nennen.

      Die wesentlichste Bildungseinrichtung war und blieb jedoch die Universität, die durch Herzog Albrecht 1544 gegründet worden war. Hier wurden zwar anfänglich für das eigene Land vorwiegend Theologen, Juristen und Ärzte ausgebildet, jedoch wurde sehr schnell besonders über Immanuel Kant der gute Ruf über die Universität verbreitet.

      Die Königsberger ehrten ihn durch ein Denkmal am Paradeplatz. Sein Grabmal am Dom ist heute noch ein wichtiges Kulturzeugnis aus dieser Zeit. Aus allen wesentlichen Städten, in denen Universitäten waren, kamen die Professoren zu Vorlesungen und Diskussionen, da hier eine freie und offene Meinungsäußerung die Kultur der Universität kennzeichnete. So setzten Johann Friedrich Herbart, Friedrich Wilhelm Bessel, Felix Dahn, der auch gleichzeitig Dichter war, Wilhelm v. Humboldt, Konrad Lorenz aus Österreich, Walther Ziesemer, Alfred Uckeley, Hans Rothfels und viele andere Gelehrte die Meilensteine für die Entwicklung der Universität und begründeten den Ruf für Königsberg.

      Selbstverständlich waren bei den politischen und religiösen Streitgesprächen auch Grenzen gesetzt. So wurde Julius Rupp – ein Divisionsprediger - mehrmals inhaftiert, da er die Forderungen von Kant im Zusammenhang mit der christlichen Humanität predigte und somit nicht im Einklang der Kirche handelte. Um seine Ideen letztlich doch noch durchsetzen zu können, gründete er mit seinen Anhängern

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