Geburtsort: Königsberg. Ursula Klein
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Die Arbeiter schauten sich verwundert an. Sollte das wirklich so funktionieren? Ein weiterer Zuhörer meldete sich zu Wort. Er sah in seinem Anzug wie ein besserer Angestellter aus. Und seine Frage bestätigte auch die Vermutung: „Wenn ich mir also heute auf der Bank einen Kredit besorge, dafür ein Grundstück kaufe und diesen Kredit mit einer Laufzeit von ca. 10 Jahren tilge, habe ich ein Geschäft gemacht?“ „Sie haben dann unter zwei Bedingungen ein tolles Geschäft gemacht: einmal muss die Inflation sich rasant weiterentwickeln und zum anderen müssen Sie die Tilgung und Zinszahlungen auch wirklich bezahlen können. Ist das zu einem bestimmten Termin nicht möglich, kann Ihnen das Grundstück wieder gepfändet werden und sie erhalten zu diesem Zeitpunkt nur den Markbetrag, den Sie bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlt haben. Für diesen Betrag können Sie dann aber vielleicht nur noch ein Brot kaufen.“
„Ich habe für meinen Lebensabend geplant, von den Mieteinnahmen zu leben, um nicht von meinen Kindern abhängig zu sein oder im Armenhaus zu landen. Ist das der richtige Weg in die Zukunft?“, war eine weitere Frage aus der Zuhörerschaft. „Das kann – muss aber nicht – eine sichere Bank sein. Hier müssten drei Bedingungen gelten: einmal müssen die Wohnungen immer vermietet sein, zum anderen müssen die Mieter auch die Miete bezahlen. Wenn aber die Mietpreisbindung vom Staat nicht aufgehoben wird, sind die Mieteinnahmen durch den Wertverlust des Geldes nichts mehr wert. Das heißt, Sie müssten die Miethöhe dem Wertverlust des Geldes anpassen. Nur dann haben Sie die Möglichkeit, von dem Geld auch zu leben.“
„Ich habe für meine Familie ein Sparkonto angelegt, damit ich unvorhergesehene Ausgaben oder lange geplante bezahlen kann, zum Beispiel die Ausbildung meiner Kinder. Soll ich jetzt das Geld ausgeben und mir Sachen dafür kaufen, die ich nicht so dringend brauche?“ „Mein Herr, “ und hier trat eine absolute Stille ein, „das gesparte Geld in der Zahl, also z. B. 2400 Mark bleibt. Nur was Sie sich dafür in zwei Jahren kaufen können, ist fraglich. Bezahlen Sie aber jetzt schon die Aussteuer für Ihre Tochter, ist Ihnen die Ware sicher, die Sie heute kaufen.“
„Wenn dann – nach Ihrer Prognose – das Geld nichts mehr wert ist, wie sollen wir dann unsere Nahrungsmittel bezahlen?“, fragte ein kleiner Mann ganz hinten in der Ecke. Der Redner atmete tief durch, machte eine kleine Pause und sagte: „Ich bin kein Prophet. Ich weiß nur, dass der Finanzhaushalt unseres Staates total am Boden liegt und dass wir uns in einer schleichenden Inflation befinden. Da bisher noch keine gravierenden Maßnahmen vom Staat erlassen worden sind, um die Inflation aufzuhalten, wird sie sich weiterentwickeln. Damit werden die Löhne mit großer Wahrscheinlichkeit in die Tausend wachsen und die Preise werden sich ebenfalls so entwickeln. Jeder, der Arbeit hat, wird sich also sein tägliches Brot kaufen können, wenn nichts Schlimmeres folgt.“ „Und wer keine Arbeit mehr bekommt?“ Doch diese Frage wurde von dem Vertreter der Gewerkschaft schon im allgemeinen Gemurmel überhört.
„Wenn also keine weiteren Fragen sind, möchte ich mich für Ihr Interesse an meinem Vortrag bedanken und hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen einige Informationen geben konnte.“ Der Redner nahm seine Zettelchen vom Tisch und löste damit die Versammlung auf.
Bedrückt machte sich Vater Krohn auf den Heimweg. Ihm schwirrte der Kopf von den vielen Informationen, die er bekommen hatte. Mit seinen Einnahmen und Ausgaben war er bisher zwar immer klargekommen, aber was er heute alles gehört hatte, waren ungewohnte Informationen für einen Maurer. Aber er freute sich über sich selbst, dass er es gewagt hatte, die Frage zu stellen. Auch die anderen Fragen und Antworten beschäftigten ihn so sehr, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass er Zuhause angelangt war.
Mutter begrüßte ihn freudestrahlend, war sie doch immer froh, wenn er nach Hause kam. Eine liebe Umarmung, ein liebevoller, kleiner Kuss und die traurigsten Gedanken waren nicht mehr die wichtigsten auf der Welt. “Na, erzähle mal, wie ist die Lage der Nation?“ war ihre mehr scherzhaft gemeinte Frage. Doch der Tisch war schon für das Abendbrot gedeckt und die Kinder warteten schon auf die Milchsuppe. Vater bekam noch zusätzlich eine Scheibe Butterbrot, denn er hatte ja im Betrieb kein Mittagessen. Das Dankgebet von Vater für die Abendmahlzeit fiel heute besonders intensiv und innig aus. Die größeren Kinder lauschten und merkten, dass Vater ein Problem hatte, das er mit seinem Gott besprach. Doch dann durften sie endlich den Löffel in die Hand nehmen und essen, denn der Magen knurrte schon hörbar. Auch Mutters fröhliches und zufriedenes Aussehen hatte sich geändert. Sie war sehr still geworden und wartete geduldig auf die Informationen, bis die Kinder im Bett waren.
Wie immer, wenn der Abend ihnen alleine gehörte, nahm sie den Handarbeitskorb vor und arbeitete an den Kindersachen weiter.
„Mutter, “ und Ottos Stimme klang traurig und deprimiert, „wir werden wahrscheinlich noch schlechteren Zeiten entgegengehen“. Und dann sprudelten die Informationen nur so aus ihm heraus. Als er geendet hatte, sagte Mutter: „Aber Otto, sei doch nicht so kleingläubig. Der Herr hat uns bis hierher geholfen, er wird uns auch weiterhin helfen. Sieh mal, es sieht doch gar nicht so schlecht aus. Du hast immer noch Arbeit und wirst sie in den nächsten Monaten auch noch weiter behalten. Solltest du auch arbeitslos werden, dann bekommen wir ein halbes Jahr Sozialgeld und dann findest du bestimmt wieder wo anders Arbeit, denn du bist doch so tüchtig. Bis jetzt haben auch alle Mieter immer pünktlich ihre Miete bezahlt und sie hat gereicht, um den Kredit und die Zinsen vertragsgemäß zu bezahlen. Wir werden die Miete auch erst erhöhen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Dann zieht auch keiner aus. Spargeld haben wir keines, dann kann auch nichts entwertet werden. Im Garten werde ich noch mehr Beete anlegen, damit wir mehr Gemüse haben und uns selbst versorgen können, wir werden die Henne noch einmal sitzen lassen und haben dann mehr Hühner, also auch mehr Eier und Fleisch. Damit die Hühner Nahrung haben, verkleinern wir den Hinterhof und erweitern den Hühnerauslauf. Die Kinder müssen sich dann eben auch ein bisschen einschränken mit ihren Spielen und mir mehr bei der Gartenarbeit helfen. Wir kaufen einen neuen Brotkasten mit einem Schloss davor. Dann kann ich auch kontrollieren, dass sich zwischen den Mahlzeiten keiner mit Brot bedient. Außerdem hat mir vergangene Woche meine Cousine Hedwig aus Maraunenhof wieder ein Ferkel angeboten, das wir großziehen können. Unsere Küchenabfälle werden sicher nicht für die Mast reichen, aber wir können ja die Mieter fragen, ob wir ihre Abfälle mit verwenden dürfen. Wenn alle Stricke reißen, können wir ja zu Markttagen die Abfälle zusammen sammeln und verfüttern. Und an die Kosten für die Ausbildung unserer Kinder brauchen wir jetzt noch nicht zu denken, denn Lisbeth ist erst 11, Hanna 9, Herta ist gerade in die Schule gekommen, Fritz wird erst 6 Jahre, na und bei den beiden Kleinen haben wir noch mehr Zeit“.
Mutter hatte vor lauter Eifer rote Wangen bekommen. Das war in letzter Zeit selten der Fall. Meistens war sie blass und schmal im Gesicht. Verliebt sah Otto seine Frau an. Im Stillen dankte er Gott für seine Anna, die die viele Arbeit ohne zu murren machte. Im Gegenteil: oft, auch wenn sie Sorgen hatte, summte sie ein Lied vor sich hin und gab dadurch sich und ihm Kraft. Den Kindern war sie eine liebevolle Mutter und ihm eine herzensgute Frau. Er stand auf und umarmte sie zärtlich. „Du hast dir wahrscheinlich schon früher als ich Gedanken gemacht, wie wir alles bewältigen. Aber du hast ja Recht, wenn wir nicht die Hände in den Schoß legen, uns lieben und außerdem auf unseren Herrn vertrauen, kann uns nichts geschehen.“
Für Anna und Otto waren diese gemeinsamen Abendstunden die Quelle ihrer immer wieder neuen aufkeimenden Liebe. Der Gedankenaustausch gab ihnen Sicherheit und Zufriedenheit in seelischer Verbundenheit zu ihrem Glauben.
Und gleich am nächsten Tag fingen Mutter und Vater zur Verbesserung der Selbstversorgung tatkräftig mit der Arbeit an: Die Henne wurde gesetzt, der Garten mit seinen Beeten anders angeordnet, der Hühnerauslauf eingezäunt und der Gerümpelschuppen zum Schweinestall hergerichtet. Die Arbeiten mussten zügig vorangehen, denn es war Frühjahr und gerade noch die richtige Zeit, um die Früchte der Arbeit noch in diesem Jahr ernten zu können. Die größeren Kinder wurden über die Planung informiert und halfen,