Der Herkules: 300 Jahre in Kassel. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Herkules: 300 Jahre in Kassel - Группа авторов страница 6
Da die Statue aus weiter Entfernung nur bei gutem Wetter und manchmal nur unter Zuhilfenahme eines Fernrohres zu sehen war, entfaltete sie ihre Wirkung insbesondere in der näheren Umgebung.
Nicht zu beantworten bleibt jedoch die Frage, ob sie in den ersten Jahren, als die Figur vermutlich kupferfarben glänzte9, ohne Hilfsmittel noch deutlich besser zu sehen war. (Abb. 2)
Die von Landgraf Carl vor 300 Jahren positionierte Landmarke hat ihre Wirkung bis heute nicht verloren, auch wenn sie inzwischen weniger ein Herrschaftssymbol als einen Orientierungs- und Identifikationspunkt darstellt. Wahrgenommen werden die Herkulesstatue und das gesamte Bauwerk Landgraf Carls auf unterschiedliche Art und Weise, z. B. bei Wanderungen in der Umgebung, bei der Fahrt auf der Autobahn in das Kasseler Becken oder auch von erhobenen Punkten der umliegenden Mittelgebirge aus.
3 In Richtung Westen bilden die näher gelegenen Berge, wie der Essigberg, den Horizont
Am besten begibt man sich auf eine Wanderung auf dem „Kassel-Steig“. Dieser Rundwanderweg, der der Stadt Kassel zu ihrem 1.100-jährigen Jubiläum vom Hessisch-Waldeckischen Gebirgsverein Kassel „geschenkt“ wurde, hat seinen Ausgangs- und Endpunkt am Herkules und verbindet in zwölf Etappen Gemeinden rund um Kassel.10 Bei der Mehrzahl der Etappen gibt es immer wieder überraschende Ausblicke auf das Herkulesbauwerk, und zwar aus südöstlicher über östliche bis nördliche Richtung. Der Herkules wird damit zur verbindenden Landmarke dieses Wanderweges, ist er doch oft auch dann noch zu sehen, wenn die Stadt Kassel auf Grund des Bodenreliefs verdeckt ist.
Für einen anderen Wanderweg ist der Herkules sogar Namensgeber, und zwar für den mit der Markierung X 7 bezeichneten „Herkulesweg“. Dieser Weitwanderweg verbindet die Ausgangspunkte Battenberg an der Eder und das Heilbad Heiligenstadt an der Leine in Thüringen mit dem Herkules, der allerdings nur von den näher gelegenen östlichen Streckenteilen aus gesehen werden kann. Auch von höher liegenden Punkten der Mittelgebirge im Osten von Kassel aus kann die Landmarke Herkules entdeckt werden, beispielsweise aus der Söhre, vom Turm des Bilstein im Kaufunger Wald (641 m NN) und von Teilen des Hohen Meißner (753 m NN). Beim Blick von den westlich des Habichtswaldes liegenden Mittelgebirgen aus wird der Herkules von den Erhebungen Hohes Gras (615 m NN) und Essigberg (597 m NN) verdeckt. Allerdings gibt es eine Ausnahme, den Blick vom Turm des Berges „Bierbaums Nagel“ im Eggegebirge bei Warburg. Im Treppenaufgang des Turms wird auf einer Tafel die Erbauungsgeschichte beschrieben und auch in Beziehung zum Blick auf den Herkules gesetzt.
Über den Bau des Turmes ist zu berichten:
Das Jahr 1846 brachte eine sehr schlechte Ernte. Not kehrte in vielen Häusern ein. Da wandten sich die Bauern und Tagelöhner aus Borlinghausen an den damaligen Gutsherrn namens Bierbaum um Hilfe. Dieser versprach ihnen, u. a. auch durch Zuweisung einer lohnenden Arbeit, zu helfen. Er beschloss, auf der „Egge“ einen Wart- und Aussichtsturm erbauen zu lassen, von wo der „Herkules“, das Wahrzeichen Kassels, der Geburtsstadt seiner Gattin, zu sehen war. Dadurch erfüllte er zugleich den Wunsch seiner jungen Frau, die unter großem Heimweh litt. Oft ist die Gutsherrin auf einem Esel den Pfad hinaufgeritten, hat den Turm bestiegen, die Heimat gesehen und ist getröstet wieder heimgekehrt. Darum heißt der Weg zum Aussichtsturm aus Richtung Borlinghausen „Eselspatt“. Der Turm wird auch „Bierbaums Nagel“ genannt, weil er wie ein gewaltiger Nagel auf der „Egge“ auf einer Höhe von 430 m NN emporragt.
Mitglieder des Eggegebirgsvereins Borlinghausen bestätigten dem Verfasser,11 dass der Herkules vom Turm aus zu sehen sei, und zwar direkt rechts neben dem Hohen Dörnberg, der ohne Probleme auszumachen sei. Es komme aber natürlich auf die Wetterverhältnisse an, und außerdem müsse man auch wissen, wo und wonach man zu suchen habe. Immerhin beträgt die Entfernung zwischen beiden Bauwerken 39,7 Kilometer. Bei Anwendung eines geeigneten Computerprogramms lässt sich eine Luftlinie von „Bierbaums Nagel“ zum Herkules ziehen, die auf kein Hindernis stößt, insbesondere auch, weil sich die Turmplattform von Bierbaums Nagel auf einer Höhe von 445 m NN und die Füße des Herkules auf einer Höhe von 588 m NN befinden.
Von Standpunkten jenseits einer Entfernung von 50 km wird es schwierig, das Herkulesbauwerk auszumachen, da es zu klein ist und es sich auch nicht vom Landschaftshintergrund abhebt.
Millionen von Menschen werden das Herkulesbauwerk vom Auto aus wahrgenommen haben, wenn sie auf der Autobahn A 7 von Süden oder Norden kommend die kleine Spitze am westlichen Horizont entdeckt haben. Erfreulicherweise werden sie durch den beschilderten Parkplatz „Herkulesblick“ wenigstens über den Namen des Bauwerks informiert. Seit der Aufnahme des Bergparks mit Herkules und Wasserkünsten in die Liste des Welterbes wird durch ein weiteres Schild an der Autobahn ebenfalls darauf hingewiesen.
Für die Bewohner der Stadt Kassel ist der Blick zum Herkules eine Selbstverständlichkeit, und die Wilhelmshöher Allee als Achse vom Herkules zur Stadt bleibt eine wesentliche Orientierung, die durch das bei Dunkelheit angestrahlte Bauwerk und den an Wochenenden vom Fridericianum zum Herkules laufenden Laserstrahl noch verstärkt wird. In vielen Immobilienanzeigen gilt der Herkulesblick bei der Beschreibung von Wohnlagen nach wie vor als Qualitätskriterium. Wendet man die Blickrichtung um, so wird die Landmarke Herkules zum faszinierenden Aussichtspunkt auf die Stadt Kassel, einen großen Teil der umliegenden Gemeinden sowie näher und weiter liegende Mittelgebirge. Diese Aussicht wird auch schon in den Berichten früherer Reisender erwähnt. So schreibt David August von Apell im Jahr 1805 über den vermeintlichen Ausblick aus einer in der Keule des Herkules vorhandenen Klappe:
„Über alles irdische gleichsam erhaben steht man hier in den höheren Luftregionen und schauet in das mehrere 1000 Fuß12 tiefer liegende Thal aus dieser schwindelerregenden Höhe hinab. […] Weiterhin erblickt man am Abhange des Berges die Löwenburg mit ihren Thürmen, tief unter sich am Fuße des Berges das kurfürstliche Schloß mit allen dazu gehörigen Gebäuden. In weiterer Entfernung erscheint die Residenzstadt Cassel durch die Allee mit Wilhelmshöhe verbunden, nebst unzähligen anderen umherliegenden Flecken, Landgütern und Dörfern. Ein großer Theil des Hessenlandes, ein Theil des Kurfürstenthums Hannover, selbst die hinter Hügeln hervorragenden Thurmspitzen von Göttingen und mehrere andere kleinere angrenzende Länder und Herrschaften können hier mit einem Blicke übersehen werden. Mehrere weit entfernte hohe Berge, zum Beyspiel, der Meißner, der Hirschberg bey Grosallmerode, der Knöll bey Schwarzenborn, unendlich viele beträchtliche Gebürge, als der hohe Inselberg bey Gotha, sind bey heiterem Wetter deutlich sichtbar. In blauer Ferne erscheinen die majestätischen Harzgebürge, unter denen der deutsche Bergkönig, der Brocken, sein ehrwürdiges Haupt erhebt, nebst vielen anderen Gebürgen, Bergschlössern und Ruinen.“13
Hält die Realität dieser Reisebeschreibung stand? Wir können davon ausgehen, dass Apell diese Berge nicht alle selbst gesehen hat, sondern andere Quellen wiedergegeben hat.14 In der Tat sind die Berge im Nahbereich bis zu 50 Kilometern Entfernung wie der Meißner, der Hirschberg und das Knüllköpfchen, aber auch die von Apell nicht erwähnten Berge Bilstein im Kaufunger Wald, der Alheimer im Süden, der Wüstegarten im Kellerwald und der Hohe Dörnberg nördlich des Herkules sowie Bierbaums Nagel ohne Probleme bei klarer Sicht auszumachen. Schwieriger wird es, den Großen Inselberg im Thüringer Wald und den Brocken im Harz zu identifizieren. Die Luftlinienverbindung am Computer sieht kein Hindernis beim Blick vom Herkules zu diesen beiden Bergen. Die ausgewiesene Luftlinienentfernung zum Inselberg (91 km) und Brocken (100 km) führt allerdings dazu, dass