Der Herkules: 300 Jahre in Kassel. Группа авторов
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Den Ausbau der hessischen Landstraßen hatte bereits Landgraf Carl als wichtiges Infrastrukturprojekt initiiert,5 und nach dem Siebenjährigen Krieg wurde rings um Kassel die Anlage möglichst geradliniger Chausseen verstärkt vorangetrieben. Alleebäume dienten als Witterungs- und Sonnenschutz für die Reisenden und als Regenschutz für die Straßenoberfläche. Anfangs pflanzte man vor allem Weidenbäume, nach der Mitte des 18. Jh. bevorzugt Laubbäume wie Kastanien, Linden oder Pappeln.
Unterbrochen war die im Herkules gipfelnde Sichtachse nur durch das alte Weißensteiner Schloss. Als Landgraf Wilhelm IX. nach 1785 den Hang zu einem modernen englischen Landschaftspark umgestalten ließ, wollte er 1791 sogar ganz auf einen mittleren Schlossbau6 verzichten: Zwischen den beiden neuen Schlossflügeln (Weißenstein- und Kirchflügel)7 wäre die Achse der Allee unmerklich in den Park übergangen und hätte erst in Kaskaden und Herkulesmonument ihren Endpunkt gefunden (Abb. 1).8 Nur der Beharrlichkeit des landgräflichen Bauinspektors Heinrich Christoph Jussow, dem die neue Parkgestaltung oblag, ist das heutige Corps-de-Logis zu verdanken9 – angelehnt an Landsitze des aufgeklärten englischen Adels;10 1798 war das Äußere vollendet, und Park und Schloss erhielten den Namen Wilhelmshöhe.11 Die Allee hatte damit einen neuen repräsentativen Blickpunkt erhalten; Portikus und Kuppel vermittelten als senkrechtes Element in die Parkachse weiter – und damit zu Kaskaden und Herkules. Als Auftakt der Allee wurde 1805 ein repräsentatives Stadttor am heutigen Brüder-Grimm-Platz begonnen,12 doch vereitelte die französische Besetzung Hessens 1806–13 die Vollendung der Planungen.
2 Karthäuserstraße 12, 1890
2. Die Villa Wedekind (Karthäuserstraße 12)
Welch große Bedeutung Landschaftspanorama und Herkules-Blick für die Architektur von Villen haben konnte, zeigt beispielhaft die sogenannte „Glitzerburg“13 (Abb. 2): Als die Bebauung westlich des Ständeplatzes in den Anfängen lag und noch große Gärten den Südhang des Kratzenbergs bedeckten, ließ sich der Konsul Carl Wedekind unterhalb des Akazienwegs eine repräsentative Villa errichten. Die Entwürfe des 1868 bezogenen Bauwerks fertigte Wilhelm Lüer, ein Vertreter der hannoverschen Neugotikerschule, die Ausführung übernahm angeblich sein Schüler Conrad Wilhelm Hase. Die Villa ist nicht nur wegen ihrer durchgeplanten Ausstattung und der reinen Ziegelbauweise mit über 80 Arten glasierter Formsteine bemerkenswert; sondern sie reagiert auch in besonderer Weise auf die landschaftlichen Gegebenheiten, wie Lüer selbst darlegte:14
Wandert man von Cassel nach der berühmten Wilhelmshöhe, so erblickt man bald nachdem man das Thor passirt hat, hoch auf dem Hügel, welcher sich von Cassel bis nach Wilhelmshöhe hinzieht, die Villa […]. Die Hauptfronte derselben liegt genau gegen Süden und überblickt geradeaus die zu ihren Füssen liegende Stadt15 mit dem dahinter sich erhebenden Weinberge, in südöstlicher Richtung das reizende Fuldathal, nordwestlich die fernen Werra-Berge und in rein westlicher Richtung das Schloss Wilhelmshöhe inmitten der schön belaubten, mannigfaltig gestalteten Berge des Habichtswaldes, welche in dem kolossalen Herkules ausgipfeln.
3 Grundrisse der Villa Wedekind (a. Vorplatz, b. Empfangszimmer, c. Esszimmer, d. Zimmer der Dame, e. Grünhaus, f. Zimmer des Herrn, g. Kinderzimmer, h. Vorplatz, i. Vorzimmer, k. Schlafzimmer, l. Schlafzimmer der Kinder, m. Fremdenzimmer, n. Badezimmer)
Diese herrliche landschaftliche Umgebung wirkte in nicht unwesentlicher Weise mitgestaltend auf die Entwickelung des Grundrisses. Das Treppenhaus legt sich in natürlichster Anordnung mitten hinter die aussichtslose Nordfront und um den geräumigen Vorplatz herum reihen sich die programmmäßig geforderten Zimmer in solcher Aufeinanderfolge, dass das Speisezimmer die Nordost-Ecke einnimmt, während die Südfronte in fortschreitender Richtung von Ost nach West – der immer sich steigernden Schönheit der Aussicht folgend – das Empfang-Zimmer, das Zimmer der Frau mit anschliessendem Pflanzenzimmer, endlich an der Westecke das Zimmer des Herrn enthält. In dem oberen Geschoss legt sich naturgemäss die Gruppe der Schlaf-, Bade und Ankleidezimmer an die Ostseite und die Wohnzimmer der Kinder und die Fremdenzimmer wählen lieber die für den Tagesaufenthalt genussreichere Lage an der Süd- und Westfront. (Abb. 3)
Den reizvollen Blick in südwestlicher Richtung gewährten ausdrücklich auch verschiedene Vorbauten: im Erdgeschoss das vorspringende Pflanzenzimmer und die Auslucht des Empfangszimmers, die im Halbkreis die so wechselvoll daliegende Landschaft überschauen lässt. Wie aber im oberen Geschoss dieser Vorbau zweckmässigerweise nicht fortgesetzt ist, da die hier sich gruppirenden Schlafräume ihn nicht bedingen, so fordert um so mehr die Westecke dieses Geschosses dazu auf für das Fremdenzimmer die Rundschau, so weit solche das dahinterliegende Haus nur gestattet, zusammen zu fassen in einem drei Viertel des Kreises ausmachenden polygonen Ausbau. Da man ferner von diesem Geschoss aus schon über die höchste Thurmspitze von Cassel hinwegblickt, so lässt der naheliegende Wunsch, nun auch den vollen Rundblick zu erhalten, für welchen nach Norden hin nur noch das Haus selbst und die Bäume der Cöllnischen Allee ein Hinderniss bieten, diese Westecke des Gebäudes sich in Thurmgestalt erheben – mit einer umlaufenden Aussichtsgalerie am Spitzhelm, die ausdrücklich dazu beitrage, den Thurm als „Aussichtsthurm“ zu charakterisiren.
Die Blickrichtung nach Wilhelmshöhe, mit Schloss und Herkules, erscheint somit als Höhepunkt des Landschaftspanoramas, was durch den Turm auch baulich betont wird.
Die rasante Stadtentwicklung der folgenden Jahre verbaute jedoch das Landschaftspanorama der Villa Wedekind vollständig. 1901 erwarb die Post das Areal für den Neubau der Oberpostdirektion und nutzte die Villa als Dienstwohnung des Oberpostdirektors. 1943 ausgebrannt, wurde das Gebäude nach dem Krieg in einfacher Form neu aufgebaut, später ganz durch einen Neubau ersetzt.
2. Die Stadterweiterungen des späten 19. Jahrhunderts
Als nach 1866 die westliche Erweiterung Kassels vorangetrieben wurde, geschah dies zunächst ohne Gestaltungskonzepte für das Stadtbild. Für die neue Hohenzollernstraße (heute Friedrich-Ebert-Straße) war vor allem maßgebend, dass sie nicht mit dem Druselkanal16 kollidierte. Die Planvorgaben stammten aus dem städtischen Bauamt, die Umsetzung übernahm der Fabrikant Sigmund Aschrott.17 Erst als das neue Hohenzollernviertel die Wehlheider Gemarkung erreichte, änderte sich das Planungskonzept:18 Hier konnte Aschrott freier agieren, gemeinsam mit dem von ihm beauftragten Privatbaumeister Friedrich Neumann. Ein schrittweise entwickeltes Diagonalstraßennetz griff nun aktuelle Entwicklungen im Städtebau auf, und der Herkules wurde als markanter Blickpunkt in die Planungen einbezogen. So erhielt die Hohenzollernstraße zunächst einen baulichen Blickpunkt am Hohenzollernplatz (Karl-Marx-Platz); der anschließende