Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz
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Die Geschichte besticht vor allem durch die präzise Schilderung der Charaktere und ihrer Motivationen und die Vermittlung eines authentischen Gefühls für die beschriebene Epoche. Die Figuren des Romans werden überzeugend dargestellt, die Dialoge sind lebensecht. Welskopf-Henrich gelingt es auch, tiefe Einblicke in die komplizierten Mechanismen zu geben, nach denen das Verwaltungswesen funktioniert, einschließlich all der Intrigen, die die Beamten spinnen. Dies alles wird mit dezentem Humor und geschickt platziertem Sarkasmus erzählt.
Wenn auch in geringerem Maße als in »Jan und Jutta« sind auch hier zahlreiche Episoden aus den Erlebnissen Welskopf-Henrichs während des Zweiten Weltkrieges enthalten. So bittet ein altes jüdisches Ehepaar Wichmann, wenigstens zu versuchen, ihre kleine Enkelin zu retten. Da sie es aber nicht über sich bringen, sich von dem Kind zu trennen, und aus Angst vor dem, was mit ihm geschehen könnte, machen sie seinem und ihrem eigenen Leben schließlich selbst ein Ende.
Die Figur Grevenhagen, früherer Offizier, dann der Weimarer Regierung, schließlich den Nationalsozialisten dienend, ist nach dem Vorbild eines Mannes (anderen Namens) geschaffen, den Welskopf-Henrich persönlich kannte.
Von Seiten der Kritiker stand der Romanzyklus zum Teil unter heftigem Beschuss. Hervorzuheben ist hier eine ausführliche Beurteilung der drei Bände in der Zeitung »Neues Deutschland« von Gotthard Erler, in der dieser kaum ein gutes Haar an den Büchern lässt: Der Autor bemängelt, dass die Handlung sich allzu sehr auf die ministerialrätliche Salonproblematik beschränke, ohne, dass dabei den gerade ablaufenden historischen Ereignissen – Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Beamtenabbau, erstarkender Faschismus – genügend Aufmerksamkeit gezollt werde: »Es fehlen ihr tiefgreifende Verstrebungen in der Zeit und auch die Elemente einer wirklich menschlichen Problematik.«39 Die Erzählung bleibe zu sehr im Privaten und Persönlichen stecken und liege, zumindest auf den ersten Band bezogen, »kaum im Bereich des menschlich Wertvollen und gesellschaftlich Bedeutsamen«40.
39 ABBAW 150.
40 Ebenda.
Weiterhin beklagt Erler, die Hauptperson, die zu einem Nationalsozialisten wird, sei nicht schurkisch genug gezeichnet, worauf Welskopf-Henrich in einem Schreiben mit den Worten reagiert: »[A]ber darauf kam es mir an zu zeigen, wie auch Leute, die keine Schurken waren, durch ihre Erziehung zum Nazismus verführt wurden.«41
41 Ebenda.
Zudem wurde bemängelt, dass die Arbeiterklasse im Werk nicht ausreichend repräsentiert sei.
Jedoch waren nicht alle Reaktionen auf die Trilogie negativ: Bei einem Staatsempfang Walter Ulbrichts, zu dem auch Liselotte Welskopf-Henrich eingeladen war, wurde diese von Lotte Ulbricht zu einem kurzen Gespräch beiseite genommen. Die Frau des SED-Vorsitzenden versicherte ihr, sie habe »Zwei Freunde« begeistert gelesen und sei sehr amüsiert. Walter Ulbricht lobte bei anderer Gelegenheit die »schlichte« und »klare« Sprache Welskopf-Henrichs.
Zurück zur Entstehungsgeschichte des Romans: Da infolge ihrer sich ausdehnenden illegalen Tätigkeiten während des Zweiten Weltkrieges die Gefahr einer Hausdurchsuchung stetig anstieg und weil sie fürchtete, die Texte könnten bei Bombenangriffen vernichtet werden, versteckte Welskopf-Henrich 1943 während einer ihrer Ausflüge in die bayerischen Alpen die gefährlichen Manuskripte von »Zwei Freunde« bei einem befreundeten Arztehepaar. Noch während sie dort zu Besuch war, sollte – aus einem anderen Grund – deren Wohnung von der Gestapo durchsucht werden. Welskopf-Henrich, die neben den Manuskripten Briefe aus dem Konzentrationslager und andere illegale Unterlagen bei sich hatte, war sich sofort der großen Gefahr bewusst. Sie erwog, alles die Toilette hinunterzuspülen, doch für die kurze Zeit, die ihr noch blieb, war es zu viel Papier. Stattdessen versteckte sie das belastende Material unter ihrem Kleid: eine Entscheidung, die es ihr unmöglich machen würde zu bestreiten, dass die Briefe ihr gehörten, wenn sie entdeckt würden. Sie lief zur Tür, um den Geheimpolizisten freundlich zu begrüßen und gab ihm in ihrer bescheidenen und zugleich bestimmten Art das Gefühl, er sei keine Störung, sondern eine willkommene Überraschung. Indem sie auf ein paar hinterhältige Fragen die richtigen Antworten gab, wendete sie die Hausdurchsuchung ab, und der Beamte ging, noch bevor er das Haus betreten hatte. Einmal mehr hatte Welskopf-Henrich sich und in diesem Fall auch das befreundete Ehepaar durch ihre Geistesgegenwart gerettet.42
42 Diese Begebenheit wird ebenfalls in »Jan und Jutta« geschildert.
Das eigentliche Ziel ihrer Reise nach Bayern war eine der von ihr geliebten Klettertouren. Dieses Hobby, das Bergsteigen (in späteren Jahren war es das Wandern), machte die geborene Süddeutsche, die über Jahrzehnte hinweg regelmäßig als Klettertouristin in die Alpen fuhr, zum Thema einer weiteren Erzählung: Die Novelle »Der Bergführer«, die Anfang der fünfziger Jahre spielt, erzählt die Geschichte des jungen, wortkargen Karl Untereggers, der wohlhabende Touristen, die das Abenteuer suchen und kein Verständnis für ungünstige Witterungsbedingungen oder andere Gründe für Verzögerungen haben, für einen Hungerlohn durch die Berglandschaft Südtirols führen muss, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Eine Tätigkeit, die Unteregger schließlich mit seinem Leben bezahlt.
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