Achtung Lebensgefahr!. Ernst Künzl
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Von heute an gerechnet kann man auf fast zehntausend Jahre Kriegsgeschichte zurückblicken. Das römische Reich, ein in soziale Klassen gegliederter Ständestaat, betrat im Altertum Neuland: Rom unterhielt das erste konsequent durchdachte Berufssoldatentum der Geschichte. Nach den Erfahrungen der späten Republik mit den katastrophalen Bürgerkriegen (133 - 31 v. Chr.) hatte Kaiser Augustus verstanden, dass man eine ständige Armee brauchte, die stabil und berechenbar war. Augustus teilte das Heer in Legionen, deren Soldaten schon das römische Bürgerrecht hatten, und in Hilfstruppen (Auxilia), deren Soldaten nach ihrer Dienstzeit das römische Bürgerrecht erhalten konnten. Mit diesem Konzept einer Berufsarmee, einem sehr modernen Gedanken, schuf Kaiser Augustus einen entscheidenden Faktor zur Stabilisierung des riesigen Reiches.
In den Jahrhunderten der Republik war der freie römische Bürger wehrdienstpflichtig gewesen. Als freier Mann dem römischen Staate zu dienen war auch der Stolz der Legionäre der Frühzeit. Solange das Gebiet Roms auf Mittelitalien beschränkt war, ging dies noch an. Doch schon seit dem Sieg über Hannibal 202 v. Chr. geschah nichts mehr im Mittelmeerraum, ohne dass Rom einbezogen war. Die immer weiteren Kriege in Spanien, Frankreich, auf dem Balkan, in Afrika, in Griechenland, Kleinasien, Syrien und Ägypten überforderten das alte System, in dem der Bauernlegionär nach Kriegsende wieder auf seinen Acker zurückkehrte: Dieser war im Zweifelsfall längst verschuldet oder verödet. Die Gründung einer Berufsarmee beendete dieses Dilemma.
Ungefähr 30 Legionen hatte die römische Armee im 1. Jh. n. Chr. (Abb. 7). Mindestens rund 250.000 Mann des Landheeres standen immer unter Waffen, bei einer Sollstärke einer Legion von etwas über 6.000 Mann und einberechnet der vielen Hilfstruppeneinheiten. Dazu kamen die Flotte, die Prätorianergarde und weitere Sicherungstruppen und Spezialeinheiten in der Hauptstadt oder verteilt im Reich. Insgesamt rechnet man deshalb sogar mit erheblich mehr als einer Viertelmillion. Die Legionen haben in den zweihundert Jahren seit Augustus ihre Aufgabe der Reichssicherung und zusätzlicher Eroberungen (Britannien, Siebenbürgen) gut gelöst. Im Laufe des 3. Jhs. musste die Armee allerdings umstrukturiert werden, um den veränderten Aufgaben gerecht zu werden.
Abb. 7
Soldaten der römischen Berufsarmee des 1. Jahrhunderts n. Chr. Auftritt der Römercohorte Opladen im Archäologischen Park Xanten 2007. Die Gruppe wird von einem Feldzeichenträger (Signifer) und einem Signalbläser (Cornicen) angeführt.
Das römische Reich war ein in Oberklassen und Unterklassen gegliederter Ständestaat. Vom politischen Einfluss her war ein römischer Bürger nicht automatisch deshalb von Bedeutung, weil er römischer Bürger war. Wer politisch Karriere machen wollte, musste versuchen, in die Adelschichten (Ordines honestiores) aufzusteigen. Der städtische Verwaltungsadel (Ordo decurionum), der Ritterstand (Ordo equester) und darüber der Senatorenstand (Ordo senatorius) bestimmten die Geschicke des Reiches, und das war zusammengenommen eine dünne Oberschicht von kaum mehr als schätzungsweise 1 % der auf 60 bis 80 Millionen Menschen geschätzten Reichsbevölkerung. Die Unterklassen (Ordines humiliores), ob römische Bürger, Freigelassene oder Sklaven, stellten den politisch passiven Teil der Bevölkerung, auch wenn sie zahlenmäßig dominierten.
Die Legion war ein Spiegelbild dieses Ständestaates. Die theoretisch 6.000 Legionäre einer Legion waren freie römische Bürger (Ingenui), gehörten aber den Unterklassen an. Jede Legion besaß daneben fünf Militärtribune aus dem Ritterstand sowie einen Militärtribun aus dem Senatorenstand; der Legionskommandeur (Legatus legionis) war ein Senator. Die adeligen Militärtribunen und Kommandeure trugen eine historisierende Bewaffnung, vor allem den sog. Muskelpanzer (Abb. 8). Schätzt man schon den Anteil des Adels in der Gesamtbevölkerung der frühen Kaiserzeit auf kaum mehr als 1 %, so lag der Adelsanteil der Offiziere in einer Legion (7 auf 6.000) im Promillebereich. Die Legion war dennoch ein zwar enges, aber vorhandenes Nadelöhr: Jährlich konnte aus jeder der 30 Legionen der erste Centurio (Primus pilus) in den Ritteradel aufsteigen.
Abb. 8
Die Führung des Reiches: Der römische Kaiser in militärischer Tracht als Träger der obersten Befehlsgewalt. Kaiser Traian (98 – 117 n. Chr.) im reich verzierten Panzer (sog. Panzerstatue). Aus Gabii bei Rom. Marmor. H. 2 m. Paris, Louvre. Kopie in Aalen, Limesmuseum.
Abb. 9
Besitzermarke eines römischen Soldaten aus Frankfurt am Main-Heddernheim. Bronze. Die vermutlich auf Leder montierte Marke vermerkt:
Aus der centuria (Hundertschaft) des Valerius Flavinus;
(Besitz des) Iulius Secundus. Um 100 n. Chr. Frankfurt am Main, Archäologisches Museum.
Die Armee war im Römerreich die größte geschlossene Gruppe von Waffenträgern, wobei der römische Soldat zwar Besitzer seiner Waffen war, aber nicht Eigentümer (Abb. 9). Er hatte ein Waffendepositum zu bezahlen, was eine Art Kaution war. Er durfte aber seine Waffen nicht automatisch verkaufen, wenn es ihm gut schien, weil er z. B. beim Verkauf viel mehr Gewinn erzielen konnte als er es durch die Rückzahlung seines Depositums erhalten hätte. In den Digesten finden sich Notizen über Verlust und Verkauf von Waffen. In einem Brief aus Carlisle in Nordengland berichtet der Decurio Docilis im frühen 2. Jh. seinem Präfekten über den Verlust einiger Waffen wie Lanzen und Schwerter.
Vorgeschriebene Waffenkennzeichnungen mit Namen, Centurie und Kohorte werden für das spätantike 4. Jh. bei Vegetius erwähnt. Außerdem ist in der frühen Kaiserzeit zu bedenken, dass bestimmte Waffen, darunter das Schwert, auch vom Waffenmeister (Custos armorum) in der Waffenkammer der Kommandantur (Principia) verwahrt wurden. Die Nachrichten sind nicht immer klar zu deuten. Als sich im Jahr 69 n. Chr. die Rheinarmee auf die Seite des Vitellius schlug, wurden aus Köln, Trier und dem Lingonengebiet (um Langres) Mannschaft, Pferde, Waffen und Geld bereitgestellt, wie Tacitus berichtet; welcher Art diese Waffen waren und woher sie ursprünglich kamen, wird jedoch nicht gesagt.
Wer durfte also im antiken Römerreich zur Prinzipatszeit außerhalb der Armee Waffen tragen? Schon die antiken Schriftzeugnisse ergeben ein variables Bild. Daneben ist man auf die archäologischen Zeugnisse angewiesen. Der Archäologe hat immer Primärquellen in der Hand, anders als der Philologe, der seine Texte aus den vielfältigen Redaktionen späterer Abschreiber rekonstruieren muss. Aber der Vorteil der Primärquellen wird oft von den Problemen der antiken Wirklichkeit überdeckt, haben wir doch archäologisch immer die letzte der Realitäten vor uns, die außerdem meist unkommentiert ist: Wenn der Archäologe einen Gegenstand in einem bestimmten Kontext im Boden findet, kann er längst noch nicht sicher sein, dass sich das Objekt auch in einem ihm vorher zugedachten Zusammenhang befindet.
Man findet immer wieder römerzeitliche Waffen an den unterschiedlichsten Stellen. Ein großer Teil der archäologischen Waffenfunde kommt aus einem nichtmilitärischen Zusammenhang, seien es Grabbeigaben, Weihegaben