Tatort Kuhstall. Thea Lehmann

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Tatort Kuhstall - Thea Lehmann

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ein Zeichen, dass er mal nach Helene Petzold sehen sollte, die immer noch im Haus war.

      So ging er durch den Garten zurück zur Haustür, die nur angelehnt war, drückte sie auf und rief laut nach Frau Petzold.

      Atemlos kam es aus dem ersten Stock: »Komme sofort! Bin gleich da.«

      Er hörte Helene Petzold die Treppen herunterlaufen. Unten angekommen, griff sie sich die beiden Einkaufskörbe, die im Flur standen.

      »Ich habe oben sicherheitshalber noch die Fenster verriegelt«, sagte sie, während sie mehrfach die Tür zuschloss.

      Leo nahm ihr einen der Einkaufskörbe ab und hievte das schwere Ding in ihren Kofferraum. Dann drückte er ihr die Hand.

      »Kopf hoch, Frau Petzold, Sie kommen drüber weg.«

      Sie schniefte und fuhr, mit einem Nicken zu Sandra, in Richtung Bad Schandau davon.

      Leo wandte sich an seine Kollegin, die sich im Stehen ein paar Notizen machte.

      Als sie fertig war, sah sie auf: »Christian Hesse kommt morgen früh direkt zu uns ins Polizeipräsidium, er ist ohnehin in Dresden, sagte seine Frau. Heute wäre er bei Kunden unterwegs und sie erwartet ihn erst spätabends zurück. Frau Hesse klang ziemlich geschockt.«

      »Gut. Dann können wir uns morgen die Fahrerei hier raus sparen. Übrigens hat sich Dr. Schüppel am Samstagmorgen um halb sieben hier abholen und hoch zum Kuhstall bringen lassen. Sobald er ihn erreicht hat, ruft mich sein Taxifahrer zurück.«

      Sandra kramte die Autoschlüssel aus ihrer Handtasche und schaute sich um: »Bin gespannt, wer das alles hier bekommt, wenn Stefan Schüppel keine Erben hat. Schöne Villa und interessanter Garten.«

      Sie wandte sich zu Leo und zur Straße: »Wie groß ist denn die Firma Waldgold?«

      »Zehn Mitarbeiter hier in der Produktion. Christian Hesse hat aber noch eine eigene Firma, Hesse Consulting in Dresden.«

      Leo sah einen Polizeiwagen herankommen.

      Nach einem kurzen Gespräch versiegelten die Polizisten die Villa und Sandra winkte ihn zum Auto.

      »Lass uns zurückfahren. Die Spurensicherung soll prüfen, was mit dem Gehstock ist, und Dr. Gräber ist vielleicht schon mit der Obduktion fertig. Hier können wir nichts mehr tun.«

      Leo stieg ein. Es war ihm ganz recht, zurück ins Büro zu kommen. Schüppels Laptop hatte er schon im Auto verstaut, bevor er hinüber zur Waldgold GmbH gegangen war.

      Während er Sandra erzählte, wie der Betriebsleiter Johne reagiert hatte, musste er auch an Sascha denken. Hoffentlich ließ dieser Natur-Apostel aus seiner Wandergruppe das heutige Telefonat auf sich beruhen.

      Sandra hatte mit Helene Petzold im Haus vergeblich nach einem Abschiedsbrief gesucht. Sie ging davon aus, dass dieser Tod die Polizei nicht lange beschäftigen würde.

      »Das ist eine klare Sache, Herzinfarkt oder vielleicht auch Selbstmord, würde ich sagen. Obwohl es schon merkwürdig wäre, wenn sich jemand, der schlecht zu Fuß ist, ausgerechnet diesen Platz zum Sterben aussuchte, oder?« Sie sah Leo an.

      Der war ihrer Meinung: »Da Schüppel ein großer Naturfreund war, hat er vielleicht nach besonderen Pflanzen gesucht. Es gibt sicher gute Gründe, warum er dort war.«

      »Genau. Und ich bin sehr gespannt auf diese Gründe.« Sandra schaute auf die Uhr. »Oh, schön, wenn ich heute pünktlich Schluss machen kann, schaffe ich es noch in meinen Tangokurs.«

      »Tango?«

      »Liings … rechsss … Wiegeschried!« Von diesem lateinamerikanischen Akzent wurde Sandra ganz blümerant – und als Armando dann auch noch ihren stocksteifen Tanzpartner Guido zur Seite schob, um ihr diesen Tangoschritt mit vollem Körpereinsatz nahezubringen, spürte sie, dass es gefährlich wurde. Sandra mahnte sich selbst zur Vorsicht. Sie würde auf keinen Fall die Kontrolle abgeben und diesem südamerikanischen Charmeur verfallen. Und doch bekam sie Herzklopfen wie zu Teenagerzeiten und wurde kurzatmig wie nach einem Dauerlauf. Dabei hatte Armando sie nur fest um die Taille gefasst und sie in erhabener Haltung über das Parkett des Latin Dance Clubs geschoben. Einen Tangokurs zu buchen, das war zwar vernünftig gewesen, um ihr über ihren Trennungsschmerz von Olli zu helfen. Gleichzeitig war es aber auch ein Anschlag auf ihre Selbstkontrolle. Ihr stand der Sinn überhaupt nicht danach, die Abgründe zu ihrem verschütteten »Ich« auszuloten, es war ungesichertes Gelände, in dem heftige Emotionen lauerten. Armandos lange, schwarze Locken streiften ihr Gesicht, als er sie durch sanften Druck auf ihren Rücken zwang, aufrechter zu stehen. »Como una reina«, säuselte er ihr ins Ohr, »stolz wie eine Königin!«

      Eine Gänsehaut rieselte ihre Wirbelsäule hinunter.

      Das hatte noch nie jemand zu ihr gesagt. Sandra atmete tief durch, straffte sich und versuchte, sich wie eine Königin zu fühlen.

      Oder wenigstens wie eine Prinzessin. Sie hob den Kopf und drückte die Brust heraus, um diese für den Tango typische, ausdrucksvolle Haltung anzunehmen. Aber Armando schüttelte den Kopf. Während er sie im Kreis mit den anderen Tanzschülern weiterhin im Wiegeschritt führte, forderte er sie auf, ihm in die Augen zu sehen. Doch das fiel Sandra schwer. Sie versuchte, sich mit den Augen an seinen lockigen, schwarz glänzenden Haaren festzuhalten, an den großen Ohren, an den buschigen Augenbrauen – Armando wurde unzufrieden. Während er die Gruppe der anderen acht Paare weiter mit seinem hinreißenden Akzent und seiner samtweichen Stimme zu den einzelnen Schritten anleitete, blieb er kurz stehen und sagte zu Sandra: »Du musst mir schauen in die Auge!«

      Einerseits war es unvernünftig, das zu tun. Sandras Verstand stellte ein riesiges Stopp-Schild auf. Andererseits hatte sie sich doch immer unter Kontrolle, oder etwa nicht? »Was soll schon passieren?«, flüsterte es in ihrem Hinterkopf.

      Sandra atmete noch einmal tief durch, dann schaute sie in Armandos Augen, während er wieder ihre rechte Hand nahm und gleichzeitig seinen Arm eng um ihre Hüfte legte. Intuitiv wusste sie, was passieren würde, deshalb zierte sie sich so. Armandos nachtschwarze Pupillen verhießen ihr alles, was gerade in ihrem Leben fehlte: Leidenschaft und Abenteuer, Glückseligkeit und Drama. Sie zitterte in seinen Armen.

      »Qué bien!« Er war so nah an ihrem Gesicht, dass sie jede einzelne Wimper sehen konnte. Als er sie nun losließ, um sie wieder ihrem Tanzpartner Guido zu übergeben und sich um die nächste Tanzschülerin zu kümmern, war ihr schwindelig. Am liebsten hätte sie sich hingesetzt und nachgespürt, was eben passiert war. Hatte sie sich verliebt? Oder war das nur eine kleine Aufwallung gewesen, weil ihr dieser exotische Mann aus Argentinien so nahegekommen war? Sandra war verwirrt. Sie ließ sich von Guido widerstandslos durch den nächsten Tango führen und stolperte seinen ungelenken Schritten hinterher. Mit ihren Blicken allerdings suchte sie Armando. Machte er das mit jeder Frau im Kurs? War das seine Masche? Sie folgte seinen Bewegungen und stellte fest, dass er zwar zu jeder Tänzerin freundlich war, aber keiner so in die Augen sah, wie er es bei ihr getan hatte. Ihr Herzklopfen setzte wieder ein. Gleichzeitig schalt sie sich selbst eine Närrin. Wie konnte sie sich nur so gehen lassen?! Sie war hier, um nicht jeden Abend daran erinnert zu werden, dass sie wieder Single war. Also aus einem ganz vernünftigen Grund. Nur deshalb.

      »He, du musst schon ein bisschen mitmachen, sonst wird das nie was mit uns!«, beschwerte sich Guido und blieb stehen.

      Sandra hatte eben Armandos Blick aufgefangen und der war sehr vielsagend gewesen. Die letzten Takte des Tangos waren verklungen.

      »Was?«

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