Tatort Kuhstall. Thea Lehmann

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Tatort Kuhstall - Thea Lehmann

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nickte: »Genau genommen unterhalb von ihm, an der Zyklopenmauer.«

      Helene Petzold schien mit dieser Nachricht nach wie vor überfordert zu sein.

      »Was sollte Stefan denn ausgerechnet da gewollt haben? Da gehen Touristen hin, aber doch nicht er. Wie denn auch, mit seinem schlimmen Bein?«

      »Was war mit seinem Bein?«, fragte Sandra nach.

      Ihr Gegenüber wischte sich mit dem Taschentuch über das verschmierte Gesicht.

      »Er hinkt. Als Kind oder in seiner Jugend muss er einen schlimmen Unfall gehabt haben. Er hat nie darüber gesprochen, obwohl ich ihn ein paar Mal danach gefragt habe. Das war irgendwie tabu.« Sie schniefte. »Obwohl er mir sonst alles erzählt hat.«

      Sandra machte sich Notizen. Es war sicher interessant herauszufinden, wie Dr. Schüppel mit diesem Handicap zum Kuhstall gelangt war.

      »Mit welchem Bein hatte er dieses Problem?«

      »Das rechte Bein war das schlimme. Er hat oft Schmerzen gehabt, der Arme.«

      Helene Petzold fiel jetzt regelrecht in sich zusammen und weinte bitterlich.

      Sandra wartete ab, bis sie sich wieder gefangen hatte. Sie sah sich im Wohnzimmer um, das trotz des hellen Sonnenlichts, das von draußen durch die Fenster schien, wie eisgekühlt wirkte. Die beiden Porträts in Öl, die über dem Sofa hingen, zeigten einen Mann und eine Frau. Er streng und hager, sie in hochgeschlossener grauer Bluse, ebenfalls eher schmal und freudlos.

      Helene Petzold folgte ihrem Blick. »Stefans Eltern«, sagte sie knapp.

      Sandra nickte und konzentrierte sich wieder auf sie.

      »Er konnte also keine weiten Strecken gehen?«

      »Nein. Er ist immer mit einem Gehstock unterwegs. Lange Märsche kann er nicht machen. Das ist schmerzhaft für ihn.«

      Sandra notierte »Wo Gehstock?« und ließ sich genau beschreiben, wie Schüppels Gehhilfe aussah.

      »Was, denken Sie, könnte Herr Dr. Schüppel am Kuhstall gesucht haben? War er öfter dort?«

      Helene Petzold schüttelte voller Überzeugung den Kopf.

      »Nein. Ich verstehe nicht, was er da wollte. Der Stefan liebt Pflanzen, besonders Moos und Farne und Kräuter. Sie sehen doch, wie der Garten aussieht, die reinste Farnzucht. Seine Familie macht schon seit drei Generationen in Kräuterlikör und Kräuterzusätze für Salben. Aber Menschen, vor allem viele auf einmal, die hat er gar nicht gemocht.«

      Sandra überlegte: »Wenn er nicht so gut zu Fuß war, wird er so nah wie möglich mit dem Auto herangefahren sein. Das müsste also noch dort stehen. Was für einen Wagen fährt Herr Dr. Schüppel?«

      »Gar keinen.«

      »Wie? Ich verstehe nicht.«

      »Wenn er irgendwohin wollte, was nicht oft vorkam, hat er mich gebeten, ihn zu fahren. Oder er hat sich ein Taxi gerufen.«

      Sandra notierte sich, dass sie die örtlichen Taxianbieter anrufen würde, um zu erfahren, ob einer von ihnen Dr. Schüppel am Samstagmorgen zum Kuhstall gebracht hatte.

      »Ich hätte nicht wegfahren dürfen!«, schluchzte Helene Petzold auf. »Ich bin seit Freitag nicht hier gewesen, weil mein Sohn in Heilbronn geheiratet hat. Ich hatte drei Tage Urlaub und dann passiert sowas. Warum habe ich ihn bloß allein gelassen?«

      In Helene Petzold arbeitete es mächtig, ihre Erregung war ihr deutlich anzusehen. Sie atmete heftig ein und aus, bevor es sie schließlich nicht mehr im dezent gestreiften Sessel hielt und sie begann, im Wohnzimmer hin und her zu wandern.

      »Wir wollten nächstes Jahr eine gemeinsame Reise machen, ans Nordkap! Er war in den letzten vier Wochen so fröhlich wie die ganzen sieben Jahre nicht, die ich nun schon bei ihm bin. Er hat wieder gelacht!«

      Helene Petzold schrie es fast in Sandras Richtung.

      »Er hat wieder gelacht! Er war glücklich! Stefan hat endlich verstanden, dass ich ihm treu ergeben bin und wir eine gemeinsame Zukunft vor uns haben! Und dann kommen Sie und sagen mir, dass er tot ist!«

      Ihr mächtiger Busen bebte unter dem mit grünen Blättern bedruckten Kleid.

      Sandra empfand Mitleid mit Helene Petzold. Offenbar waren die beiden ein spätes Liebespaar gewesen. Zwar fand sie es irgendwie tröstlich, dass man sich auch mit über fünfzig Jahren noch verlieben konnte, andererseits war Helene Petzold kein Happy End der Liaison mit ihrem Chef vergönnt gewesen.

      »Sie wissen wirklich nicht, ob er noch nähere Verwandte hat?«, fragte sie, als Helene Petzold sich wieder hingesetzt hatte.

      »Nein, ich weiß von niemandem. Die einzigen, die ihn länger kennen, sind seine Angestellten und die Hesses. Christian Hesse ist der Geschäftsführer von Waldgold. Seine Frau Doreen und er kennen Stefan schon seit ihrer gemeinsamen Jugend.«

      Sandra nickte. »Gut. Mit denen reden wir als nächstes. Frau Petzold, ich denke, Sie sollten in Ihrem Zustand nicht allein bleiben. Kann ich jemanden anrufen, eine Verwandte, eine Freundin, die sich um Sie kümmert?«

      Mit einer Handbewegung wischte Helene Petzold Sandras Bedenken beiseite.

      »Also wissen Sie, das kippt mich nicht aus den Latschen. Mein Mann Richard ist vor zehn Jahren gestorben. Das war wirklich schlimm. Damals stand ich mit zwei Teenagern allein da. Ich komme auch diesmal zurecht. Aber ich werde Conni anrufen, das ist meine beste Freundin.«

      Sandra tätschelte ihr den Unterarm.

      »Das ist gut. Falls Sie sich jetzt besser fühlen, bitte ich Sie, noch einmal mit mir durch das Haus zu gehen und zu schauen, ob alles in Ordnung ist oder ob Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt.«

      Helene Petzold sah sie aus Mascaraumwölkten Augen an.

      »Meinen Sie einen Abschiedsbrief oder so was?«

      »Zum Beispiel. Aber es kann auch etwas ganz anderes sein.«

      Leo überquerte die Straße und auf der Brücke zum Gelände auch den Bach, der neben der Straße plätscherte. Er versuchte, sich auf dem weitläufigen Areal zu orientieren. Hier hatten in teils renovierten, teils noch im DDR-Originalzustand befindlichen Gebäuden eine ganze Reihe von Firmen und Handwerkern ihr Domizil gefunden. Bald entdeckte er einen Eingang, neben dem das Schild »Waldgold GmbH« prangte. Er klopfte und betrat einen kleinen Flur mit vier Türen, von denen eine offen stand. Eine Duftwolke nach Kräutern und Alkohol umhüllte ihn augenblicklich. Gleich hinter der offenen Tür saß eine junge, in jeder Hinsicht üppige Frau hinter einem Schreibtisch und tippte eifrig auf einer Computertastatur.

      Sie hob den Kopf und sah ihn an: »Ja bitte?«

      Ihre riesigen Ohrringe klimperten bei jeder Bewegung.

      »Reisinger von der Kriminalpolizei Dresden. Könnte ich bitte den Chef sprechen?«

      »Sie meinen den Betriebsleiter, Herrn Johne?«, fragte sie und musterte ihn interessiert. Ihr Gesicht samt dick aufgetragenem Make-up hatte etwas Maskenhaftes. Sie zögerte kurz. »Oder unseren

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