Tatort Kuhstall. Thea Lehmann
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![Tatort Kuhstall - Thea Lehmann Tatort Kuhstall - Thea Lehmann](/cover_pre968886.jpg)
»Also wissen Sie, nein – mein Name ist Helene Petzold. Ich bin Herrn Dr. Schüppels Freundin und ›rechte Hand‹. Haben Sie einen Termin? Ohne vorherige Vereinbarung empfängt er keine Gäste.«
Sie blieb am Gartentor stehen, das Leo ihr mit einer galanten Bewegung öffnete, damit sie mit ihren Einkäufen hindurchgehen konnte.
Sandra zückte ihren Ausweis und hielt sie auf.
»Frau Petzold, wir sind von der Kriminalpolizei Dresden. Herrn Schüppel ist etwas zugestoßen. Können wir mit Ihnen sprechen?«
Leo versuchte, den einen Einkaufskorb aufzufangen, den Helene Petzold mit einem spitzen Schrei fallen ließ.
»Was sagen Sie da? Etwas zugestoßen?«
»Wie zartfühlend ihr Frauen doch seid«, raunte Leo ärgerlich in Sandras Richtung, aber die zuckte nur mit den Schultern. Er nahm der aufgeregten Frau auch den zweiten Korb ab und versuchte, sie zu beruhigen.
»Lassen Sie uns bitte in Ruhe reden, Frau Petzold. Können wir hineingehen?«
»Ich, ich verstehe nicht … Ja, sicher. Kommen Sie!«
Sie hastete den kurzen Weg zur Eingangstür der Villa entlang. Mit zitternden Händen holte Helene Petzold den Hausschlüssel aus ihrer Jackentasche und wiederholte Sandras Worte: »… etwas zugestoßen …«
Als sie im geräumigen Flur der Villa standen, drehte sie sich um und fragte:
»Was bedeutet das?«
»Wie nahe standen Sie Herrn Schüppel?«, wollte Leo wissen.
»Sind Sie eine Angestellte oder seine Partnerin?«, fragte Sandra.
»Es gibt Gespräche, die die Polizei nur mit den nächsten Angehörigen führt«, erklärte Leo.
»Also wissen Sie, das ist doch jetzt unwichtig. Sagen Sie mir endlich, was passiert ist!«, beschwerte sich Helene Petzold resolut. »Stefan hat keine engen Verwandten und ich weiß über alle seine Angelegenheiten Bescheid. Wir sind uns sehr nahe und haben keine Geheimnisse voreinander.«
Sandra gab Leo ein Zeichen und übernahm es, sie über den Tod ihres Chefs zu informieren. Wortlos hörte sich die Frau an, dass Stefan Schüppels Leiche am Fuß der Zyklopenmauer unterhalb des Kuhstalls gefunden worden war.
»Oh, wie schrecklich«, flüsterte Helene Petzold und wankte durch eine zweiflügelige Tür ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich auf einen Sessel fallen und schloss die Augen. Leo folgte ihr und sah sich um. Seitlich führte eine Doppeltür auf eine geräumige Terrasse. Sofa und Sessel standen einladend mitten im Raum vor einem gut gefüllten Bücherregal.
Sandra setzte sich zu Helene Petzold.
»Wir können momentan noch nicht sagen, wie Herr Dr. Schüppel ums Leben kam. Aber vielleicht können Sie uns mehr über ihn und seine Gepflogenheiten berichten und so dazu beitragen, dass wir Antworten finden.«
Erst jetzt schien Helene Petzold zu registrieren, wo man Stefan Schüppel gefunden hatte.
»Am Kuhstall?«, fragte sie zweifelnd. »Stefan geht nie wandern. Er hat einen schlimmen Fuß und hinkt. Wandern ist das Letzte, das er freiwillig machen würde. Und dann noch am Kuhstall! Er ist ein zurückgezogener, um nicht zu sagen scheuer Mensch. Selbst wenn er Lust auf eine Wanderung hätte, würde er nicht ausgerechnet zum Kuhstall laufen! Da marschieren die Touristen doch busladungsweise hinauf.«
Nun begann sie doch zu weinen.
»Wir stehen uns sehr nah, müssen Sie wissen. Niemand kennt ihn so gut wie ich. Ich kann nicht glauben, dass er tot sein soll. Sind Sie sicher, dass es Dr. Stefan Schüppel ist, den Sie gefunden haben?«
»Er hatte seine Ausweispapiere bei sich«, sagte Leo.
Helene Petzold sprang vom Sessel auf.
»Moment, ich gehe nachsehen. Vielleicht irren Sie sich und er ist wie immer oben und arbeitet. Sie eilte die Treppe nach oben und rief mehrmals laut: »Stefan?«.
Leo und Sandra folgten ihr. Im ersten Stock befanden sich mehrere Zimmer, deren Türen Helene Petzold nun aufriss. Sie konnten einen Blick in ein geräumiges Arbeitszimmer, dann in ein Labor, in ein Gästezimmer und in ein modernes Bad werfen. Es fand sich keine Spur vom Bewohner der Villa. Außer im Labor herrschte überall penible Ordnung, Leo konnte kaum persönliche Gegenstände entdecken. Im letzten Raum, dem Schlafzimmer, war Helene Petzold stehen geblieben. Das altmodische, breite Holzbett war ordentlich gemacht, eine hellbraune Tagesdecke lag zur Hälfte darüber. Gegenüber stand eine Tür des dunklen Kleiderschranks offen und gab den Blick frei auf einen Stapel Hemden und diverse Schubladen.
»Stefan?« In Helene Petzolds Stimme schwang Verzweiflung mit.
Kraftlos ließ sie sich gegen den Türstock sinken. Leo war erleichtert, als er an der Wand hinter dem Bett wenigstens ein paar gerahmte Fotografien bemerkte. Sie waren schwarz-weiß und wohl schon älter. Er glaubte, auf ihnen junge Menschen in der Natur zu erkennen. Auf dem Nachttischchen lag ein Buch mit mehreren Lesezeichen.
»Stefan?« Es kam nur noch wie ein Flüstern von Helene Petzolds Lippen.
»Frau Petzold«, sagte Sandra mit ruhiger Stimme und berührte sie sanft am Arm. »Leider müssen Sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass Herr Schüppel nicht mehr am Leben ist. Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen zu ihm stellen.«
Sie führte Stefan Schüppels Gefährtin wieder hinunter ins Erdgeschoss. Bevor Leo ihnen folgte, warf er neugierige Blicke in das Arbeitszimmer, das von einer gewaltigen Schrankwand und dem dazu passenden Schreibtisch dominiert wurde. Erstaunt bemerkte er neben den sorgfältig gestapelten Briefen ein altmodisches Schnurtelefon. Sowas gab es noch? Einen Abschiedsbrief konnte er auf den ersten Blick weder im Schlafzimmer noch im Arbeitszimmer entdecken.
Im Labor zeugten blinkende Lichter an großen Kühlschränken, ein Laptop auf dem Tisch, eine Vorrichtung aus mehreren großen Glasbehältern, einer Heizplatte, einem Thermometer und metallenen Schläuchen, die Leo als Destilliergerät identifizierte, Pipetten, große, getönte Flaschen, Glaskolben in allen möglichen Größen und vor allem der intensive Geruch nach Lösungsmittel davon, dass Stefan Schüppel hier noch kürzlich viel Zeit verbracht hatte. In den Zimmerecken saßen jedoch auch traurige dunkle Schatten und erzählten von Einsamkeit. Auch hier keine Spur einer Nachricht, die Aufschluss über etwaige Selbstmordpläne Schüppels gegeben hätte. Leo packte den Laptop ein und nahm ihn mit ins Erdgeschoss.
Sandra saß Helene Petzold gegenüber auf dem Sofa und kramte ihr Schreibzeug heraus.
Leo machte auf sich aufmerksam: »Ich würde mir gern die Produktionsräume der Waldgold GmbH ansehen, Frau Petzold. Sind die gleich da drüben?« Er deutete nach draußen über die Straße.
Mit tränennassem Gesicht schaute Helene Petzold auf. Wimperntusche verteilte sich über ihre Tränensäcke und lief in unregelmäßigen Spuren die Wangen hinab.
»Über die Brücke auf die andere Seite vom Lachsbach. Sie werden es schon finden«, sagte sie matt.
»Der Stefan war so eine Seele von Mensch! Der konnte keiner Fliege was zuleide tun!« Helene Petzold schluchzte vornübergebeugt in ihr Taschentuch. Dann schnäuzte sie sich die Nase und richtete sich wieder auf.