Das Geheimnis der Väter. Daniel Eichenauer

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Das Geheimnis der Väter - Daniel Eichenauer

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an. «Es geht hier um ein Tötungsdelikt, wenn dieses auch – soviel wir bis jetzt wissen – nur fahrlässig begangen wurde, in Tatmehrheit mit Unfallflucht.»

      Neeles Mutter schüttelte empört den Kopf. «So ein Unsinn! Mein Mann würde so etwas nie tun!»

      «Herr van Lenk, Sie sind bereits wegen Unfallflucht vorbestraft. Damals versuchten Sie, sich der Verurteilung wegen fahrlässiger Köperverletzung zu entziehen. Und jetzt das!», sagte die Kommissarin provozierend.

      «Das ist doch schon ewig her und hat rein gar nichts hiermit zu tun! Ich habe damals nicht bemerkt …»

      Er wollte sich erklären, doch Helena van Lenk hatte genug. Sie schlug mit der Hand auf den Tisch und sprang auf. «Was erlauben Sie sich? Verlassen Sie sofort unser Haus!» Sie war außer sich.

      Da klingelte es an der Tür. Der zweite Polizist stand davor.

      «Haben Sie auch noch etwas Geistreiches beizutragen?», herrschte die Mutter den Mann an, nachdem sie ihm geöffnet hatte, drehte sich um und ging wieder zum Esstisch.

      «Ich muss dringend mit Frau Wendlandt sprechen», rechtfertigte sich der Uniformierte.

      «Für Sie», sagte Neeles Mutter zu der Kommissarin und zeigte mit dem Daumen auf die Tür, obwohl die das selbst mitbekommen hatte.

      Die Kommissarin erhob sich und ging zu ihrem Kollegen.

      «Sie wollte sowieso gerade gehen», rief ihr der Vater hinterher. Offenbar kam er langsam in Stimmung. «Wenn es schon unglaubwürdig ist, dass ich alleine spazieren gehe – warum ist das bei dem Zeugen nicht der Fall?», fügte er hinzu. «Und der Gegenstand, den ich angeblich mit mir geführt habe, muss unser Hund gewesen sein.»

      Die beiden Polizisten sprachen leise miteinander, dann kehrte die Kommissarin zurück an den Tisch. Sie blieb neben Neeles Vater stehen und sah ihn an. «Herr van Lenk, es tut mir leid, aber ich muss Sie bitten, ein paar Sachen zusammenzupacken!»

      «Das ist ein Scherz, oder? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich das Fahrrad verliehen habe. Fragen Sie doch den Chrumm!»

      «Ich komme gerade von ihm», erklärte der Kollege der Kommissarin mit Amtsmiene. «Er sagt aus, er habe das Fahrrad gestern gegen 19.30 Uhr in Ihrem Garten abgestellt. An die Zeit erinnere er sich ganz genau, da er rechtzeitig zur Tagesschau wieder daheim sein wollte.»

      «Und warum habe ich das Fahrrad dann nicht gesehen, als ich losgegangen bin?»

      «Das fragen wir Sie.»

      «Weil es wohl jemand geklaut haben muss, verdammt noch mal! So schwer ist das doch nicht zu verstehen!» Wütend ging er im Zimmer auf und ab, massierte sich die Schläfen und vergrub dann schnaufend sein Gesicht in den Händen.

      «Im Regen?», fragte die Kommissarin.

      «Bricht man im Regen nicht in Häuser ein?»

      «Machen Sie sich nicht lächerlich, Ihr Fahrrad ist kein Haus! Es ist auch nicht wertvoll. Ein wertloses Fahrrad wird nur entwendet, wenn es gerade gebraucht wird, sprich, man klaut es, weil man irgendwohin möchte, und nicht, um es zu verkaufen. Aber wer sollte das bei solch einem Wetter schon getan haben?»

      «Woher soll ich denn wissen, wer im Dunkeln mein Fahrrad klaut? Verwechseln Sie nicht etwas? Es ist doch Ihre Aufgabe, das herauszufinden!»

      «Sehen Sie, da wir das wissen, haben wir unsere Aufgabe auch prompt erledigt: Ihr Fahrrad wurde nicht gestohlen. Sie sind, nachdem Sie es in Ihrem Garten gefunden haben, damit in den Wald gefahren. Dort stellten Sie fest, dass der Boden durch den Regen viel zu weich war, um darauf zu fahren. Deshalb wollten Sie das Rad nach Hause schieben. Als Sie über die Straße gingen, haben Sie nicht auf das Auto geachtet, das sich Ihnen näherte. Der Fahrer wollte Ihnen ausweichen und ist dabei zu Tode gekommen. Das ist die Sachlage!»

      Die Kommissarin schien es wirklich ernst zu meinen. «Und warum sollte ich im Regen mit Fahrrad und Hund durch die Gegend laufen?»

      «Ich denke, Sie gehen gerne im Regen spazieren?», erwiderte die Frau schnippisch.

      «Ja, spazieren, aber nicht Rad fahren!»

      «Viele Menschen fahren Fahrrad, wenn sie ihren Hund spazieren führen. Dadurch wird das Tier trainiert, und man kann die übliche Strecke in kürzerer Zeit zurücklegen. Sehr praktisch. Vor allem bei Regen. Außerdem soll Ihr Hund ja sicher nicht verfetten. Er ist ja auch groß und kräftig genug für einen Fahrradausflug. Packen Sie bitte ein paar Sachen zusammen!»

      «Sie verhaften mich wegen eines Verkehrsverstoßes? Ich will sofort mit meinem Anwalt telefonieren! Helena, ruf sofort Dieter an, der soll herkommen!»

      «Herr van Lenk, das ist kein normaler Verkehrsverstoß. Sie sind nicht bei Rot über eine Straße gegangen. Ein Mensch ist zu Tode gekommen, und Sie haben nicht einmal einen Arzt gerufen, sondern sind einfach weitergegangen. Außerdem sind Sie einschlägig vorbestraft, und diese Vorstrafe ist noch gar nicht so alt. Haben Sie nicht heute ein Visum für eine Reise in die DDR beantragt?», fragte die Kommissarin Wendlandt scharf.

      Hilmar van Lenk wurde kreidebleich. «Ja, das habe ich. Aber es dauert ewig, bis das Visum erteilt wird.»

      «Manchmal auch nicht. In jedem Falle wird es vor Abschluss unseres Ermittlungsverfahrens ausgestellt. Und wer sagt uns, dass Sie dann tatsächlich zurückkommen?»

      «Das ist albern! Wenn ich abhauen wollte, dann bestimmt nicht in die DDR. Mein Antrag auf ein Visum hat doch nichts mit diesem Unfall zu tun. Ich bin Journalist und schreibe über innerdeutsche Themen. Das dürfte Ihnen nicht entgangen sein, sofern Sie nicht nur die Boulevardpresse lesen. Allein aus diesem Grund habe ich das Visum beantragt.»

      «Das mag alles sein. Tatsache aber ist: Wenn Sie erst einmal drüben sind, werden wir Sie nicht mehr befragen können. Den Rest erzählen Sie am besten dem Haftrichter. Die Strafe, die Sie wegen der Vorstrafe erwartet, wird ohnehin hoch genug sein, um Fluchtgefahr zu rechtfertigen.»

      Neeles Mutter war inzwischen zum Telefon gegangen und versuchte erfolglos, den befreundeten Anwalt zu erreichen.

      «Ich bitte Sie jetzt ein letztes Mal, mit uns zu kommen, anderenfalls wird mein Kollege unmittelbaren Zwang anwenden müssen!»

      Hilmar van Lenk gab sich geschlagen und sagte, er wolle noch ein paar Sachen zusammenpacken.

      Neele war wie versteinert. Als ihr Vater die Treppe hinaufkam und sie auf der obersten Treppenstufe erblickte, starrte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

       Neele van Lenk

      Neeles Ohnmacht und Verzweiflung über die Verhaftung ihres Vaters waren über die Jahre hinweg dem Ehrgeiz gewichen, mehr über die Umstände des dubiosen Vorfalls in Erfahrung zu bringen. Und diesmal würde sie nicht aufgeben, bevor sie nicht die Wahrheit ans Licht gebracht hatte! Sie war zwar in den letzten Jahren nicht untätig geblieben, dennoch war es an der Zeit, ihr Ziel nachdrücklicher als bisher zu verfolgen.

      Schon seit Jahren hatte Neele keinen Zweifel daran, dass ihren Vater nicht die geringste Schuld an dem Unfall traf. Es war kein normaler Unfall gewesen, so viel stand für sie fest. Und sie wollte wissen, warum man sie all die Jahre belogen hatte. Warum verdrängte ihre Mutter dieses Thema, das Neele seit

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