Das Geheimnis der Väter. Daniel Eichenauer

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Das Geheimnis der Väter - Daniel Eichenauer

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schrie leise auf.

      «Was war das?», raunte der eine.

      «Wer ist da?», rief der andere drohend.

      Ich zog meinen schmerzenden Fuß unter den Geräten hervor und wollte wegrennen. Doch als ich mich umdrehte, stieß ich gegen einen Mähdrescher und fiel hin.

      «Komm heraus, wir wissen, dass du da bist!»

      Unter der Maschine hindurch sah ich die Füße der beiden Männer auf mich zukommen.

      «Was hast du denn hier zu suchen?», fuhr mich Thomas Deuchter an.

       Neele van Lenk, 1985

      Das dunkelste Kapitel in Neeles Kindheit begann am Abend des 19. Oktober 1985. An jenem Abend konnte ihr Vater sich nicht einmal in Ruhe die Schuhe ausziehen, als er nach Hause kam, weil sie ihm so aufgeregt entgegenrannte.

      «An der Straße durch den Wald!», japste sie. «Ein Auto am Baum! Total kaputt! Die Feuerwehr hat Pulver verstreut. Keiner mehr da. Nur noch das kaputte Auto.» Wild fuchtelte sie mit ihren Armen umher und sprang von einem Satz zum nächsten, sodass ihr Vater offensichtlich alle Mühe hatte, ihren Ausführungen zu folgen.

      «Ich weiß, Kleines, ich bin auch daran vorbeigefahren», versuchte er sie zu beruhigen.

      «Ja, aber …» Bevor Neele ihren Satz beenden konnte, klingelte es an der Tür.

      «Erwartest du jemanden?», fragte Hilmar van Lenk seine Frau, die auf dem Sofa saß, ein Magazin las und Schlünz, den Hund, kraulte.

      Sie schüttelte nur den Kopf.

      «Herr van Lenk?», fragte eine blonde Endzwanzigerin, nachdem der Vater ihr und ihrem Begleiter die Tür geöffnet hatte. «Mein Name ist Wendlandt, Kripo Berlin. Könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?»

      «Eine Dame von der Kripo!», rief der Vater erstaunt seiner Frau zu.

      «Was möchte die Dame denn?», fragte die Mutter zurück, nahm ihre Beine von der Fußablage und erwiderte den Gruß, bevor sie sich zu ihrer Tochter drehte. «Neele, geh hinauf in dein Zimmer!»

      Neele beobachtete noch, wie ihre Mutter das Klatschmagazin zur Seite legte, verließ dann aber widerspruchslos den Raum. Sie wusste, dass eine Diskussion zwecklos war. Sie hatte bessere Wege entdeckt, ihre Ziele zu erreichen. Unbemerkt blieb sie auf dem oberen Treppenabsatz sitzen und lauschte. Von dort aus hatte sie einen guten Blick in den offenen Wohnraum. Polizei – das fand Neele sehr spannend!

      Ihr Vater setzte sich mit der Kommissarin an den Esstisch. Die fremde Frau redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern legte ihm ein Polaroid vor. «Herr van Lenk, haben Sie dieses Fahrrad schon einmal gesehen?»

      Er schaute genauer hin, offenbar war die Aufnahme von schlechter Qualität. «Ja, ja», rief er nach einer Weile aus, «das ist doch mein Rad! Gott, was ist denn damit passiert? Das ist ja vollkommen demoliert. Gestern erst sprachen wir noch darüber. Meine Frau hat es einem – wie soll ich sagen? – Bekannten, oder besser, dem Vater eines Schulfreundes meiner Tochter ausgeliehen.»

      «Sie haben es verliehen? Wie heißt denn der Mann, dem Sie es gegeben haben?»

      «Georg Chrumm, er wohnt hier gleich um die Ecke», antwortete nun Neeles Mutter. Sie war vom Sofa aufgestanden und näherte sich dem Tisch, an dem der Vater mit der Kommissarin saß. «Eigentlich wollte er es gestern Abend wieder zurückbringen, aber anscheinend hat er es noch nicht getan. Er wollte es am Zaun abstellen. Oder ermitteln Sie, weil das Rad gestohlen wurde? Wir haben doch noch gar keine Anzeige erstattet.» Sie sah ihren Mann an und zog einen Stuhl zurück, um sich zu setzen. «Hast du …»

      «Nein, Frau van Lenk, ich bin nicht wegen eines Diebstahls hier», unterbrach sie die Kommissarin mit ernster Miene. Sie stand auf, ging zu ihrem Kollegen, der die ganze Zeit an der Tür gewartet hatte, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der nickte und verließ das Haus. Die Kommissarin ging zurück an den Tisch, blieb hinter dem Vater stehen, sah auf ihn herab und fragte: «Herr van Lenk, wo waren Sie gestern Abend gegen 22.15 Uhr?»

      Der Vater blinzelte irritiert und drehte sich zur Kommissarin. «Ich war mit meinem Hund spazieren. Wieso fragen Sie?»

      «Im Regen?» Die Kommissarin setzte sich wieder. «War noch jemand dabei?»

      «Nein, ich war alleine. Ich gehe gerne allein im Dunkeln spazieren. Und bei Regenwetter ist es besonders einsam, da kann ich meine Gedanken voll und ganz der Arbeit widmen. Ich bin Journalist, müssen Sie wissen.»

      «Aha.» Sie nickte desinteressiert. «Wo lang?»

      «Wie bitte?»

      «Ihr Weg – wo führte der lang?»

      «Ach so. Ich ging unter der Eisenbahnbrücke hindurch, dann in den Wald, an den Schienen entlang, unter der nächsten Unterführung hindurch auf die andere Seite der Gleise, schließlich auf die Straße und dann wieder über den Kanal zurück nach Hause. Warum ist das wichtig?» Es war deutlich zu spüren, dass Neeles Vater langsam ungeduldig wurde.

      «Sie sind alleine im Dunkeln bei strömendem Regen durch den Wald gelaufen?» Die Polizistin runzelte die Stirn.

      «Mein Mann geht diese Strecke jeden Abend um die gleiche Zeit. Nach dem Ende des Abendspielfilms macht er für gewöhnlich die letzte Runde mit dem Hund», kam ihm die Mutter zur Hilfe. «Hören Sie, was soll das eigentlich?» Jetzt wurde auch sie ungeduldig.

      «Herr van Lenk, es gab gestern Abend gegen 22.15 Uhr einen schweren Unfall auf der Straße kurz vor der Brücke über den Teltowkanal. Ein Autofahrer wollte offenbar einer Person ausweichen, die ein Fahrrad schob und gerade aus dem Wald kam. Die wechselte nämlich plötzlich, ohne nach links und rechts zu schauen, auf die andere Straßenseite. Bei dem Ausweichmanöver fuhr der Autofahrer gegen einen Baum und war sofort tot. Die Person, die das Fahrrad mit sich geführt hat, ist flüchtig. Ein Passant hat den Unfall beobachtet und sofort die Polizei verständigt.»

      Hilmar van Lenk unterbrach sie. «Ich habe das Autowrack heute gesehen. Aber warum erzählen Sie mir das alles?»

      «Das Fahrrad, das über die Straße geschoben wurde, ist Ihres, Herr van Lenk», sagte die Kommissarin schneidend. «Sie haben es gerade identifiziert.»

      Neeles Vater ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. Nach einem kurzen Moment legte er einen Zeigefinger an die Lippen und fragte: «Wollen Sie damit sagen, ich hätte einen Unfall verursacht und wäre dann abgehauen? Das ist hoffentlich nicht Ihr Ernst! Ich habe doch eben erklärt, dass ich mit dem Hund unterwegs war und mein Fahrrad verliehen hatte. Jemand müsste mich dort gesehen haben. Denn irgendeine Person lief auf der anderen Straßenseite.»

      «Das stimmt – das war der, der die Polizei rief. Der Mann hat aber auch ausgesagt, dass Sie einen Gegenstand mit sich führten, der Ihnen bis über die Hüfte reichte. ­Genaueres konnte er aufgrund der Dunkelheit und des Regens nicht erkennen, da er zu weit von Ihnen entfernt war. Und nun erzählen Sie mir, dass Sie Ihr Fahrrad an einen entfernten Bekannten verliehen hätten, den Sie anscheinend noch nicht einmal sonderlich mögen, der es aber nach seiner Fahrradtour vor Ihrem Grundstück abgestellt haben soll, ohne es anzuschließen. Der große Unbekannte soll es dann geklaut haben. Und Sie? Sie gehen zufällig zur selben Zeit alleine bei einem Wetter, bei dem man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagt, mit

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