Der König vom Feuerland. Horst Bosetzky
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Читать онлайн книгу Der König vom Feuerland - Horst Bosetzky страница 13
»Na, Wöhlert, gestern wieder zu lange auf den Spuren Ihres Vaters gewandelt?« Der war Brauer.
»Nein, ich habe nur mit geschlossenen Augen nachgedacht. Fragt mich gestern ein Constabler, mit dem ich ins Gespräch gekommen war, ob unsere Bügelmaschine nicht was für seine Frau wäre. ›Wir haben acht Kinder und so viel Wäsche!‹ Da frage ich mich, ob man nicht wirklich etwas bauen kann, das mit heißem Dampf die zerknitterten Wäschestücke glättet …«
»Hm …« Egells dachte nach. »Möglich erscheint mir das schon, aber die Leute müssten dafür statt ihrer Küche kleine Säle zu Hause haben.«
Auch Egells, ansonsten ein rastloser Arbeiter, war heute etwas müde. Schließlich war er jungverheiratet, und seine Anna Elisabeth Sabina, Tochter des Porzellanmalers Peter Angelé, hatte ihm vermittelt, dass ein Bett auch anderem als der bloßen Nachtruhe dienen konnte.
Gegen Mittag ließ sich Beuth in der Lindenstraße sehen. Egells hieß seinen Freund und Förderer herzlich willkommen.
»Na, willst du sehen, ob sich die Gelder, die Preußen hier investiert hat, auch verzinsen werden?«
Beuth lächelte. »Alles, was wir jetzt für die Industrialisierung unseres Landes tun, wird sich später einmal auszahlen. Nein, ich komme, um zu hören, wie es mit dem Umzug in die Chausseestraße vorangeht.«
»Wir werden erst nächstes Jahr alles unter Dach und Fach haben, aber wir kommen mit allem gut voran.«
»Das freut mich zu hören«, sagte Beuth. »Die Königliche Eisengießerei ist ja schon seit nahezu zwanzig Jahren dort zu Hause, und ich hoffe, dass sich in der Gegend nordöstlich des Oranienburger Thores – Chausseestraße, Zollmauer, Garten- und Liesenstraße – bald viele Eisengießereien und Maschinenbau-Anstalten ansiedeln werden. Aus Dutzenden von Schornsteinen sehe ich Rauch in den Himmel steigen.«
Bis der Unterricht in Beuths Institut begann, hatte August Borsig noch zwei Wochen Zeit, sich mit Preußens Residenz vertraut zu machen, und einige Male zog er auch mit Wilhelm Järschersky durch Berlin, das gerade einen wunderbaren Altweibersommer erlebte. Die Damen, die nachmittags Unter den Linden spazieren gingen, hatten zum Teil noch ihre bunten Sonnenschirme aufgespannt, und der Thiergarten zeigte weiterhin ein sattes Grün. Die wenigen Blätter, die von den Linden und Kastanien zu Boden schwebten, fielen nicht weiter ins Gewicht.
Zuerst ging es zum Schloss der Hohenzollern, und Järschersky geriet so ins Schwärmen, dass es Borsig fast zu viel wurde. Denn so recht imponieren wollte ihm das Gebäude nicht, schließlich war auch das Breslauer Schloss keine Hundehütte. Er hörte erst wieder richtig zu, als Järschersky vom Grünen Hut zu erzählen begann.
»Dieser kleine Turm, den du dort oben siehst, ist der Grüne Hut. Er ist ein Überbleibsel der alten Burg, die hier gestanden hat, und diente bis 1648 als Gefängnis. Ganz unten im Turm stand die Eiserne Jungfrau, eine Frauengestalt aus Eisen. Die weitgeöffneten Arme waren als Schwerter ausgebildet, und im Leib befanden sich links und rechts scharfe Messer. Wurde einer zum Tode verurteilt, musste der vor der Eisernen Jungfrau auf eine steinerne Platte treten und sie küssen. Dadurch wurde ein Mechanismus ausgelöst, und die Arme umfingen ihn, pressten ihn gegen die Messer und zerschnitten seinen Körper. Die einzelnen Stücke der Leiche fielen dann durch eine Klappe runter in die Spree – und die Fische und die Krebse hatten was zu fressen.«
Borsig schüttelte sich und war in den kommenden Wochen nur schwer dazu zu bewegen, Fische aus der Spree zu essen. Weniger gruselte ihm vor der Weißen Frau, dem Schlossgespenst der Hohenzollern, bei dem es sich um Anna Sydow handeln sollte, eine Gespielin des Kurfürsten Joachim II. Kaum war der verstorben, beraubte sein Sohn die »schöne Gießerin« all ihrer Güter und Kleinodien und ließ sie auf die Festung Spandau bringen, wo sie nach harter Behandlung verstarb. Sie kam aber im Grab nicht zur Ruhe und wurde zur Todesbotin der Hohenzollern. Jedes Mal, wenn sich ein Landesherr anschickte, einzugehen in die Ewigkeit, erschien sie im Berliner Schloss.
»Da bin ich ja mal gespannt«, sagte Borsig, dessen Liebe zum König sich in Grenzen hielt, hatte sich doch Friedrich Wilhelm III. seiner Meinung nach im Kampf gegen Napoleon am Anfang recht dämlich angestellt.
»Weiter zum Opernhaus«, sagte Järschersky, »mit dessen Bau 1741 begonnen worden ist. Die Pläne stammen von Knobelsdorff, aber Friedrich der Große soll da auch ein Wörtchen mitgeredet haben. 1742 gab es die erste Opernaufführung, später auch Maskenbälle.«
»Ah ja …« Borsig erinnerte sich an Breslau, wo der Geheime Rath Ludger von Krauthausen als Nero gegangen war.
Weiter ging es zum Forum Friedericianum, zur Hedwigskirche und zum Prinz-Heinrich-Palais, wo sie einen Augenblick innehielten.
»Prinz Heinrich ist 1802 gestorben, und aus seinem Palais ist die Berliner Universität geworden, die Alma mater berolinensis, die Friedrich-Wilhelms-Universität. Im Oktober 1810 hat es hier die ersten Lehrveranstaltungen gegeben.«
Borsig lachte. »Das haben wir in Breslau auch, die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität mit fünf Fakultäten.«
»Und warum hast du nicht versucht, dort zu studieren?«
Borsig winkte ab. »Das ist mir alles viel zu trockenes Zeug.« Nein, in keiner Sekunde seines Lebens hatte er daran gedacht, sich an einer Universität einzuschreiben.
»Das Ende des Forum Fridericianum bildet die Königliche Bibliothek«, sagte Järschersky und zeigte auf ein Gebäude mit einer merkwürdig geschwungenen Fassade. »Weißt du, wie die Berliner sie nennen?«
»Nein, woher denn?«
»Kommode. Weil das Gebäude wie eine Kommode aussieht. Die Leute erzählen sich, dass der König sich mit dem Baumeister Georg Christian Unger über den Neubau gestritten hat, und als sie zu keiner Einigung gekommen sind, hat er auf seine Kommode gezeigt und gesagt: ›So wie das Ding da ist, so will ich, dass Er die Bibliothek errichtet!‹ In Wirklichkeit aber soll die Idee aus Wien stammen, von einem gewissen Erlach.«
Auf der anderen Seite der Straße Unter den Linden gab es die Bauten um den Lustgarten, das Zeughaus und Schinkels Königswache zu bestaunen. Dessen strenge, klare und nüchterne Form faszinierte Borsig.
»Wenn wir Glück haben, kannst du Schinkel sehen«, sagte Järschersky. »Hinten am Lustgarten und an der Spreebrücke arbeiten sie gerade am Fundament seines Museums. Um das Fundament zu gewinnen, wird ein alter Arm der Spree zugeschüttet, und sie rammen viele tausend Pfähle in den Boden. Ein mächtiger Bau soll es werden, mit einer langen, hohen Säulengalerie an seiner Front.«
Sie liefen hin und hatten Glück, denn der Oberbaurath Schinkel stand tatsächlich gerade mit einigen Aufsehern zusammen und erklärte denen anhand eines riesigen Planes, was zu tun war. Stumm und anbetend stand Borsig da. Ein Mann, der sich anschickte, so etwas Großartiges zu schaffen wie ein Museum, das den Bauten Griechenlands in nichts nachstehen würde, der war ein Gott für ihn.
Noch größer wurde seine Bewunderung für Schinkel, als sie auf dem Gensdarmen-Markt standen und ihr Blick zum Schauspielhaus hinüberging.
»Das alte Haus ist 1817 abgebrannt«, wusste Järschersky zu erzählen, »und Schinkel hat 1819 und 1820 ein neues an seine Stelle gesetzt. Anderthalbtausend Zuschauer gehen rein, und hier am Fries kannst du gleich einmal Latein lernen: Fridericus Guilelmus III. Theatrum et Odeum incendio consumta majore cultu restituit 1821. Das bedeutet?«
»Friedrich