Kampf mit den Tloxi. Matthias Falke

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Kampf mit den Tloxi - Matthias Falke

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und die Lage mit ausdrucksloser Miene studiert.

      »Wir müssen auf eine feste Verteidigungsstellung zurückgehen«, sagte sie. »Und Luftunterstützung abwarten.«

      »Das kann ein wenig dauern«, knirschte Tariq. »Die Marquis de Laplace …«

      »Ich habe mit John Reynolds gesprochen«, warf ich ein. »Die Gemengelage ist mir bekannt.«

      »Die Frage ist«, fuhr Jennifer in ihren Überlegungen fort, »ob der Platz zu halten ist. Solange wir keine uneingeschränkte Lufthoheit haben, werden wir auch ihn aufgeben müssen.«

      »Wir haben ihn bereits aufgegeben«, sagte Colonel Tariq. »Dort draußen befindet sich kein Grashalm mehr, der auf unser Kommando hören würde.« Er besann sich. »Ihren Explorer einmal ausgenommen, dessen militärischen Wert ich allerdings gering einschätze.«

      »Die Enthymesis hat gerade einen Jagdbomber abgeschossen«, sagte ich.

      »Ich stimme Ihnen zu«, sagte Jennifer zu Tariq. »Am Boden ist das Schiff von geringem Nutzen und aus der Luft kann sie den Einheiten, die in Häuserkämpfe verwickelt sind, wenig Entlastung bringen. Ich schlage vor, wir lassen sie, wo sie ist. So gibt sie wenigstens diesem Gebäude Feuerschutz.«

      »Noch so ein Problem«, sagte Tariq. »Die Nationalbank ist alles andere als gesichert. Einhundertundfünfzig Stockwerke über unseren Köpfen wird erbittert gekämpft. Und falls es den verteidigenden Einheiten der Laya gelingt, die Träger zu sprengen, donnern uns hunderttausend Tonnen Stahl auf den Kopf.«

      »Das wäre eine Verzweiflungstat«, sagte ich. »Das würden sie selbst nicht überleben.«

      »So etwas soll schon vorgekommen sein«, versetzte er düster. »Wenn sie in die Enge getrieben sind und keine andere Möglichkeit mehr sehen, könnten sie sich zu einem solchen Fanal entschließen.« Er warf Rogers einen finsteren Blick zu. »Immerhin könnten sie so den gesamten verbliebenen Generalstab der Union ausradieren!«

      »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand«, brummte Rogers, ohne aufzusehen.

      Er löste sich von den Holos und kam um den Tisch herum, auf dem die Projektoren montiert waren.

      »Tatsache ist«, sagte er, »wir sind ihnen in den Sack gelaufen.« Und es klang, als zolle er seinen Gegnern dafür Respekt.

      »Ich denke eher, wir sind uns selber in den Sack gelaufen«, sagte ich.

      »Was willst du damit andeuten, Frank?« Rogers’ Frage war im Wortlaut sachlich, im Ton drohend.

      »Wir sind Opfer unserer Überheblichkeit geworden«, sagte ich ganz ruhig. »Wir haben gedacht, wir erledigen das mit links, die Laya sind ja keine Gegner für uns …«

      Unsere Blicke fraßen sich ineinander. Ich überlegte, ob man ihn für diese Sache zur Rechenschaft ziehen konnte. Aber zum einen war der Plan für diesen Einsatz nicht auf seinem Mist alleine gewachsen. Auf der Brücke der Marquis de Laplace drückten sich zu dieser Stunde mehrere hohe Generalstabsoffiziere herum, in deren Haut ich lieber nicht stecken mochte. Zum anderen würde niemand, absolut niemand in der ganzen Union es wagen, den Helden von Persephone vor ein Kriegsgericht zu zerren, mochte er sich zuschulden kommen lassen, was er wolle. In gewisser Weise war das eine Gefahr, nicht zuletzt für ihn selbst. Er hielt sich für unangreifbar.

      »So haben wir uns das mit Sicherheit nicht gedacht«, führte er aus.

      Es wunderte mich, dass er nicht losbrüllte, wie er generell in der letzten Stunde, seit wir uns in die Lobby der Nationalbank geflüchtet hatten, sehr viel ruhiger geworden war. Die Zähne aufeinandergebissen, den Blick konzentriert, stand er über die Gefechtsholografien gebeugt da und gab nüchterne Anweisungen an die Stoßtruppführer vor Ort. Hier einen Brückenkopf halten, dort ein paar Straßenzüge zurückgehen, bis man auf eine bauliche Situation traf, die leichter zu verteidigen war.

      »Die drei Amboss-Schiffe wurden abgezogen«, sagte ich mit einem Hauch von Vorwurf in der Stimme.

      »Wir dürfen unsere Flanken nicht entblößen«, antwortete er trocken. »Auch wenn es im Moment nicht überzeugend klingt: Wir haben noch jede Menge andere Welten zu verteidigen da draußen.«

      Ich nickte.

      »Jede Menge«, wiederholte er. »Seit wir Sina in den Staub getreten haben, gebieten wir über gewaltige Ressourcen, aber unerschöpflich sind sie nicht.«

      »Können wir die strategischen Plaudereien auf später verschieben?«, bat Colonel Tariq. »Wir haben nämlich alle Hände voll zu tun.«

      Ich gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er weitermachen solle. Dann zogen Jennifer und ich uns zurück. Wir suchten uns einen Winkel, wo wir uns für einen Moment besinnen konnten.

      Am Rand der Lobby hatte man die Sofas, die dort zu gemütlichen Sitzgruppen kombiniert gewesen waren, zusammengeschoben und teilweise aufeinandergestapelt. Wir ließen uns in eines davon fallen, in dessen Rücken ein ganzer Turm weiterer Möbel aufragte. Die meisten waren angesengt, von Blut und anderem Schmutz besudelt, teilweise waren die Furniere zersplittert. Es war ein Jammer. Jedes einzelne dieser Schmuckstücke – gravimetrische Polster aus Tloxi-Produktion, überzogen mit kostbarer sinesischer Seide – war mehr wert, als ein normaler Angestellter der Nationalbank von Sin Pur im Jahr verdient hatte. Jetzt waren sie Schrott. Und das war nur ein besonders drastisches und augenfälliges Bild für den Zustand dieser ganzen Welt. Ein Ferienidyll, ein Paradies für Hochzeitsreisende, ein Südseeplanet, der in einem ewigen Goldenen Zeitalter zu leben schien – jetzt war er Kriegsschauplatz, auf dem mit Kernwaffen gekämpft wurde. Und ganz gleich, wie diese Nacht enden würde, die Hauptstadt des Planeten, sein Wirtschafts- und Verwaltungszentrum, würde bis zum Morgen dem Erdboden gleich sein.

      Wir saßen da und versuchten, zu Atem zu kommen. Eine aufmerksame Ordonnanz, die zur Betreuung des Stabes abgestellt war, brachte uns etwas zu trinken. Wir bemerkten jetzt erst, wie erschöpft wir waren, dabei war es erst wenige Stunden her, seit wir den Boden dieser Welt betreten hatten.

      Die Lage in der Eingangshalle hatte sich ein wenig normalisiert. Die Schwerverletzten lagen im künstlichen Schlaf. Die Sanitäter hatten Blut, Glasscherben und menschliche Körperteile entfernt, die Verwundeten der Reihe nach auf Decken oder Teppiche gebettet, eine Notaufnahme für Neuzugänge eingerichtet. Es ging halbwegs zivilisiert zu. Die Straßen Pura Citys waren erfüllt von zurückflutenden Soldaten der Union. An manchen Brennpunkten ging der Rückzug kontrolliert vonstatten. Die Einheiten gingen in rollenden Schichten, reihum einander Feuerschutz gebend, auf vorab definierte Auffangstellungen zurück. Die Verluste waren gering. Alles machte einen geordneten Eindruck. Anderswo mussten ganze Viertel Hals über Kopf geräumt werden, weil unsere Brückenköpfe zusammenbrachen. Die Stoßtrupps der Union wurden überrannt und aufgerieben. Oder sie ließen sich einschließen und leisteten aus dem Rücken der über sie hinweggehenden Front erbitterten Widerstand. Aber die Laya waren im Vorteil. Sie kannten jeden Hof und jede Feuerleiter. Unsere Einheiten hatten, wenn sie einmal abgeschnitten und eingekesselt waren, keine Chance mehr. Die Laya machten dann auch keine Gefangenen.

      Immer wieder kamen Trupps von fünf oder auch dreißig Mann in den Schutz der meterdicken Pfeiler gerannt, hinter die wir uns zurückgezogen hatten. Es waren Unverletzte oder leicht Verwundete, aus dem einfachen Grund, weil man die Schwerverletzten, die nicht mehr selbst laufen konnten, hatte zurücklassen müssen. Die Soldaten wurden versorgt und verteilten sich dann in der riesigen Eingangshalle. Manche schliefen sofort ein, zu Tode erschöpft von den mörderischen Kämpfen und dem kaum weniger zehrenden Klima. Andere gingen wieder nach draußen, um rund um die Independence

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