Phalansterium. Matthias Falke
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Читать онлайн книгу Phalansterium - Matthias Falke страница 11
»Es ist nicht aller Tage Abend.« Was hätte ich sagen sollen? Die Freunde brachen zu neuen Horizonten auf. Die Union erlebte die spektakulärste Expansion ihrer wechselvollen Geschichte. Durch die Kooperation mit den Tloxi war das Wort »unmöglich« aus unserem Vokabular gestrichen worden. Aber da war nun einmal nichts zu machen. Wir hatten unseren Teil zu dieser Geschichte beigetragen. Jetzt waren wir Geschichte. Andere würden nach uns kommen und das große Werk in unserem Namen fortführen.
»Sei nicht traurig.« Ihre Hand suchte die meine und drückte sie. »Vielleicht gibt es auch ein Zurück, zumindest für dich!«
»Ich werde dich auf keinen Fall allein lassen!«
»Dann lass uns einfach abwarten, was die Zukunft bringt.«
Ich nickte. Trotz allem hatte ich einen Kloß im Hals. Wir hatten unser Leben daran gesetzt, ein Haus zu bauen, und nun, da es bezugsfertig war, packten wir unsere Koffer und gingen. Wohin?
»Ich kann das«, sagte sie, »was jetzt vor mir liegt, nur angehen, wenn ich freie Sicht habe. Wenn ich nicht auf den Kalender schauen muss. Vielleicht brauche ich tatsächlich nur drei Monate. Aber wenn ich weiß: In drei Monaten muss ich wieder zum Dienst erscheinen, geht es trotzdem nicht.« Sie sah mich schmerzlich an. »Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst.«
»Ich verstehe es ja«, brummte ich in mich hinein. »Aber hätte man sich nicht trotzdem die Option offen halten können, irgendwann zurückzukehren?!«
»Es gibt kein irgendwann. So etwas ginge nur auf Krankenschein, und dann müsste ich alle paar Wochen wieder vorsprechen und mich untersuchen lassen und um eine Verlängerung betteln.«
»Ist gut.«
»Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, Frank, oder mit falschem Stolz. Es geht ganz einfach nicht. Ich brauche einhundertprozentige Freiheit und die uneingeschränkte Konzentration auf meine Aufgabe. Es tut mir leid, dass ich dich da mit reinziehe, dass du zur Geisel meiner Traumata geworden bist. Aber so ist es nun einmal.«
»Ich bin keine Geisel«, sagte ich. »Ich gehe mit dir, wohin immer es nötig ist.«
Wir schwiegen. Dabei sahen wir auf unsere Hände, die friedlich ineinander lagen und sich mechanisch weiter streichelten, als hätten sie nichts mit uns zu tun.
»Dann lass uns gehen«, sagte Jennifer.
Wir standen auf und nahmen unser Gepäck. Zwei kleine Taschen. Das waren all unsere Habseligkeiten. Wir verließen das spartanische Zimmer, das sich in nichts von den Kabinen unterschied, die wir auf zahllosen Schiffen und Basen bewohnt hatten. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, decodierte sie sich selbsttätig. Wir würden nicht wieder hineinkommen. Wir waren heimatlos, und unser materieller Besitz erschöpfte sich in dem, was wir in einer Reisetasche trugen. Wir hatten natürlich keine Geldsorgen, aber unsere Existenz im Dienste der Union hatte trotzdem etwas Klösterliches gehabt, wir waren Ordensbrüder und –schwestern gewesen, die Genügsamkeit und Gehorsam geschworen hatten. Die Gemeinschaft hatte uns ernährt, gekleidet und uns ein Lager für die Nacht gegeben. Wir hatten ihr dafür unser Leben geopfert. Jetzt waren wir entlassen.
In einer Ruhe und Selbstverständlichkeit, die mich selbst überraschte, nahm ich es zur Kenntnis. Seit unserer Jugend, seit dem Eintritt in die Akademie, waren wir nicht mehr frei gewesen.
Jetzt waren wir es.
Wir hatten noch eine Stunde. In der Lobby des Abflugterminals wartete Laertes. Er war der einzige, der hier bleiben würde, auf dem Torus. Sein Weg endete hier.
Wir setzten uns zu ihm. Die Ordonnanz brachte Jennifer eine Apfel-Kiwi-Milch und mir einen Scotch. Dann sahen wir uns an. Keiner wusste, was er sagen sollte. Der alte Philosoph lächelte in sich hinein und strich seinen weißen Bart. Seine blauen Augen funkelten listig, aber er schwieg beharrlich. Vielleicht war das in einer solchen Situation das weiseste.
Wenig später kamen auch Jill und Taylor. Die beiden waren aufgekratzt und aus dem Häuschen. Sie konnten kaum stillsitzen.
»Stellt euch vor«, sprudelte der menschliche Wasserfall namens Jill Lambert, »die Sache ist genehmigt!«
»War sie das nicht sowieso?« Ich versuchte mir, unser letztes Gespräch in Erinnerung zu rufen.
»Noch nicht ganz.« Auch Lucio war für seine Verhältnisse extrem zappelig. »Noch nicht offiziell.«
»Verstehe.«
»Und jetzt ist es durch?«, fragte Jennifer.
»Wir standen auf der Warteliste«, plapperte Jill. »Und heute Morgen kam das endgültige Okay über das Stabslog.«
»Hyperborea?« Ich wechselte einen Blick mit Laertes, der aufmerksam zuhörte, aber auch jetzt nichts sagte. Lambert quasselt für uns alle genug, schien er sich zu sagen.
»Ja.« Lucio strahlte. »Wir gehören zur ersten Welle, sowie der Planet für die Besiedelung freigegeben wird.«
»Das heißt, es klemmt noch.«
»Das haben wir ja gesagt.« Jill war beleidigt.
»Die Erkundungsmission.«
»Rogers hat vier Wochen veranschlagt«, nickte sie. »Aber so genau kann man das vorher natürlich nie wissen.«
»Dann habt ihr ja genügend Zeit zu packen.« Ich ließ einen ironischen Blick über unser bescheidenes Gepäck gehen.
Taylor lachte. »Viel mehr wird es bei uns auch nicht sein. Die Amish fühlen sich dem Gelübde der Besitzlosigkeit verpflichtet.«
»Und das schwere Gerät stellt die Union«, riet Jennifer.
»So ist es«, sagte Jill. »Von daher stimmt es auch nicht ganz, wenn man uns als erste Welle bezeichnet.«
»Die Appartements stehen vermutlich schon, wenn ihr ankommt.« Ich grinste. Irgendwie, dachte ich, würden mir die Frotzeleien mit der kleinen Lambert doch fehlen.
»Das nun gerade nicht. Aber es wird ein Bau- und Pioniertrupp vor uns da sein.«
»Appartements.« Ich zwinkerte Taylor zu. Ihre Aufbruchstimmung war ansteckend. Andererseits musste ich mir sagen, dass wir es waren, die in der Abflughalle saßen, während sie noch mindestens vier Wochen auf dem Torus herumhocken mussten.
Er hatte es geschafft, eine der Ordonnanzen herzuwedeln. Wenig später kam diese mit einer Flasche Champagner und fünf Kelchen. Taylor schenkte ein und reichte uns die Gläser.
»Das muss doch gefeiert werden!«
Wir stießen an und tranken.
»Wo ist John?«, fragte Lambert nach einer Weile.
»Bestimmt hat er wieder eine geniale Entdeckung gemacht«, meinte Taylor.
Jennifers Miene spiegelte Missbilligung, aber sie sagte nichts.
Dann trat einer dieser Momente ein, wo jeder da saß und seinen eigenen Gedanken nachhing.
»Sag doch auch mal was!« Jennifer stieß Laertes sanft in die Seite. Der Philosoph hatte seine Champagnerflöte abgestellt