Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Froststurm - Jan-Tobias Kitzel страница 20
Regina seufzte, nahm einen Schluck Kaffee und widmete sich wieder meinsprawl.de und den anderen Seiten, die ihr weismachen wollten, dass man ausgerechnet in Hamburg, Berlin, München oder in irgendeinem anderen versifften Ballungsraum gut leben könnte. Sie schaute sich in dem winzigen Ein-Zimmer-Appartement um, in dem Ben und sie im Moment Unterschlupf gefunden hatten, und musste laut auflachen. Letztlich war es egal, wie die Stadt aussah, auf ihrer Dauerflucht bekamen sie eh nicht mehr zu sehen als brennende Industriegebiete, Verstecke, von denen der hier noch einer der besseren war, und ab und an einen Schnellimbiss, um zwischen den Einsätzen ihres »heiligen Kriegs« etwas in den Magen zu bekommen. Immerhin hatte dieser unstete Lebenswandel sie gut fünf Kilo gekostet. Die Terroristen-Diät. Sie musste dringend mal einen Leserbrief an Bild der Frau schicken. Zum Nachahmen empfohlen.
Ein Geräusch an der Tür. Ohne nachzudenken griff Regina neben sich, entsicherte die 9-mm-Pistole, klappte den Laptop zu, legte ihn neben sich, stand auf und zielte auf den Eingang. Die Abläufe waren ihr von Ben immer und immer wieder eingetrichtert worden, bis sie ein Teil ihres Selbst geworden waren. Sicherungshebel umlegen, Waffe fest mit beiden Händen umgreifen, Ziel erfassen, abdrücken. Am Anfang – auf dem »grünen« Schießstand im Wald – hatte sie bei jedem Schuss die Arme weggerissen, weil ihr Hirn den Rückstoß sozusagen vorweg nahm. Ein Anfängerfehler, der ihr mittlerweile nicht mehr unterlief. Dann klopfte es. Dreimal schnell, zweimal langsam. Sie sicherte die Waffe, steckte sie in den Hosenbund, trat neben die Tür und öffnete. So, dass sie von ihr wegschwang und sie im Ernstfall eine vorgestreckte Waffe schnell greifen konnte. Es war fast lächerlich, welche Abläufe sie mittlerweile automatisiert hatte.
Aber nur Ben stand nun in der Tür, kein Polizist hinter ihm und auch sonst war niemand zu sehen. Sie atmete durch, gab Adonis einen Kuss und ging wieder zu ihrem Sessel und dem Laptop zurück. Wollte sie jedenfalls, doch Ben hielt sie am Arm fest und drehe sie zu sich herum. Mit einem schelmischen Blick schaute er ihr tief in die Augen.
»Ich habe es!«
Sie zog die Stirn in Falten und erwiderte: »Was hast du?« Was für ein Spiel spielte er denn nun schon wieder mit ihr?
Ben drückte sie sanft auf ihren Stuhl, ging vor ihr in die Hocke und strich ihr sanft über das Gesicht. Seine Finger fühlten sich wunderschön an auf ihren Wangen. Sie konnte sich, selbst jetzt nach mehreren Monaten, immer noch in diesem Gefühl verlieren.
»Den Riesenhinweis. Das große Ding, auf das wir so lange gewartet haben. Unsere Fahrkarte im Unsterblichkeitszug. Unsere Chance, mit einem Schlag mehr für die Umwelt zu tun, als mit all unseren bisherigen Aktionen zusammen.«
Er musste ihre Verwirrung spüren, denn er lachte auf und fuhr nahtlos fort: »Dimitri hat diesmal einen ganz dicken Infofisch an der Angel gehabt und mich prompt damit versorgt. Im Norden steigt ein Riesending. Ach, was sage ich?! Gigantisch!«
Sie stand auf, ging zum Kühlschrank und warf ihrem Romeo einen Mango-Ananas-Smoothe zu. Wenn sie schon gejagt wurden und in Sardinenbüchsen leben mussten, konnten sie sich wenigstens ordentlich ernähren. Dafür sorgte sie schon. Denn wenn die Kacke mal wieder am Dampfen war, vergaß Ben sonst so Nebensächlichkeiten wie Essen und Trinken, doch sie kümmerte sich schon darum, dass er seinen Traumkörper halbwegs ordentlich versorgte. So ordentlich, wie das auf der Dauerflucht jedenfalls möglich war.
»Jetzt trink erst mal was, du siehst völlig abgehetzt aus.«
Mit einem dankbaren Gesichtsausdruck leerte er den Obstdrink in einem Zug, redete dann aber – samt orangenem Bärtchen über der Oberlippe – einfach weiter. »Danke. Jedenfalls ist da oben im Norden grad ein heißes Ding am Kochen. So ein paar Wissenschaftsspinner von der UN forschen an Mitteln, um die globale Erwärmung aufzuhalten. Und wie wollen sie das natürlich machen?« Er fuchtelte theatralisch mit den Armen. »Leider nicht, indem sie der Menschheit empfehlen, mal einen Gang zurückzuschalten, mal langsamer zu machen. Und bestimmt auch nicht dadurch, neue Filter in Fabriken einzuführen und Billigflieger zu verbieten.« Seine Gesichtsfarbe war bedenklich rot geworden. »Nein, natürlich nicht. Vielmehr haben sie sich einen Weg ausgedacht, Mutter Natur zu verarschen, indem sie an den natürlichen Schutzschichten der Erde herumspielen und diese verändern.« Er ging zu Regina und packte sie an den Oberarmen. »Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn jetzt selbst die UN meint, dass die Erde ein beliebig manipulierbarer Ort sei, dann müssen wir dem Einhalt gebieten. Sofort!«
Regina schaute in das gerötete, verschwitzte Gesicht. Die Bartstoppeln auf den kantigen Zügen gaben ihm eine unwiderstehlich männliche Ausstrahlung und sie spürte förmlich sein Drängen nach ihrer Unterstützung, was jeden Widerstand wegwischte. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
»Okay, Schatz. Also auf in den Norden.«
Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünscht …
Sebastian zupfte unwillkürlich an seinem Hemdkragen herum, es war schon Monate her, dass er einen Anzug getragen hatte. Irgendein Vortrag auf einer Konferenz, die völlig harmlos ausgegangen war. Er konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen und versteckte es hinter der Hand. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Konferenzraum, in dem er stand. Ein Tisch, an dem mit etwas Zusammenrücken zehn Leute Platz finden würden. Ein Rednerpult, aber vor allem ein Bildschirm, der die ganze Wand ausfüllte. Man fühlte sich eher in die CIA-Zentrale aus einem der bekannten Agentenfilme versetzt, als in einen umgebauten Bunker im Norden Dänemarks. Nun stand er am langgezogenen Konferenztisch, neben sich Melanie und den immer noch geheimnisvollen Weihhausen, der heute Morgen per Hubschrauber eingeflogen war, um die Videokonferenz zu leiten. Der große Bildschirm war in mehrere Abschnitte unterteilt und jedes der sechzehn Quadrate zeigte eine andere Person an einem Schreibtisch sitzend. Alle sahen wichtig aus. Ein Japaner im Anzug hatte netterweise eine Blume auf seinem Tisch drapiert, bei allen anderen sah es so aus, als ob sie um die Sterilität ihrer Büros wetteifern wollten.
Weihhausen räusperte sich und schaffte es so, die Aufmerksamkeit der zugeschalteten Entscheider auf der ganzen Welt wieder auf sich zu ziehen. Seine Kleidung war schlicht und gleichzeitig edel wie immer, wieder einmal ein klassisch schwarz-weißer Anzug, und der schlohweiße Zopf konkurrierte noch immer mit dem sonnengebräunten Teint um ein möglichst strahlendes Ergebnis.
»Nachdem ich Ihnen nun also die wichtigsten Fakten wiedergegeben habe, übergebe ich das Wort an den leitenden Forscher des Experiments, Herrn Sebastian Born.«
Leitender Forscher? Wann war das denn passiert? Sebastian stockte, aber Melanie drückte ihm, unsichtbar für die Kamera, die über dem Bildschirm angebracht war und die Videokonferenz ermöglichte, die Hand und schob ihn leicht vorwärts. Sebastian machte einen Schritt und nickte den Gesichtern auf dem Schirm zu. Manche erwiderten es, andere schauten einfach nur stur zu ihm herüber. Es war unschwer festzustellen, dass er der mit Abstand jüngste Konferenzteilnehmer