Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
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Eine Stunde später – der Küchenchef hatte das Buffet gerade frisch aufgefüllt und Di Matteo hatte darauf bestanden, alles mindestens einmal probieren zu müssen – gingen sie zurück zum Labor. Sie bogen gerade um die letzte Ecke des Gangs, der zum großen Zentralraum führte, als sie den Lärm hörten. Rufe, ein lautes Getöse. Sie schauten sich fragend an und fingen an zu laufen, wobei der Italiener sofort zurückfiel.
Sebastian öffnete die Tür mit seinem Zahlencode und eilte in die Haupthalle. Überall auf der Metallbalustrade standen Leute, hauptsächlich Arbeiter und Personal, und schauten zum gläsernen Laborkomplex herüber. Sebastian eilte um aufgetürmte Kisten herum und dann konnte auch er den Aufruhr sehen: Ein Mann mit Atemmaske und Tank auf dem Rücken zog auf der obersten Ebene gerade eine Frau im weißen Kittel in die Schleuse zum Laborvorraum – ihrem Labor – und von dort auf den Lift zu ihnen herunter. War das die junge Japanerin, mit der er heute Morgen gefrühstückt hatte? Tanaka oder so? Die Geologin, die vor allem abends in diesem Labor arbeitete? Er hatte sie bisher kaum gesehen, da sie normalerweise im Nebenlabor im Abschnitt Gamma tätig war, aber sie hatte heute Morgen gesagt, dass ein paar der per Lift angelieferten Kisten für ihre Forschungen bestimmt waren und sie daher ein paar Sachen in dem hauptsächlich von Sebastians Gruppe genutzten Labor zwischenlagern wollte.
Der Sicherheitsmann zog sich die Atemmaske vom Gesicht, als der Lift unten ankam und legte die zierliche Japanerin auf den Betonboden. Ihr Gesicht war blau angelaufen, sie bewegte sich nicht.
»Sanitäter!«, rief die Wache über das Gemurmel der herumstehenden Gaffer. Zwei Sanitäter mit Notfallkoffer und Trage drängten sich durch die Menge. Der ältere von beiden beugte sich über die am Boden Liegende, fühlte Puls und Atmung und machte sich dann geschwind daran, den Beatmungsbeutel zusammenzusetzen, während er seinen Kollegen anwies, die Frau zu intubieren. Dann folgte die Wiederbelebung. Die Umstehenden hielten den Atem an, Di Matteo kam nun auch an und schnaufte auf Brusthöhe neben Sebastian wie ein alter Dampfkessel.
»Was ist denn los?«, wollte er wissen, aber Sebastian schüttelte nur den Kopf.
Nach bangen Momenten kam Regung in die zierliche Frau und die Sanitäter hoben sie sofort auf die Trage und brachten sie weg, während der Wachmann mit aschfahlem Gesicht aufstand, seine Rettungsausrüstung aufhob und ihnen entgegen kam. Sebastian ging auf den Endzwanziger zu und konnte noch die Druckstellen der Atemmaske auf dem jungen Gesicht sehen.
»Was war hier los?«
Der Angesprochene zuckte mit den Achseln. »Es wurde Gasalarm in ihrem Labor ausgelöst, ich war der Erste vor Ort. Hab die Frau dann am Boden liegen sehen, mitten im Schleusenausgang zum Laborraum. Dann hab ich sie halt rausgeholt.« Er schulterte die Atemflasche und schaute Sebastian müde an. »Darf ich dann?« Sebastian beeilte sich, Platz zu machen, nicht ohne dem Mann anerkennend auf die Schulter zu klopfen, der ihm ein gequältes Lächeln schenkte. War schon was anderes als die endlosen Übungen.
Sebastian berichtete der erschrockenen Heiderlein und dem mittlerweile sitzenden Di Matteo von den Worten des Wachmanns und sie schauten sich fragend an.
»Kann das etwas mit unserem Versuch zu tun haben?«, brach der Italiener als Erster das Schweigen.
Heiderlein schaute ihn strafend an. »Wohl kaum. Denn Sie haben doch sicherlich die CO2-Flasche verschlossen, bevor wir gegangen sind, oder etwa nicht? Das war Ihre Aufgabe!«
Der Dicke wurde schlagartig bleich.
Sie fuhren zu dritt hoch zu ihrem Labor. Sebastian ging zur Schleuse des Laborvorraums und tippte auf dem angebrachten Display herum.
»Komisch«, murmelte er.
Heiderlein trat hinter ihn und zuckte mit den Achseln, bevor sie sagte: »Nichts mehr vom CO2 zu sehen. Die Lüftung muss es nach draußen befördert haben.«
Sebastian schüttelte den Kopf. »Das ist es eben. Die Lüftung ist überhaupt nicht angesprungen.« Er zeigte auf das Sicherheitslog, das er auf dem Display anzeigen ließ. »Der Computer hat den Gasalarm wegen zu hoher CO2-Konzentration ausgelöst, anschließend versucht, die Lüftung zu starten und von dort aber eine Fehlfunktionsmeldung erhalten.« Er tippte auf einen anderen Eintrag, der daraufhin farbig unterlegt erschien. »Und dennoch ist die CO2-Konzentration jetzt kaum noch messbar. Wie kann das sein?« Er drehte sich um und schaute in die gleichsam ratlosen Gesichter seiner Kollegen.
Reisepläne
Das Gefühl des Déjà-vus war überwältigend und lag Regina wie ein Geschmack auf der Zunge. Mal wieder rannte sie mit Ben an ihrer Seite davon, mal wieder hörte sie Polizeisirenen in der Ferne. Mal wieder brannte hinter ihnen ein Fuhrpark. Oder war es eine Lagerhalle? Die Aktionen der letzten Wochen vermischten sich in ihrer Erinnerung, kamen ihr vor wie eine stete Abfolge von Aktion, Flucht, Untertauchen, Planung und neuerlicher Aktion. Bei diesem Tempo würde ihre Sternschnuppen-Metapher sich bald erfüllen, keine Frage.
Mit quietschenden Reifen kam Mike mit seinem gestohlenen Van um die Ecke, Kevin im Inneren riss die Seitentür auf und Regina und Ben sprangen hinein. Dann gab der Öko Vollgas und schleuderte sie in die Sitze.
»Hey, mach mal langsam!«, rief ihm Ben über den Lärm des aufheulenden Motors zu. »Oder ruf den Bullen doch gleich zu, dass wir hier sind.«
Mike zügelte seinen Fahrstil und nach wenigen Abbiegungen waren sie im nächtlichen Verkehr des Ruhrgebiets untergetaucht.
Kevin zitterte, sagte kein Wort und schaute zu Boden. Regina streichelte ihm sanft über den Kopf. Erst versteifte sich der dürre Körper, dann warf er sich förmlich in ihre Arme und zitterte vor sich hin.
Ben schaute fragend zu ihr hinüber, deutete eine wegziehende Handbewegung an, aber sie schüttelte den Kopf. Es war zu viel gewesen in den letzten Wochen. Für jeden von ihnen, aber vor allem für den Koffeinjunkie hier. Sie spürte, wie Tränen ihre Hose befeuchteten und ließ Kevin gewähren. Das Tempo der letzten Zeit war höllisch gewesen, jeder von ihnen arbeitete an seinem Limit. Ihre Aktionen waren immer häufiger in den Nachrichten, gerüchteweise hatte die Polizei eine eigene SoKo für sie gebildet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das Ruhrgebiet verlassen mussten. Aber auch woanders würde Ben weitermachen. Er würde immer weitermachen. Das Feuer in ihm loderte mit einer Kraft, das es sie alle verbrennen würde.
Das Zittern der Gestalt in Reginas Armen wurde weniger, die Tränen versiegten. Bis er das nächste Mal zusammenbrechen würde. So wie vor ein paar Tagen. Als sie das mit Ischar erfahren hatten und Ahnung sich in kalte, schneidende Gewissheit verwandelte. Der dicke Türke war der Grund dafür gewesen, dass die Polizei an jenem Tag bereits auf sie gewartet hatte. Er hatte aussteigen wollen. Und wenn sie Ben so ansah, mit seiner ganzen Ausstrahlung von Siegeswillen und Kraft, die einem Mongolenführer gut zu Gesicht gestanden hätten, hatte sie fast Verständnis dafür, dass der Dicke es ihm nicht ins Gesicht gesagt hatte. Aber warum direkt der Verrat und nicht einfach nur das normalste der Welt, bekannt aus vielen gescheiterten Beziehungen? Das einfach-nicht-mehr-melden und Verleugnen? Diese Frage nagte an ihnen allen. Ischars Verrat hatte insbesondere Kevin, seinem besten Freund, hart getroffen.
Der Dürre kam langsam wieder hoch, blickte Regina aus verquollenen Augen an und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, aber sie schüttelte den Kopf und streichelte ihm über den Arm. Sie waren eine Gemeinschaft, in der jeder dem anderen half.
Die altersschwachen Scheinwerfer quälten sich durch die Dunkelheit, als Mike von der Hauptstraße abbog und sie mitten in der Nacht in ein anderes Industriegebiet führte. Diesmal nicht, um dort ebenfalls ein Chaos anzurichten, sondern in ihrem neuesten Unterschlupf ein paar Stunden