Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
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Die Runde leerte langsam Getränke und Teller, schwatzte noch ein bisschen über Gott und die Welt und wandte sich dann zum Gehen.
Mike trat als Erster ins Freie, klappte den Kragen seines groben Wollmantels hoch und verharrte unter dem Vordach. Ben folgte, Regina im Arm. Kevin kam natürlich als letztes, mit derart zittrigen Händen war es auch schwer, einen Reißverschluss zu schließen. Der Regen prasselte nur so herab, die Innenstadt war so gut wie leer. Nur wenige Passanten waren unterwegs und wenn, dann wie Schildkröten verborgen unter tief gehaltenen Schirmen. Die Gruppe ging gemeinsam noch ein paar Meter, eilte von Vordach zu Vordach. Plötzlich blieb Ben stehen, mitten in der Fußgängerzone, ohne ersichtlichen Grund. Alle stoppten.
»Was?«, entfuhr es Mike.
»Bullen«, kam es aus Bens Mund, der zu einer Fünf-Mann-Gruppe hinüber nickte, die betont unauffällig ein paar Meter entfernt ein Schaufenster betrachtete. Wie praktisch, dass die Scheibe genau so spiegelte, dass sie sie dabei im Blick hatten. Hitze wallte in Regina empor, ihr wurde speiübel.
»Trennung«, sagte Ben lediglich, die anderen nickten, als ob es das Üblichste auf der Welt war, wenn man von Zivilpolizisten verfolgt wurde.
Die Gruppe teilte sich auf. Mike und Kevin gingen alleine, Ben und sie blieben zusammen. Alle in unterschiedliche Richtungen.
Zügigen Schrittes führte Ben sie tiefer in die Fußgängerzone. Regina wollte am liebsten rennen, aber Schatzi hielt sie am Arm und zwang sie, ruhig zu gehen. Immer wieder blieben sie stehen, überprüften nun selbst über Schaufenster, Schminkspiegelchen und Spiegelungen auf Handydisplays, ob sie verfolgt wurden. Dem war leider so. Zwei der Männer in Zivil waren an ihnen drangeblieben, von den anderen keine Spur.
Ben zog sie näher an sich, zeigte betont deutlich auf die Auslage des Kaufhauses, unter dessen großes Vordach sie sich stellten. Regina konnte die Polizisten hinter ihnen förmlich spüren, wie sie auf der anderen Straßenseite Posten bezogen.
»Wo sollen wir hin?« Regina hatte Tränen in den Augen.
»Beruhige dich. Wir schaffen das.« Er nahm sich die Zeit, ihr über das Gesicht zu streicheln. »Wir gehen jetzt zur U-Bahn-Station, und wenn wir unten auf dem Bahnsteig sind, rennen wir zur anderen Seite wieder hoch und hängen sie im Porschecenter ab.«
Das Porschecenter, eine langgezogene städtische Einkaufspassage. Konnte funktionieren.
Sie schlenderten weiter die Straße hinunter und Regina hoffte inständig, dass die Polizisten nicht plötzlich Ernst machten und sie zu einer Hetzjagd zwangen. Regina schluckte und krallte ihre Hände in Bens Ärmel.
Die gut fünfhundert Meter bis zum U-Bahn-Eingang kamen ihr vor wie Kilometer, die Zeit zog sich wie Gummi. Sie spürte den Regen im Gesicht deutlicher als jedes Gefühl zuvor, die ganze Szenerie kam ihr unwirklich vor. Der Laptop in ihrem Rucksack wog Tonnen, jedes Computerverbrechen der letzten Wochen hatte hundert Kilo hinzugefügt.
Da! Die Treppe, die unter die Essener Innenstadt führte, kam in Sicht. Es war die Rückseite der Passage, von hier aus erreichte man zahlreiche Linien. Oder man konnte schnell unten durchlaufen und in der Mitte der verzweigten Passage wieder an die Oberfläche kommen.
Als Ben den ersten Fuß auf die Treppe setzte, zog er an ihrem Ärmel.
»Los!« Sie rannten.
Hinter ihnen ertönte der Ruf »Stehenbleiben«, aber merkwürdigerweise folgten sie diesem Befehl nicht, sondern beschleunigten ihre Schritte. Ein älteres Ehepaar wich ihnen erschrocken auf der Treppe aus, dann waren sie auch schon auf dem Bahnsteig angekommen. Ein langer Schlauch eröffnete sich vor ihnen, an dessen entferntem Ende die rettende Treppe bereits zu sehen war.
Mülleimer, Süßigkeitenautomaten, Sitzbänke, alles flog nur so an ihnen vorbei. Das Herz schlug Regina bis zum Hals, sie spürte nur zu deutlich jedes Kilo zu viel. Ben rannte neben ihr, wäre ohne sie schneller gewesen, aber er hielt sich bemerkbar zurück. Hoffentlich bereute er das später nicht. Ben blickte während des Laufens zurück.
»Nur noch einer hinter uns.«
»Und der andere?«, keuchte Regina.
Ein schnelles Kopfschütteln war die Antwort.
Die Treppe kam immer näher.
»Weg!«, schrie Ben einer Gruppe Kinder zu, die auf der Treppe herumlungerten. Keiner machte Anstalten, sich zu bewegen.
Regina fluchte und umkurvte die Halbstarken, was zu belustigten Rufen führte. Pisser!
Sie hetzten die letzten Stufen hinauf, der Polizist hinter ihnen war etwas zurückgefallen. Sie konnten es schaffen!
Regina rannte vor, am Treppengeländer vorbei nach links, wollte in die Passage hinein. Plötzlich riss sie jemand an ihrem Rucksack zu Boden. Sterne schwirrten vor ihren Augen. Ein Knie auf ihrem Rücken, sie hörte Handschellen klicken. Dann schrie Ben, das Gewicht verschwand plötzlich von ihrem Rücken.
Regina drehte sich auf die Seite und versuchte, sich aufzurappeln, aber die Arme versagten und sie sackte wieder auf den kalten Steinboden der Passage. Aus dem Augenwinkel musste sie mit ansehen, wie zwei Gestalten miteinander rangen. Ben rollte sich plötzlich in den Körper des deutlich größeren Zivilbullen hinein und warf ihn über die Schulter die Treppe hinunter. Laute Schmerzensschreie, mehrfach hässliches Knacken, dann polterten auf einmal zwei Personen die Steinstufen hinab. Der andere Polizist hatte wohl zwischenzeitlich aufgeholt und dämpfte nun den Aufprall seines Kollegen. Schemenhaft sah sie, dass ihr Rucksack mit die Treppe hinuntergeflogen war. Sie musste ihn holen. Stöhnend rappelte sie sich auf, da zog sie Ben in die Höhe.
»Der Rucksack!« Sie deutete die Treppe hinunter.
»Spinnst du? Wir müssen weg!«
Regina wollte noch einen Schritt in Richtung der Stufen machen, aber die unnachgiebige Kraft, mit der sie Ben in die andere Richtung zog, ließ ihr keine Wahl. Mit einer Mischung aus Rennen, Humpeln und Vorwärtsstürzen brachten sie einige hundert Meter Raum zwischen sich und die Passage, liefen eine Treppe hinunter, die sie von der Fußgängerzone hinunter auf das Essener Straßenniveau brachte und schnappten sich das erstbeste Taxi. Der Fahrer wollte angesichts ihres zerzausten Aussehens erst protestieren, aber ein Fünfziger überzeugte ihn, lieber mit Ihnen auf den Rücksitzen Gas zu geben als ohne sie.
Ein Haus am Meer
»Jetzt entspann dich erstmal! Ihr schafft das schon!« Melanie knuffte Sebastian sanft in die Rippen und er mühte sich ein Lächeln ab. Sie hatte gut reden, war sie ja letztlich »nur« für die Verwaltung der Forschungsprojekte zuständig. »Projektmanagerin«. Nette Bezeichnung für eine Strippenzieherin. Er schaute zu ihr herüber, wie sie sich tiefer in die Decke kuschelte, die sie sich über die Schultern gelegt hatte. Die Meeresbrise umspielte ihr Gesicht. Eine überaus hübsche Strippenzieherin.
Sebastian brach das Brot, das auf der Picknick-Decke lag und reichte ihr ein Stück.
Sie lächelte ihn an. »So ist es richtig. Essen hält Leib und Seele zusammen und lenkt etwas ab.« Melanie deutete nach vorne. »Wenn es die tolle Aussicht nicht schon schafft.«
Sebastian atmete die salzig-kalte Meeresluft tief ein und ließ den Blick schweifen.
»Da hast du recht, wirklich nett hier oben!« Er durfte nur nicht hinunterschauen.