Froststurm. Jan-Tobias Kitzel

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Froststurm - Jan-Tobias Kitzel

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einen Stuhl vom Nachbartisch herüber und setzte sich mitten in den Gang, an den Kopf des Nischentisches.

      »Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen die Möglichkeit verschaffen könnte, all das zu verwirklichen, wovon Sie Frau Griesinger heute Abend so euphorisch berichtet haben?«

      Sebastian legte unwillkürlich den Kopf leicht schief, wie er es immer tat, wenn er etwas Unglaubwürdiges präsentiert bekam.

      »Natürlich. Sicher.« Die Ironie tropfte förmlich auf den Tisch.

      Weihhausen lachte laut auf.

      »Na wenigstens sind Sie ehrlich. Und unter uns, ich würde mir auch nicht einfach so glauben.« Dann wurde er schlagartig ernst, seine Augen verengten sich. »Aber lassen Sie mich eines klarstellen. Ich meine das absolut ernst. Todernst.«

      Sebastian schluckte und schaute zu Melanie herüber, die sich mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck zurückgelehnt hatte und ihm zunickte. Er war am Zug, es war allein sein Spiel.

      »Okay, dann erzählen Sie mir mal so viele Details, dass ich Ihnen überhaupt Glauben schenken kann.«

      Sein Gegenüber runzelte die Stirn, entschloss sich dann aber doch, zu sprechen. »Also. Als Vorgesetzter von Frau Griesinger spreche ich für ein internationales Forschungskonsortium, das unter der Flagge der UN nach Mitteln und Wegen forscht, die globale Erwärmung aufzuhalten.«

      Sebastian konnte nicht anders, er schlug mit der Hand auf den Tisch und sein lautes Lachen übertönte jegliche andere Geräusche im Restaurant.

      »Die UN?« Er hielt sich den Bauch vor Lachen. »Dieser Bürokratenverein, der selbst über die Farbe der Büroklammern Einstimmigkeit erzielen muss?«

      »Nun, drücken wir es so aus, Herr Born. Es gibt nicht ›die UN‹. Es gibt verschiedene Ländercliquen, die mal mehr, mal weniger gut zusammenarbeiten. Und eine sehr einflussreiche Länderclique hat sich entschieden, Nägel mit Köpfen zu machen.«

      Sebastian beugte sich nach vorne. »Und die Finanzierung?«

      Es blitzte voller Freude in den Augen des alten Mannes. »Ist gesichert. Glauben Sie mir, die UN hat schwarze Kassen, die ausreichend gefüllt sind, um ein derartiges Projekt durchzuziehen.«

      »Über welche Anlagen verfügen Sie?«

      »Wir sind gerade dabei, die erste gemeinsame Anlage fertigzustellen. Wir haben uns absichtlich dafür entschieden, eine neue, ganz nach den Wünschen der Forscher aus dem Boden zu stampfen, anstatt auf bestehenden Strukturen aufzusetzen. Wir versammeln nur die Besten und die Engagiertesten.« Er machte eine kurze Pause. »Daher möchten wir auch Sie an Bord haben.«

      Sebastian lehnte sich zurück, es arbeitete hinter der Stirn. Das klang zu gut, um wahr zu sein. Wenn man einen Forscher fragte, was bei Forschungsmöglichkeiten sein feuchtester Traum wäre, würde er nicht viel anders klingen. Unbegrenzte Mittel, internationale Experten, neuestes Equipment in einer Anlage, die neu entworfen wurde – perfekt. Zu perfekt.

      Er wandte sich Melanie zu.

      »Ganz ehrlich? Ich möchte euch glauben. Absolut. Es wäre mir eine Ehre, bei einem solchen Projekt mitmachen zu dürfen. Aber es klingt alles zu gut, zu glatt. Ich kann das nicht wirklich glauben.«

      Weihhausen nickte.

      »Ihr gutes Recht, Herr Born, Ihr gutes Recht. Aber bei allem Respekt vor Ihrem Sachverstand in Ihrem Fachgebiet – mit Politik und insbesondere den Möglichkeiten der UN kennen Sie sich wohl kaum so gut aus wie ich. Und ich sage Ihnen, das von mir Skizzierte ist nicht nur möglich, es wird gerade Realität.«

      Ein paar Sekunden verstrichen, in denen keiner etwas sagte. Das Brodeln einer Espressomaschine im Hintergrund dominierte die Szenerie.

      Dann beugte sich Weihhausen vor. »Gut, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Begleiten Sie mich zu unserer neuen Forschungsanlage und schauen Sie sich dort unser Projekt live vor Ort an. Wenn Sie dann dazustoßen wollen, würden wir uns ... würde ich mich sehr darüber freuen. Und wenn nicht, müssen Sie mir nur versprechen, diese Unterhaltung hier und alle späteren Informationen geheim zu halten.« Eine gebräunte Hand streckte sich Sebastian entgegen. »Also? Nehmen Sie diesen Deal an?«

      Sebastian fummelte unwillkürlich an dem großen, schweren Kopfhörer herum, der seine Ohren vor dem Hubschrauberlärm schützen sollte. Unter ihnen zog ein dänisches Waldgebiet dahin und in der Ferne kam eine Kleinstadt in Sicht. Melanie neben ihm drehte sich zu ihm und zeigte durch das Seitenfenster auf die Häuseransammlung.

      »Skagen. Nur ein paar tausend Menschen wohnen dort. Aber man hat von hier gute Verkehrsanbindungen, insbesondere per Schiff. Und hier wird wohl keiner eine solche Anlage suchen, daher haben wir uns für diesen Ort entschieden.« Ihre Worte kamen aus den Kopfhörern, ohne wären sie sicherlich schon lange taub.

      Sebastian nickte und konzentrierte sich wieder auf die Landschaft. Die UN hatte ihm kaum Zeit zum Packen gegeben, alles musste wahnsinnig schnell gehen. Eine Verschwiegenheitserklärung mit ruinöser Vertragsstrafe hatte er noch im Restaurant unterzeichnen müssen. Dann war er schnell nach Hause gefahren, um Klamotten einzusammeln und jemanden für die ungewisse Zeit zu finden, der mal nach der Wohnung sah. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Sebastian atmete durch. Jetzt, diese Momente im Hubschrauber waren das erste Mal in den letzten zwei Tagen, dass er wieder durchatmen konnte. Er schaute hinunter auf die ruhig daliegenden Wälder, die wie ein dunkelgrüner Teppich das Land bedeckten, nur hier und da unterbrochen von Landstraßen. In der Ferne sah man das Meer und die schroffen Felsküsten, die mehr an Cornwall als an Dänemark erinnerten. Ihre Maschine gewann noch etwas an Höhe und Skagen, das gerade unter ihnen vorbeizog, wurde immer kleiner. Hinter der Stadt ließ ihr schweigsamer Pilot den Hubschrauber wieder sinken und sie flogen immer weiter Richtung Meer. Sebastian beugte sich vor und schaute an der Schulter des Piloten vorbei auf die Instrumente. Richtung Nordwest. Er zog seinen PDA heraus, blendete eine Karte des Gebiets ein und schaute, was ungefähr ihr Ziel sein konnte. Ein gespielt empörtes »tsts« aus seinem Kopfhörer unterbrach seine Gedanken. Melanie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      »Mr. Holmes, wenn Sie gestatten.« Mit diesen Worten nahm sie seinen digitalen Assistenten und kringelte etwas auf der Karte ein, bevor sie ihm das Gerät zurückgab. Ein roter Punkt war auf der Karte erschienen. Lag das nicht im Meer? Er zoomte heran und die Satellitenbilder flogen auf dem kleinen Display näher. Nein, es war eine Felsenspitze, direkt an der Küste.

      Melanie tippte ihm auf die Schulter und zeigte nach vorne.

      Sebastian steckte das Gerät weg und errötete leicht. Er war in die Analyse der Situation vertieft gewesen, dabei hätte es schon gereicht, aus dem Fenster zu schauen. Vor ihnen kam das Meer immer näher, die Wälder waren Dünen und freien Grasflächen gewichen. Und da vorne lag die Felsenspitze. Ganz in natura, nicht nur auf dem Display. Die Felsenküste sah hier aus, als ob sie ein Stück in das Meer hineingewachsen wäre, nur um sich mit einem Hügel wie ein thronender König vor das Land zu setzen. Der Hügel stach deutlich aus der Szenerie heraus, aber jetzt, wo der Pilot die Maschine tiefer fliegen ließ, kamen mehr Details in Sicht. Absperrungen, Zäune, Wachen, ein großer Parkplatz direkt vor dem Hügel, zu dem eine Auffahrt von der Küste aus hinauf führte.

      »Bitte einen kleinen Rundflug«, funkte Melanie dem Piloten, der bestätigend den Daumen emporreckte.

      Die Maschine kippte nach links weg und Sebastians Magen machte einen Satz. Die Felsen kamen immer näher und seine Hand verkrampfte sich im Sitzpolster, dann schoss der Hubschrauber über die Küste hinweg und es ging bestimmt

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