Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
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Gelangweilt scrollte sie durch das Dokument, das ihr das Qualitätsmanagement gerade geschickt hatte. Die Bosse hielten es für eine gute Idee, ein »abteilungsübergreifendes Projektmanagement« einzuführen und nun wollten sie ihre Meinung dazu hören. Aber sollte sie wirklich »Bullshit« schreiben? Kam irgendwie unprofessionell rüber. Regina schob die Tastatur mit einem Seufzen von sich und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Ihre achte Tasse. In zwei Stunden. Koffein hatte einfach seine Wirkung verloren. Aber anders war der Laden hier nicht auszuhalten. Die stellten sich an, als ob sie einen Multimillionen-Konzern und keinen Mittelständler mit 200 Angestellten leiten würden. Und überhaupt, was machte sie hier? Mit rotgeränderten Augen schaute sie zur Wanduhr hinüber. Noch drei Stunden bis Feierabend. Was Ben jetzt wohl machte? Sicherlich etwas Spannenderes als Dokumente zu lesen und »Projekt-Milestones« zu bearbeiten. Leider hatte sie keine Überstunden mehr zum Abfeiern. Waren alle für die letzten Tage mit Ben draufgegangen. Sollte sie vielleicht...?
Kurzentschlossen stand Regina auf, schnappte ihren Mantel aus der Ecke und verließ ihr Büro. Schnell eine Etage höher. Jetzt nicht lachen! Sie setzte ihren bemitleidenswertesten Gesichtsausdruck auf, steckte ihre Nase ins Sekretariat des Chefs. Ah, perfekt, die treusorgende Seele der Firma, Else, war heute da. Die alte Frau mit der Hochsteckfrisur packte schnell das Nagelset weg, als Regina die Tür öffnete, entspannte sich aber sofort wieder, als sie sah, wer ihr da einen Besuch abstattete.
»Kindchen, du siehst gar nicht gut aus!« Ehrliche Anteilnahme schwang in ihrer Stimme mit.
Regina übertünchte den aufkommenden Selbstzweifel mit malader Stimme: »Ja, mir ist total schlecht. Hab mich grad schon übergeben. Sicherlich der Magen-Darm-Virus, der hier überall grassiert.«
»Dann mal schnell nach Hause, meine Liebe. Ruhe, Bananen und Zwieback! Ich sag Bescheid, dass du gegangen bist.«
Regina quälte sich ein Lächeln ab.
»Danke, Else, Sie sind die Beste!«
Die Sekretärin strahlte mit ihrem sauberen Schreibtisch um die Wette.
Schnellen Schrittes verließ die Administratorin das Gebäude, stieg in ihr Auto, kramte ihr Handy aus der Tasche und schickte eine SMS.
»Bin in zwanzig Minuten zu Hause.«
Sie ließ den Wagen an, ihr Blick fiel auf sich selbst in der spiegelnden Frontscheibe. War das wirklich sie? So entschlossen, gerade, aufrecht. Jemand, der aussah, als ob er wüsste, was er will.
Ein Griff zum Handy.
»Bereit, die Welt zu retten!«
Ben würde wohl kaum nur herumsitzen wollen. Und sie auch nicht. Die Fahrt verging wie im Flug.
Wissenschaftlicher Vorsprung
Eine Melange unterschiedlichster Gerüche schlug ihm entgegen, als Sebastian überpünktlich das indische Restaurant betrat. Es lag idyllisch in einer kleinen Seitengasse in einem Wohngebiet. Gegenüber ein fast winziger Park mitsamt Kinderspielplatz und ausreichenden Parkgelegenheiten vor der Tür. Zusammen mit dem multikulturellen Sprachenmischmasch aus den geöffneten Fenstern der Wohnhäuser – bei den Temperaturen derzeit kein Wunder – passte der Inder hier perfekt hin. Als er die ersten Schritte in das mit gedämpftem Licht ausgeleuchtete Innere machte, fühlte er sich gleich wohl. Neben den Gerüchen war es vor allem die geringe Anzahl an Tischen, die eine fast familiäre Atmosphäre aufkommen ließ. Und ein lächelnder Kellner war auch schon auf dem Weg, ein kleiner Inder mit schwarzer Hose und weißem Hemd. Also quasi ein Archetyp seiner selbst. Sebastian lächelte. Der Abend konnte wirklich noch etwas werden.
»Willkommen im Ramayana. Tisch für eine Person?« Indischer Singsang.
Sebastian schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich bin verabredet. Die Dame wird auf ›Griesinger‹ reserviert haben.«
Der Inder lächelte in einem fort weiter. »Aber natürlich. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?« Der Kellner drehte sich um und strafte den Begriff »folgen« Lügen, als er nur wenige Schritte später schon auf eine Sitznische deutete. Kein Wunder. Wenn er nur zehn Schritte weitergelaufen wäre, hätte er sich schon mit einer Kettensäge durch die hölzerne Bar des wirklich winzigen Etablissements sägen müssen, um voranzukommen.
»Frau Griesinger hat übrigens vorhin angerufen. Wir sollen Ihnen ausrichten, sie komme ein paar Minuten später.« Der indische Akzent unterlegte die Worte wohlklingend. Sebastian nickte, woraufhin der Kellner hinter der Bar verschwand.
Sebastian ließ den Blick schweifen. Teppiche mit gestickten Tigermotiven an den Wänden, bronzene Skulpturen von freundlich lächelnden Gottheiten – oder was auch immer die Fantasiefiguren darstellen sollten – in Nischen an den Wänden. Er zählte zehn Tische. So ein kleines Restaurant konnte nur als Familienbetrieb gutgehen, sonst würden die Lohnkosten alles auffressen. Er schüttelte den Kopf. Hör endlich auf zu analysieren und genieß den Abend.
Bis auf einen älteren Mann, der in eine Zeitung vertieft war, vor sich einen leergegessenen Teller und eine volle Tasse eines dampfenden Getränks und den Kellner hinter der Bar war der Raum leer. Aus der Küchendurchreiche hinter der Theke hörte man es klappern, die übrige Geräuschkulisse wurde durch leise, orientalische Musik ohne Gesang gebildet. Sebastian entspannte sich, nur um kurz darauf das Geräusch der Türschelle hinter sich zu hören. Weiche Schritte, ein leichter süßlicher Geruch nach Kirschen und Sommer, dann stand Frau Griesinger auch schon neben ihm, woraufhin er sich erhob und ihr lächelnd die Hand schüttelte.
»Entschuldigen Sie die Verspätung. Wurde Ihnen mein Anruf ausgerichtet? Die Ausfallstraße war heute wieder die Hölle.«
Er bemühte sich, nicht auf die Uhr zu sehen, auch wenn er sicher war, dass sie Punkt acht durch die Tür gekommen war. Noch ein Mensch, der »exakt pünktlich« eigentlich schon als »zu spät« einstufte. Das Lächeln grub sich noch tiefer in sein Gesicht.
»Ich bitte Sie, ich habe zu danken, dass ich Sie schon so bald wiedersehen darf.«
Ein kurzes, keckes Lachen. Dann setzte sie sich ihm gegenüber.
»Ich kann mich nur wiederholen: Sie sind durch und durch ein Charmeur.«
Wärme breitete sich in Sebastians Magengegend aus. Ihre feuerroten Haare hatte sie zu einer netten Hochsteckfrisur geformt, die angenehm mit ihrem schwarzen Blazer über dem Hosenanzug harmonierten. Etwas förmlich für ein Essen, aber es stand ihr. Manche Menschen sahen in Business-Kleidung einfach am besten aus. Und mit ihrer niedlichen Stupsnase im zierlichen Gesicht nahm sie dem seriösen Outfit die Schärfe.
Dann stand der Kellner auch schon neben ihnen und reichte die Karte, die Frau Griesinger merkwürdigerweise direkt zurückgab.
»Nicht nötig, Apu. Ich nehme wie immer das Menü B3.«
Sebastian hob eine Augenbraue und schloss die Karte ebenfalls.
»Empfehlenswert?«, fragte er in Richtung der Dame.
»Absolut.«
Daraufhin gab er ebenfalls die Karte zurück.
»Dann nehme ich das Gleiche.«
Der Inder grinste. »Eine