Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
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»Mein Name und die Kontaktdaten stehen hier drauf. Tun Sie mir bitte einen Gefallen, sobald es Ihnen wieder besser geht. Rufen Sie mich an.«
Hoffnung stieg in ihm auf, um sofort wieder zunichte gemacht zu werden.
»Ich bin interessiert an Ihren Forschungsergebnissen, die Sie zu dieser Rede animiert haben. Und nicht nur ich.«
Sie ging zur Tür, schaute noch einmal über die Schulter.
»Warten Sie nicht zu lange mit Ihrem Anruf.«
Und ging.
Sebastian ließ sich wieder auf das Sofa sinken, machte die Augen zu. Eine seltsame Ruhe hatte ihn erfasst. Er hatte seine Rede gehalten. Die seine Karriere beendet haben dürfte, wenn er sich nicht täuschte. Ein gewisser Stolz kam in ihm hoch. Er hatte zwar noch keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Aber er hatte das Richtige getan. Sebastian machte sich keine falschen Illusionen. Seine Worte würden keine allzu große Wirkung entfalten. Es war eine nette Anekdote für die Konferenzteilnehmer, nicht mehr. Aber etwas hatte sie bewirkt: Er konnte sich selbst wieder ins Gesicht sehen. Das erste Mal nach langer Zeit, in der er an seinen Möglichkeiten im Forschungsministerium fast verzweifelt war, war er mit sich selbst im Reinen. Und arbeitslos.
Die Tasse Glühwein in der Hand spendete Wärme. Sinnlos bei zwanzig Grad im Schatten. Aber in der Adventszeit war das Getränk in seiner Familie immer nette Tradition gewesen. Eine Möglichkeit, sich gesellschaftlich anerkannt einen hinter die Binde zu kippen und albern zu kichern. Sogar für seine sonst nur zu ernste Mutter. Sebastian schüttelte den Kopf, vertrieb die Gedanken. Und klappte den Laptop auf. Eine Dachterrassensitzung im Winter. T-Shirt. Glühwein. Verrückte Welt. Er stöpselte das Kabel des Headsets ein, rief die Dateien mit seinen Forschungsergebnissen auf und tätigte den Anruf, vor dem er sich nun seit zwei Tagen beharrlich drückte. Es klingelte. Ein Montagnachmittag. Vorweihnachtstag. Nichtsdestotrotz hatten die Entlassungspapiere noch am selben Morgen in seinem Briefkasten gelegen. Man hatte sich eines Boten bedient, um sicherzugehen, dass er die »guten Nachrichten« noch rechtzeitig vor der Bescherung erhielt. Seine langen Jahre der harten Arbeit im Ministerium hatten nicht gereicht, seine Rede zu egalisieren. Er war raus. Was ihm diesen Anruf erleichterte. Die Schiffe am Strand brannten. Nun konnte er auch in den unbekannten Dschungel hineinmarschieren.
»Ja.« Ihre samtweiche, undeutbare Stimme.
»Born.«
»Ach, Herr Born. Schön von Ihnen zu hören. Endlich.«
Sebastian lächelte.
»Hätte ich am Wochenende anrufen sollen? Kurz vor Weihnachten?«
»Ich hatte darauf gehofft, ja. Und, sind die Papiere schon angekommen?«
»Woher...?«
»Ich bitte Sie, Herr Born. Beleidigen Sie nicht meine Intelligenz. Oder meine Kontakte.«
Er nahm die Visitenkarte vom Terrassentisch. Melanie Griesinger. Eine Nummer. Eine nichtssagende Emailadresse. Kein Titel, keine Berufsbezeichnung. Eine schlichte, bei ihren Worten aber eher beeindruckende Geste.
»Gut, hätten wir das also auch geklärt. Also, wie kann ich der unbekannten Schönheit helfen?«
Sie lachte. Ein angenehmes Geräusch.
»Ein echter Charmeur der alten Schule. Gefällt mir. Seien Sie nur nicht so kess zu meinem Boss.«
»Ihr Boss? Ich dachte, Sie seien Ihre eigene Chefin.«
»So in der Art. Dennoch habe auch ich eine Hand, die mich füttert. Es kommen harte Zeiten auf uns zu, Herr Born. Da sollte man sich seinen Futterspender warm halten.«
»Weiß Ihr Chef, wie Sie über ihn reden?«
»Alles andere würde mich verwundern. Aber lassen Sie uns zur Sache kommen. Sie haben mit Ihrer Rede Aufsehen erregt. Bei den richtigen Leuten. Wenn Ihre Forschungsergebnisse jetzt noch aussagekräftig sind und Ihre Expertise untermauern, hätte ich einen Job für Sie.«
Unterbewusst wischte sich Sebastian die feucht gewordenen Hände an der Hose ab.
»Für wen würde ich dann arbeiten?«
»Tststs, immer einen Schritt nach dem anderen. Versorgen Sie mich erst mal mit Ihren Dateien. Dann sehen wir weiter.«
»Ich kenne Sie doch gar nicht. Warum sollte ich Ihnen das anvertrauen, woran ich Jahre gearbeitet habe?«
Eine kurze Pause in der Leitung.
»Offensichtlich ist meine Anfrage nicht nur ein Test Ihres professionellen Könnens, Herr Born. Sondern auch Ihrer Menschenkenntnis. Es ist Ihre Entscheidung. Meine Mailadresse haben Sie ja. Ich erwarte Ihre Dateien. Andernfalls werde ich das ebenfalls akzeptieren und Sie nicht erneut kontaktieren. Es ist Ihre Entscheidung.« Dann legte Sie ohne jede Verabschiedung auf.
Sebastian nahm einen Schluck seines nun nur noch lauwarmen Glühweins. Er hatte noch nicht genug getrunken, um ohne Nachzudenken auf den Senden-Knopf zu drücken. Er kannte die Frau nicht, wusste nicht, ob seine Forschungsergebnisse bei ihr in guten Händen waren.
»Sei kein Idiot«, murmelte er vor sich hin. Er war arbeitslos, hatte seinen Ruf in der Szene für Jahre verbrannt. Und seine Dateien waren kaum zu missbrauchen. Wetterforschungen, Klimavoraussagen. Nichts für aufrüstungswillige Dritte-Welt-Diktatoren. Er ließ seinen Blick über das Umland schweifen, von der Dachterrasse seiner Eigentumswohnung hatte man einen netten Blick über sein Berliner Wohnviertel. Nicht die beste, aber auch nicht die schlechteste Lage. Er musste Arbeit haben, um die Wohnung abbezahlen zu können. Aber er wollte sich nichts vormachen. Mehr als das Geld reizte ihn, herauszufinden, für wen er bei Frau Giesinger arbeiten könnte. Und das Wiedersehen mit ihr. Er lächelte, nahm einen weiteren Schluck, zögerte einen Moment. Dann sendete er die Dateien.
Der Duft nach Kaffee und Kuchen lag in der Luft, untermalt von leiser Jazz-Musik und dem vielstimmigen Gemurmel der Starbucks-Besucher. Sebastian nahm einen kräftigen Schluck seines Kaffees – nein, er korrigierte sich, seines »Grande Tall Latte Irgendwas mit Vanille« – und genoss, wie die warme Flüssigkeit seine Kehle hinunterrann.
»Kaum zu glauben, oder?« Seine Mutter sah ihn erwartungsfroh an und Sebastian bemühte sich, schnell zu nicken. Mist, nicht aufgepasst.
Sie lächelte ihm zu, beugte sich über den kleinen Couchtisch, der zwischen ihren Ledersesseln stand und streichelte ihm über die Wange. Sebastian musste sich bemühen, die Hand nicht wegzustoßen. Nicht in der Öffentlichkeit!
»Was hast du eigentlich mit deinen Haaren gemacht? Du hattest doch so schöne Locken, wenn du sie halblang trägst. Ist kurz jetzt angesagt im Ministerium?«
Sebastian schüttelte den Kopf. Die »Frisur«, wenn man die paar Millimeter mit der Maschine geschnitten so überhaupt nennen wollte, war wirklich gewöhnungsbedürftig. Aber sein Ding. »Nein, ist morgens einfach nur schneller.« Ein weiterer Schluck Kaffee gesellte sich zu seinen