Froststurm. Jan-Tobias Kitzel
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»Letzte Woche, Mum.« Was sogar der Wahrheit entsprach. Mit Marie konnte man deutlich vernünftiger als mit Mutter sprechen. Beide hatten sich früh von den Eltern emotional abgenabelt. Bei dem ständigen Kleinkrieg im Elternhaus war das die einzige Methode gewesen, nicht allzu emotional vernarbt durchs Leben zu gehen. Dennoch hatte er manchmal das Gefühl, dies nicht vollständig genug getan zu haben. Oder zu spät. Manche Wunden brauchten lange, um zu verheilen.
»Letzte Woche«, wiederholte er und seine Mutter beugte sich vor und tätschelte sein Knie.
»Das ist schön. Ihr müsst Kontakt halten. Auch wenn es jetzt ein paar Kilometer sind, nach ihrem Umzug nach München!«
»Ja, Mum, keine Sorge.« Wie kam er bloß aus der Angelegenheit halbwegs zügig raus? Was hatte ihn geritten, diesem Kaffeeplausch zuzustimmen? Ach ja, die unausgesprochene Androhung, ihm sonst täglich mit Emails oder Anrufen auf dem Anrufbeantworter ein schlechtes Gewissen einzujagen. Sebastian unterdrückte ein Seufzen und wischte sich die schwitzigen Handinnenflächen an der Jeans ab.
»Und wie läuft es auf der Arbeit?«
Sebastian hielt sich am Pappbecher fest und genoss die Hitze, die sich scharf in seine Haut brannte. Er zögerte den Moment des Abstellens hinaus, immer weiter und stellte den Becher erst weg, als seine Hände zu zittern begannen. Er sog den Schmerz auf, leitete ihn in sein Innerstes, hielt sich daran fest. Sein treuester Begleiter. Der, der ihm half, klar zu denken in bestimmten Momenten.
»Mach dir keine Sorgen. Läuft.« Dass er arbeitslos war, hatte er ihr natürlich nicht erzählt. Auf ihr Mitgefühl konnte er verzichten.
Das Klingeln eines altmodischen Telefons. Er sah den Apparat aus den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts beinahe vor sich und musste grinsen. Nichts passte weniger zu einem modernen Handy, darum hatte er den Ton gewählt. Zügig zog er das Mobiltelefon aus der Hemdtasche und nahm den Anruf an, was ihm einen missbilligenden Blick seiner Mutter einbrachte.
»Born.«
»Griesinger hier, Herr Born. Schön, dass ich Sie erreiche.«
Sebastian lächelte erneut. Der Tag endete vielleicht doch nicht so beschissen, wie er bisher gelaufen war.
»Für Sie jederzeit.«
Ein freundliches Lachen auf der anderen Seite der Leitung schickte ein warmes Kribbeln in Sebastians Magen.
»Immer noch ein Charmeur. Ich mag Menschen, die sich vom Schicksal nicht entmutigen lassen. Wussten Sie, dass auf lange Sicht das Karma alles ausgleicht?«
Nun war es an Sebastian, ein Lachen durch den Äther zu schicken, auch wenn es vielleicht etwas zynischer ausfiel, als gewünscht.
»Ist dem so?«
»Auf jeden Fall. Ich werde es Ihnen beweisen. Hätten Sie heute Abend Zeit für ein Treffen? Nur ein Wort der Warnung vorab. Es wird ein Gespräch über Ihre Forschungen. Wenn auch bei einem Glas Wein.«
Da musste er nicht lange überlegen.
»Jederzeit gern, Frau Griesinger. Jederzeit gern.«
»Wunderbar.« Ehrliche Freude lag in ihrer Stimme. »Dann sagen wir heute Abend um acht bei Ramayana, einem kleinen Inder in der Berghofstraße. Einverstanden?«
»Wie ich bereits sagte: Für Sie jederzeit gern.«
»Das fasse ich als ein Ja auf. Bis dann«, sagte sie und legte auf.
Sebastian lächelte, steckte das Handy voller Genugtuung weg und verabschiedete sich knapp bei seiner Mutter, der er im Gegenzug versprechen musste, sich nächste Woche zu melden. Ein kleines Opfer für einen zügigen Abgang.
Als er vor die Tür des Starbucks trat und die warme Mittagsluft der Berliner Innenstadt ihn umgab, atmete er durch. Der Tag schickte sich ja doch noch an, angenehm zu werden.
Küsse mit Beigeschmack
Sie rannten durch die Nacht. Sirenen hinter ihnen. Sirenen unterm Sternenhimmel in einer warmen Winternacht. Regina lief so schnell es ging hinter Ben her, aber ihr Hüftspeck ließ seine Geschwindigkeit einfach nicht zu.
Plötzlich blieb Adonis stehen und zog sie abrupt in eine Seitengasse. Der Geruch nach verwesendem Müll lag in der Luft, quoll geradezu aus den drei herumstehenden Müllcontainern. Werbeflyer für einen Chinaimbiss pflasterten den Boden. Essen musste man ja selbst hier im Industriegebiet. Er drückte sie an die Wand, Regina wagte kaum zu atmen. Seine Haut so nah, sein Herzschlag so deutlich spürbar. Dann jagten zwei Polizeiwagen an der Gasse vorbei, das Blaulicht zuckte kurz hinein, dann verschwand es wieder. Und mit ihm die Bedrohung, die sie gejagt hatte. Ihr Herz schlug bis zum Hals, sie lehnte den Kopf an Bens Brust. Der lachte und wuschelte ihr durchs Haar. Er lachte. In dieser Situation. War es so alltäglich für ihn geworden, bei Unternehmen einzubrechen, die die Umwelt verschmutzten? Oder war es nur seine Art, mit dem Adrenalin umzugehen? Sie schaute zu ihm hoch, das Licht einer fernen Straßenlaterne brach sich in seinen eisblauen Augen. Er zog sie näher an sich und küsste sie. Der Moment dauerte ewig und doch nur ein paar Sekunden. Wie gern hätte sie ihn verlängert, doch da zog er sie schon weiter, weg vom Ort des Geschehens, hinein in die Nacht. Sie hatten noch einiges vor.
Ben streichelte ihr sanft über den Kopf, spielte mit ihren fingerkurzen, roten Haaren herum, die am Hinterkopf hochgegelt waren. Er mochte ihre neue Frisur – kurz war in – hatte sie getröstet, nachdem sie mit Tränen in den Augen vom Friseur nach Hause gekommen war. Nach Hause. Wie schön sich das anfühlte, das über seine Wohnung sagen zu können. Sie ließ sich vollends fallen, schmiegte sich noch enger an seinen nackten Körper unter der Bettdecke, ließ das wohlig-warme Gefühl nach dem Sex durch ihren ganzen Körper ziehen.
Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
»Was habe ich bloß früher ohne dich gemacht?«, fragte er mit angenehm tiefer, müder Stimme.
»Auf jeden Fall nicht so viele Computerverbrechen begangen!«, spöttelte sie, was ihr einen sanften Knuff in die Rippen einbrachte.
»Hey, dafür war ich schon bei mehr unfreiwilligen Eigentumsrelokalisierungen dabei, als du je erleben willst.«
»Und hast jeweils Kopf und Kragen riskiert. Dabei hast du so einen schönen Kopf.« Sie zog sich höher und küsste ihn spielerisch auf die Nase.
Er lachte auf und für eine Zeit kuschelten sie sich einfach nur aneinander und ließen die Nacht Nacht sein.
»Es stimmt. Es war gefährlicher. Aber manchmal ist es notwendig.«
Sie sah den Lichtern der vorbeifahrenden Autos zu, die durch die halb heruntergelassenen Jalousien ins Zimmer schienen. Der gleichförmige Rhythmus